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Das System grenzt das Parlament ein
Das System grenzt das Parlament ein

Das System grenzt das Parlament ein

Die Anwesenheit von 40 Ministern und Vizeministern in der ersten Kammer des Parlaments, der Nationalversammlung, verzerrt die wahre Funktion der Gesetzgeber zu Gunsten der Exekutive, warnt Dr. Henning Melber, Direktor des Nordischen Afrika-Instituts.

Im Vorfeld der 4. Legislaturperiode und im Rahmen des Wechsels der Präsidenten hat Dr. Melber vor einer Woche bereits bekannte, aber auch weniger geläufige Schwächen des parlamentarischen Systems und der politischen Machtverhältnisse Namibias aufgezeigt. Er sprach vor einem Publikum der Hotelfachschule des Polytechnikums.

Die 40 Minister sind vom Präsidenten ins Kabinett berufen, also von ihm abhängig, derweil sie gleichzeitig als Abgeordnete der Nationalversammlung in ihrem Amtseid feierlich geloben, den Gesetzen der Republik und dem Volk treu zu sein und "die Verfassung und die Gesetze nach besten Kräften zu hüten und zu verteidigen". Der Amtseid, den sie in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber der Nationalversammlung einerseits und als Mitglieder des Kabinetts (der Landesexekutive) andererseits ablegen, ähnelt sich teilweise, aber unterscheidet sich dann entscheidend, dass Angelegenheiten des Kabinetts unter dem Siegel der Verschwiegenheit behandelt werden müssen und dass der genannte Minister die Pflichten seines Amtes, das ihm/ihr vom Präsidenten übertragen wurde, "gewissenhaft und nach besten Kräften" ausübt.

Die Anstellung von Ministern aus den Reihen gewählter Abgeordneter ist legitim im Sinne von Artikel 35 (1) der Verfassung.

Melber macht auf den Interessenkonflikt aufmerksam, der zwischen dem Gesetzgeber/Mitglied der Nationalversammlung und dem Minister der regierenden Partei in einer Person entstehen muss, die zwei Hüte trägt. Derweil die gewählte Legislative, der Souverän des Volkes von Namibia, von den Grundsätzen der Transparenz und der Verantwortung gegenüber dem Wähler getragen sein sollte, hat sich die Nationalversammlung (Legislative) eher zur Verlängerung des Kabinetts (Exekutive) oder auch nur des Präsidenten entwickelt. In der Regel werden Gesetzesvorlagen allein von Ministern initiiert.

Die Doppelrolle bringt jedoch eine Grundnorm der Demokratie in arge Bedrängnis: die Gewaltenteilung und die gegenseitige Kontrolle der Organe, die Staatsgewalt ausüben. Wie aber kann die Nationalversammlung, in der über 40 SWAPO-Minister und Vizeminister sitzen, von denen fast alle Stimmrecht haben (es sei denn, sie gehören zufällig zu den sechs von Präsident Pohamba gesetzlich ernannten Mtgliedern ohne Stimmrecht), eine wirksame Kontrolle über das Kabinett ausüben, wenn selbige Minister allein schon die Mehrheit unter den 72 stimmberechtigten Abgeordneten bilden können?

Dazu noch einmal Melber: "Parlamentarier, die zu gleicher Zeit Pflichten als Minister oder Vizeminister ausüben, scheinen nicht fähig zu sein, die Wähler gründlich zu vertreten. Folglich sind die meisten SWAPO-Abgeordneten als Minister und Vizeminister dem Präsidenten und sich selbst verantwortlich. Diese Konstellation ist ein zweischneidiges Schwert." Die viel gerühmte Gewaltenteilung der Demokratie - checks and balances - bleibe im namibischen Parlament im Wunschdenken stecken. Die Minister ergriffen im Parlament zuerst das Wort in ihrer Eigenschaft als Exekutivmitglieder und nicht als Abgeordnete des Wählers.

Melber erinnert auch an peinliche Beispiele, bei denen der Präsident und das Kabinett das Parlament (beide Kammern) einfach überfahren oder vor vollendete Tatsachen gestellt haben, anstatt die Probleme im Plenum noch auszudiskutieren. Namibias vergebliche Beteiligung am Bürgerkrieg im Kongo 1998 wurde erst vom Präsidenten und vom Kabinett verheimlicht. Auch bei der Ausrufung des Ausnahmezustands nach der missglückten Rebellion in der Region Caprivi spielte das Parlament keine Rolle. Das militärische Engagement Namibias in Angola bis zum Fall Savimbis war ebenfalls keine parlamentarische Entscheidung. Melbers Kritik richtet sich hier nicht so sehr an getroffene Entscheidungen, er bemängelt die Prozedur. Das allein reiche den Loyalisten aber oft schon aus, die Anklage der Untreue zu erheben.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-26

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