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Demokratie ohne Demokraten? - Nachbetrachtungen zur Wahl

Im August 2009 wurde eine Auswertung von Umfrageergebnissen des Afrobarometer-Projektes veröffentlicht, das zwischen 1999 und 2008 unter jeweils circa 1200 Befragten im Lande in insgesamt fünf Erhebungen die Einstellungen zur Demokratie ermittelte. Die Zwischenbilanz kam zu keinesfalls ermutigenden Resultaten. So lassen die Werte keinen deutlichen Trend zur Unterstützung der Demokratie erkennen, sondern stagnierten bei etwa 60% Zustimmung. Gleichzeitig schwand zwischen 2002 und 2008 das Bekenntnis zu Wahlen als beste Form der Ernennung von Führern um fast 30 Prozent.

Dessen ungeachtet zeigten zumindest die parteiinternen Auseinandersetzungen in der SWAPO, dass ihr monolithischer Herrschaftsanspruch nur Fassade und über parteiinterne Differenzen hinwegzutäuschen bemüht ist. So mauserte sich der von SWAPO-Dissidenten maßgeblich betriebene Congress of Democrats (CoD) unmittelbar nach seiner Gründung zur größten politische Oppositionspartei. Diesen Status konnte er 2004 konsolidieren. Doch die CoD erwies sich als keine Bedrohung der Zwei-Drittel-Mehrheit der SWAPO. Diese konnte ihre Dominanz durch eine Drei-Viertel-Mehrheit festigen, während die Oppositionsparteien immer zersplitterter wurden. Das aktuelle Wahlergebnis dokumentiert erneut die ethnisch-regionale Dimension insbesondere der kleineren Parteien und bedeutet letztlich nur einen Tapetenwechsel in der offiziellen Opposition von der CoD zur RDP, die sich als Ergebnis SWAPO-interner Machtkämpfe gegen Ende 2007 formierte. Den um sich greifenden Partikularinteressen wird dadurch kein Einhalt geboten.

Aufgrund interner Zerrüttungen, Intrigen, Macht- und Verteilungskämpfe implodierte die CoD 2008. Mit dem Wahlergebnis 2009 fiel die Partei der Bedeutungslosigkeit anheim: einzig Parteiführer Ben Ulenga erreichte mit knapper Not und 5375 Stimmen (0,66%) noch ein Abgeordnetenmandat. Sein damaliger Gründungskollege Ignatius Shixwameni (wie Ulenga seinerzeit Vizeminister) schaffte es mit seiner neu gegründeten All Peoples' Party (APP) - die dem Namen zum Trotze einzig in seiner Herkunftsregion Kavango über eine Basis in der Wählerschaft verfügt - mit 10576 Stimmen (1,30%) ebenfalls - und sogar deutlicher - wieder ins Parlament.

Beide gesellen sich dort zu den anderen einzelnen Mandatsträgern der auf 6541 Stimmen (0,81%) dezimierten Republican Party (RP) sowie der South West African National Union (SWANU) als der ältesten Befreiungsbewegung Namibias, die mit 4989 Stimmen (0,62%) den letzten Sitz im Parlament ergatterte und damit die Monitor Action Group (MAG) aufgrund ihrer 281 Stimmen Vorsprung ins politische Abseits schickte. Mit RP und MAG, aber auch der DTA (2 Sitze mit 25393 Stimmen, bzw. 3,13%) gehörten die Parteien mit einem Großteil der bisherigen weißen Wählerstimmen zu den Verlierern.
Die United Democratic Front (UDF) sammelte ihre 19489 Stimmen (2,40%) für zwei Mandate in den unter dem Einfluss von Häuptling Garoeb stehenden Hochburgen der Damara. Die National Unity Democratic Organisation (NUDO) verdankt ihre zwei Mandate den 24422 Stimmen (3,01%), die Häuptling Riruako unter den Herero sichern konnte. Auch die South West Africa National Union (SWANU) dürfte den Einzug ins Parlament nur dank der Basis unter den Herero geschafft haben. Genau besehen wird angesichts dieser Tendenzen selbst die SWAPO zunehmend zur ethnisch-regional gestützten Partei, denn ihre überwältigende Mehrheit kann sie trotz Verlusten andernorts dank der breiten Unterstützung unter der ovambosprachigen Mehrheitsbevölkerung festigen.

Spekulationen, ob die Neuformation RDP genug SWAPO-Abtrünnige repräsentiert, um sich als ernsthafte politische Alternative zu etablieren, fanden durch die vorgezogenen Ergebnisse der in den namibischen Auslandsvertretungen abgegebenen Stimmen Nahrung. Dort konnten erstmals im Ausland befindliche Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Deren Meinungsbild gaben Grund zur Vermutung, die RDP könne die Zwei-Drittel-Mehrheit der SWAPO gefährden, sofern diese Proportionen repräsentativ wären. Die unverzügliche Bekanntgabe des Resultats noch vor dem eigentlichen Wahlakt im Lande selber war eine zusätzliche Irritation.

Die geweckten Erwartungen wurden enttäuscht. Obgleich die RDP in einigen städtischen Zentren (selbst in Katutura) sowie den mittleren und südlichen Landesteilen und in Teilen des Caprivi gute Ergebnisse erzielte und in mehreren Wahlbezirken (wie Rehoboth) sogar zur stärksten Kraft wurde, reichte es am Ende mit 90556 Stimmen (11,16%) doch nur zum Ehrentitel der "offiziellen Opposition" gegen die ungebrochenen Drei-Viertel-Mehrheit der SWAPO-Übermacht. Mit 602580 Stimmen (74,29%) vereinte sie zwar weniger Stimmzettel auf sich als fünf Jahre zuvor, verlor aber nur ein Mandat und bestimmt somit weiterhin uneingeschränkt die parlamentarischen Geschicke. Vier der acht RDP-Abgeordneten haben zuvor bereits für die SWAPO in dieser Rolle agiert. Sie müssen nun beweisen, dass ihre neue Partei mehr als nur alter Wein in neuen Schläuchen ist.

Dass Präsident Pohamba zu seiner Wiederwahl (die mit getrennten Stimmzetteln im gleichen Wahlgang erfolgte) einige tausend Stimmen mehr erhielt als die SWAPO, sollte seinen Führungsanspruch festigen. Er hat ihn bislang eher zögerlich - wenn überhaupt - reklamiert. Lange galt er als ein Interimspräsident der nur eine Amtszeit (eher aus Pflichterfüllung denn Berufung) absolviert. Doch dann zeigte er den Vorsatz, im Amt bestätigt zu werden. Seine zweite Amtszeit könnte ihm die Gelegenheit bieten, sich als der auf Ausgleich bedachte und gegen Machtmissbrauch und Korruption handelnde Amtsinhaber zu bestätigen, der in ihm ursprünglich gesehen wurde. Die darin gesetzten Erwartungen erfüllte er in den ersten fünf Jahren nicht.

Er setzt sich seit längerem der innerparteilichen Kritik der Populisten aus, die ihn für zu nachgiebig halten und eine härtere, orthodoxe Gangart gegen jegliches vermeintliche "Abweichlertum" fordern. Auf deren Seite profiliert sich der frühere Premierminister Hage Geingob zum Anwärter auf die Nachfolge. Nach mehrjähriger Auszeit im politischen Abseits (die er als Gastarbeiter bei einer Weltbank-finanzierten Einrichtung für Afrika in Washington verbrachte) feierte er ein unerwartetes come back als Industrie- und Handelsminister und avancierte beim letzten Parteikongress zum stellvertretenden Parteipräsidenten. Damit ist er derzeit bereits qua Amt der Nachfolger, falls Pohamba unerwartet den Dienst als Staatsoberhaupt quittieren würde.

Geingob, der noch vor den Wahlen Ende 1994 meinte, eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die SWAPO würde der Demokratie im Lande schaden, positionierte sich in der Endphase des Wahlkampfes als populistischer Heißsporn. Die RDP beschuldigte er eines "Savimbi-Syndroms" und ausländische Wahlbeobachter und "Heulsusen" (cry babies) ermahnte er, sich nicht zu beschweren, wenn die SWAPO ihre Vormachtstellung behauptet.

Die unabhängige Tageszeitung "The Namibian" und deren couragierte Chefredakteurin Gwen Lister gerieten unter massiven Beschuss, da ihr Parteinahme zugunsten eines "Regimewechsels" unterstellt wird. Pendukeni Ithana, Generalsekretärin der SWAPO und Justizministerin, hat mit an Rassismus grenzenden Attacken gegen die Leitfigur des unerschrockenen Journalismus im Lande zusätzlich Öl ins Feuer gegossen.

Wenig ausgleichend wirkt auch die zur Jahresmitte 2009 installierte Internetseite der SWAPO (www.swapoparty.org), die von dem SWAPO-Jugendliga-Führer Elijah Ngurare maßgeblich gestaltet wird. Der Wahlkampfauftakt erfolgte nicht etwa durch eine Kampagne, die über das politische Programm informierte, sondern indem über mehrere Wochen hinweg insgesamt vier Individuen nacheinander mit Foto und Kurztext wegen ihres vorgeblich unpatriotischen Anti-SWAPO-Gebarens an den Pranger gestellt und vorgeführt wurden. Auf dem zum Diskussionsforum deklarierten blog wurden sie zum verbalen Abschuss freigegeben, indem zu einer Debatte aufgerufen wurde, die an mittelalterliche Hexenjagden erinnerte.

Dem namibischen Botschafter bei den Vereinten Nationen reichte zur endgültigen Diskreditierung, dass in dem Stimmenergebnis der vorgezogenen Wahlen in der New Yorker Vertretung die RDP eine hauchdünne Mehrheit vor der SWAPO erzielte. Damit hatte sich der Diplomat in den Augen der SWAPO-Jugendliga und dem der SWAPO verbundenen namibischen Gewerkschaftsdachverband NUNW als U-Boot der neuen Partei enttarnt. In einer Pressekonferenz verlangten die beiden Vorsitzenden dessen sofortige Abberufung durch das Staatsoberhaupt, da er nur diesem gegenüber zu Loyalität verpflichtet sei und mit dem Wahlergebnis dagegen vorsätzlich verstoßen habe. - Die namibische Lesart des diplomatischen Dienstes ist wie dies zeigt vergleichsweise eng. Pohambas Reaktion auf solche Interventionen wird Anhaltspunkte liefern können, inwiefern er sich der orthodoxen Parteidogmatik unterwirft und den autistischen Tendenzen nachgibt.

Die ordentliche Durchführung der Wahlen wurde vielleicht allzu eilfertig trotz des deutlich rabiateren Wahlkampfes von den Beobachtermissionen der SADC und der AU noch vor Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse bescheinigt. Hingegen äußerte die Mission des Panafrikanischen Parlamentes ein paar Tage später deutliche Kritik. So bemängelte sie den Missbrauch des Staatsmonopols über die Rundfunk- und Fernsehanstalt NBC zugunsten der SWAPO. Die staatliche Wahlkommission musste sich mangelnde Professionalität bescheinigen lassen. In der Empfehlung, diese in eine unabhängige Institution umzuwandeln, liegt wohl die größte Brisanz.

Bisherige Stellungnahmen von Organisationen der namibischen Zivilgesellschaft fallen - mit Ausnahme der nationalen Menschenrechtsorganisation NSHR, deren Leiter Phil ya Nangoloh sich durch eine biographisch geschuldete, fast pathologische SWAPO-Aversion leiten lässt - eher zurückhaltend aus. Sie scheinen von der Vorsicht geprägt, sich nicht allzu sehr zu exponieren. Letztlich bleibt vorerst die Frage offen, ob das offizielle Wahlergebnis der Überprüfung auch vor Gericht standhalten wird, denn die Mehrheit der Oppositionsparteien hat sich in diesem Punkt darauf geeinigt, es nicht auf sich beruhen zu lassen. Wie schon vor fünf Jahren wird erneut die namibische Justiz bemüht, die Rechtmäßigkeit des Wahlvorganges und seiner Ergebnisse zu prüfen.

Jenseits der Selbstbedienung der SWAPO durch die kostenlose Nutzung staatlicher Ressourcen und ergo einer Teilfinanzierung des Wahlkampfes mit Steuermitteln bleiben Zweifel hinsichtlich der Wählerregistrierung, der Wahlliste und der Stimmenabgabe in einzelnen Bezirken. Dass angeblich die nach Stimmabgabe erfolgte Markierung an einem Finger der WählerInnen wieder entfernt werden konnte und das Kreuz auf dem Stimmzettel mit Bleistift gezogen wurde diente kaum der Beruhigung besorgter Gemüter. Eine Wahlbeteiligung von 129%, 133% und 135% wie in drei ländlichen Wahlkreisen im ehemaligen Ovamboland übertrifft selbst Spitzenergebnisse im einstigen Staatssozialismus. Anders als in einigen städtischen Zentren wie in Swakopmund (112%), Walvis Bay (110%) und zwei Bezirken Windhoeks (104% und knapp 101%) lässt sich dies in den entlegenen nördlichen Hochburgen der SWAPO nur schwerlich durch die Stimmabgabe von anderswo registrierten Wahlberechtigten erklären (die dies nach namibischem Wahlgesetz tun dürfen). Dies nährt den Verdacht auf allzu eifrige Übererfüllung des Solls durch lokale Aktivisten.

Die einwöchige Warteschleife bis zur Bekanntgabe des verifizierten amtlichen Endergebnisses (die der Auszählung der insgesamt nicht viel mehr als 800000 Stimmen am jeweiligen Wahlbezirk folgte, ohne dass die Wahlbeobachter der Parteien davon zuvor unterrichtet waren) erwies sich ebenfalls nicht als vertrauensbildende Maßnahme. So bleiben selbst verschuldete Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Resultats. Ob die unbotmäßige Verzögerung der offiziellen Ergebnisse einer Inkompetenz oder Schlimmerem geschuldet ist, bedarf noch der Klärung. Die bestehenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses tragen leider zu keiner Verbesserung des angeschlagenen Images eines Landes bei, das vor 20 Jahren als Vorbild für afrikanische Demokratie gefeiert wurde. Ungeachtet solcher Erosionsprozesse scheint allerdings auch zwei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit die politische Hegemonie der SWAPO als Befreiungsbewegung an der Macht den Herausforderungen stand zu halten. - Fragt sich nur, um welchen Preis.

Die sich auf der SWAPO Internetseite austobende, mit elektronischer Kommunikation vertraute Parteibasis zumindest macht aus ihrer an Fanatismus grenzenden Loyalität keinerlei Hehl. Mit Demokratie hat deren Engagement so viel am Hut wie der Papst mit dem Islam. Ein Moderator der darüber entscheidet, was überhaupt ins Netz gestellt wird, zeigt sich hinsichtlich solcher Auswüchse - die sicherheitshalber auch nochmals in der parteieigenen Wochenzeitung als Volksmeinung abgedruckt werden - recht großzügig tolerant. Andererseits scheint ein Harmoniebedürfnis Konfrontationen vermeiden zu wollen. Denn sicherheitshalber wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass Zweifel auch gar nicht erst genährt werden, wer im Lande das Sagen hat. Mit Zensur hat solche Form der Meinungsfreiheit selbstverständlich nichts zu tun. Immerhin gelang es zwischendurch einem gate crasher namens "Adolf", seinen Brüdern und Schwestern in Afrika mittels einer Grußbotschaft zur Exekutierung der auch ihm obliegenden Aufgabe zu gratulieren, sich Andersdenkender zu entledigen... - Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Ganz authentisch original hingegen war die folgende prophetische Gesinnung, die sich dort publiziert fand: "Die Bibel bescheinigt, dass Gott Menschen nach seinem Bilde schuf und in Namibia sind diese Menschen SWAPO und SWAPO sind die Menschen. Wenn du also kein Parteimitglied der SWAPO bist, was bist du dann? ... Die SWAPO wird alle 72 Sitze im Parlament gewinnen und Namibia bis zur Wiederkehr von Jesus Christus regieren. Amen." Das lässt sich zur Weihnachtszeit nur noch um ein schmetterndes "Hallelujah" ergänzen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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