Der Elektrizitätssektor braucht eine strategische Neuorientierung
In den vergangenen Jahren hat die namibische Abhängigkeit von Stromimporten besorgniserregend zugenommen. Heute müssen wir uns die Frage stellen, ob wir auch in Zukunft mit einer zuverlässigen und bezahlbaren Stromversorgung rechnen können, und wenn ja, wie diese bereitgestellt werden soll. Außerdem stellt sich die Frage, welche Impulse die Politik jetzt geben muss, um ein nachhaltiges Wirtschaftsklima optimal zu fördern.
Studie gibt Einblick ins Thema
Eine unlängst veröffentlichte Studie des hiesigen Institute for Public Policy Research (IPPR, siehe www.ippr.org.na) hatte zum Ziel, die Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren im Elektrizitätssektor stattgefunden haben, zu untersuchen, um zur Entscheidungsfindung in der Debatte um die wichtigen zukunftsweisenden Akzente auf diesem Gebiet beizutragen. Die Studie befasst sich schwerpunktmäßig mit drei Themen: dem nationalen Elektrizitätssektor, den erneuerbaren Energien in Namibia und der ländlichen Elektrifizierung. Der interessierte Leser kann sich die gesamte Studie und die dazugehörigen Präsentationen, die am 10. September 2009 in Windhoek gezeigt wurden, von der genannten Webseite herunterladen.
Was die Zukunft der namibischen Elektrizitätsversorgung betrifft, sind die wichtigsten Befunde der Studie im Wesentlichen wie folgt: Seit Jahren deckt Namibia seinen Strombedarf nicht mehr aus eigener Produktion. Signifikante, zum Teil auch aktuelle Investitionen stärken unser nationales Stromversorgungsnetz, zum Beispiel der Caprivi Interconnector (eine neue Hochspannungsstromlinie, die Namibia mit Sambia und Simbabwe verbinden wird). Wenn unsere Stromversorgung weiterhin erheblich von Importen abhängig bleibt, wird diese unsicherer und wahrscheinlich auch unzuverlässiger. Bei neuem, regionalem Wirtschaftswachstum sind weitere Engpässe in der Stromversorgung, wie sie zum Beispiel 2008 die südafrikanische Wirtschaft gebeutelt haben, nicht auszuschließen. Wenn Namibia an ehrgeizigen Entwicklungszielen festhalten möchte, wie sie zum Beispiel in der Vision 2030 formuliert sind, werden wir nicht um eine strategische Neuorientierung des heimischen Elektrizitätssektors herumkommen.
Vision ist wichtig
Eine solche strategische Neuorientierung sollte sich einerseits von einer klaren Zukunftsvision leiten lassen und sich andererseits auf Fakten stützen. Wunschdenken oder parteipolitische Fantasien helfen nicht. Eine Vision, wie wir und unsere Kinder einmal leben möchten, ist wichtig und sollte von der Politik und Bevölkerung in Namibia gleichermaßen unterstützt bzw. verstanden werden. Von Vorteil ist es dann, die nationalen komparativen Stärken zu erkennen, um diese durch gezielte Förderungs- und Investitionsaktivitäten zu entwickeln. Zu den namibischen Stärken, die für unsere zukünftige Stromversorgung wichtig sind, zählen insbesondere unsere bedeutenden erneuerbaren Energieressourcen, zum Beispiel unsere solaren Ressourcen, die Windressourcen an der Küste, die nutzbare Biomasse in Form des Eindringerbusches in Zentral- und Nordnamibia als auch die Wasserkraftmöglichkeiten des unteren Kunene und (in geringerem Maße) die Hydropotenziale des Okavango und Oranje. Zu diesem Ressourcenschatz, wenngleich auch als Energiequellen noch ungenügend quantifiziert, zählen auch unsere geothermischen Ressourcen und die verschiedenen Möglichkeiten zur Nutzung der Wellen- und Strömungsenergie des Atlantik. Namibia ist reich mit diesen erneuerbaren Ressourcen ausgestattet; leider bleibt ihre Anwendung bis heute weit hinter diesen erheblichen Potenzialen zurück.
Nichts investiert
Warum werden diese Ressourcen nicht ausgiebiger genutzt? Die Antwort liegt auch in unserer Vergangenheit: Namibia hat, durch sehr vorteilhafte Stromimportpreise von ESKOM in Südafrika verwöhnt, seit mehr als 30 Jahren nicht mehr in seine Stromerzeugungskapazitäten investiert. Warum auch, gab es doch bis früh in die 2000er Jahre scheinbar unbegrenzte Erzeugungskapazitäten im südlichen Nachbarland und supergünstige Tarife!
Spätestens 2007 aber hatte auch die Politik eingesehen, dass es mit billigen Überkapazitäten in der Region vorbei ist. Mit Nachdruck ist es den Meisten seit den plötzlich eingetretenen Elektrizitätsengpässen ab 2008 bewusst geworden. Nun verhandeln die Mitglieder des Southern African Power Pool über Wege zur Bewältigung dieser Krise. Investitionen kommen trotzdem nur schleppend zustande und regionale Zielvorhaben werden nur mit erheblichen Verzögerungen erreicht.
Prekäre Lage lässt Tarife steigen
Was gilt es also zu tun? Es ist wichtiger denn je, dass wir uns alle der prekären regionalen Elektrizitätsversorgungslage bewusst werden. Das bedeutet auch, dass wir in Zukunft mit erheblich höheren Stromtarifen rechnen müssen. Ohne Zweifel gibt es jetzt schon viele Menschen in unserer Gesellschaft, die die stetig steigenden Stromkosten nicht verkraften. Das führt zu mehr Ungleichheit, mit allen ihren ungewünschten Begleiterscheinungen. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass sich der Anteil derjenigen in der Gesellschaft, die sich den regelmäßigen Konsum von Kilowattstunden in Zukunft werden leisten können, verringern wird. Zudem ist auch unsere Industrie vor Preiseskalation nicht gefeit, mit einschneidenden Konsequenzen für den Bergbau und die verarbeitenden bzw. herstellenden Sektoren. Auch dort wird der Konsument letztlich die entstehende Mehrrechnung zahlen müssen. Welche Möglichkeiten gibt es, diese Preisspirale zumindest langfristig einzudämmen? Es gibt Lösungen und ein Kollaps der namibischen Stromversorgung ist nicht zwingend vorprogrammiert. Hierbei ist in erster Linie die Politik gefragt, zum anderen aber kann jeder Verbraucher auch ein wenig mehr Selbstverantwortung für den eigenen Stromverbrauch übernehmen.
Schauen wir uns die Impulse an, die jetzt von der Politik gesetzt werden sollten. Hier steht vorrangig eine veraltete Weißschrift zur namibischen Energiepolitik im Fadenkreuz der Kritik. Dringend sollte dieses richtungsweisende Regelwerk überholt und auf den neuesten Stand gebracht werden: Nationale Stromproduktionsziele müssen besser definiert werden; Interessenkonflikte innerhalb des Sektors müssen beseitigt werden; die Entwicklung der Strompreise muss transparenter gestaltet werden; es müssen dringend Investitionsanreize geschaffen werden, vor allem dort, wo durch die Wertsteigerung von hiesigen Ressourcen neue Arbeitsplätze, neue Industrien und innovative Betriebe geschaffen werden können.
Investoren aktiv umwerben
Erneuerung und Innovation im Stromsektor verlangt nach vernünftigen Rahmenbedingungen. An diesen fehlt es. Welchen Anreiz gibt es für Energieunternehmer, in Namibia zu investieren, wenn es in Südafrika günstigere Einspeisetarife und zudem Möglichkeiten zum weiteren Verdienst gibt, zum Beispiel durch den Handel mit Kohlendioxyd-Zertifikaten, die dort beinahe doppelt so gewinnbringend pro Kilowattstunde sind wie in Namibia? In einer energiehungrigen Welt müssen Investoren und Projektentwickler aktiv umworben werden.
Fragen wir uns, ob Namibias Elektrizitätssektor ein profitables und investorenfreundliches Umfeld bietet. Es gibt ein neues Regelwerk für sogenannte Independent Power Producers (IPP), dass sind Betreiber von Kraftwerken, die unabhängig von NamPower Strom produzieren. Bisher allerdings gibt es keinen einzigen IPP. Das hat vielerlei Gründe: Wer in Namibia Strom in das Hochspannungsstromnetz einspeisen möchte, muss erst einmal mit NamPower über Nutzungsrechte und Gebühren verhandeln. Dazu kommt, dass NamPower auch den Status des nationalen Stromeinkäufers (single buyer) inne hat, was bedeutet dass alle großen Stromproduzenten ein sogenanntes Power Purchase Agreement (PPA) mit NamPower abschließen müssen.
Monopol sorgt für Konflikte
Als bisher einziger Stromproduzent (abgesehen von einigen wenigen Minen und Privatinstanzen) hat NamPower dadurch eine Monopolstellung, die durchaus Interessenkonflikte birgt. Warum sollte man von neuen Produzenten Strom einkaufen, wenn diese letztlich auch im Wettbewerb mit einem selbst stehen? Man bedenke, dass Namibias existierende Stromerzeugungskapazitäten durch das fortgeschrittene Alter allesamt abgeschrieben sind. Das bedeutet auch, dass alle neuen Produzenten, die in Namibia Strom erzeugen möchten, dieses nur zu sehr viel höheren Tarifen tun können als es NamPower zurzeit mit dem Hydrokraftwerk bei Ruacana kann.
Wie sollte eine zukunftsweisende Strompolitik formuliert werden? Heute ist mehr denn je eine strategische Neuorientierung des Elektrizitätssektors gefragt, mit der wir uns den vielen Herausforderungen stellen können, denen wir als Entwicklungsland in einer sich schnell globalisierenden und zunehmend kompetitiven Welt gegenüber stehen. Das bedeutet auch, dass man bewusst klare Entwicklungsziele steckt. Zu diesen sollten gehören:
- eine zukunftsorientierte Neugestaltung des Energieregelwerks
- Anwerben von Neuinvestitionen im Stromsektor durch konkrete Energiepolitik, vor allem indem wir nationale Ziele definieren (z.B. ein vorgegebener Prozentsatz an erneuerbaren Energien und/oder der Nutzung von hiesigen Ressourcen)
- Formulierung lohnender und regional kompetitiver Einspeisetarife
- Schaffung von Investitionsanreizen, z.B. durch steuerliche Vergünstigungen uvm.
Eine strategische Orientierung muss mittelfristig einen Stromerzeugungsmix schaffen, der uns weniger risikoanfällig macht, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, lokale Wertsteigerung anspornt und aktiv unsere komparativen Vorteile nutzt. Auf der anderen Seite sollten Risiken, wie sie zum Beispiel von einer Abhängigkeit von Stromimporten, von Wechselkursen, von Technologien und Technologieeignern kommen, systematisch verringert werden.
Strommix musst durchdacht sein
Wie könnte ein zukünftiger namibischer Strommix aussehen? Bei einer ersten Betrachtung von Technologieoptionen sollten grundsätzlich keine Scheuklappen aufgesetzt werden. Optionen müssen nüchtern und detailliert nach ihren positiven und negativen sozialen, umweltrelevanten und marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Danach muss gefragt werden, welche komparativen Stärken Namibia nutzen kann, um sich für beziehungsweise gegen die verschiedenen Stromerzeugungsoptionen zu entscheiden. Und dann müssen Entscheidungen fallen und Taten folgen.
In jüngerer Zeit hat sich ein zunehmendes Interesse von Seiten der Regierung offenbart, die Nutzung von Kernenergie in Namibia zu fördern. Des Weiteren hat NamPower unlängst eine Umweltstudie für ein geplantes großes Kohlekraftwerk in Walvis Bay vorgestellt. Es ist prinzipiell gut, ohne Vorurteile alle potenziellen Stromerzeugungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Hier muss man allerdings sehen, dass bei vielen der berücksichtigten Stromerzeugungsmöglichkeiten erhebliche Kosten anfallen, ohne dass Namibia durch solche Ausgaben seine reichen Potenziale von erneuerbaren und anderen Rohstoffen optimal nutzen könnte. Optionen, die riesige Technologieinvestitionen erfordern und zudem über Jahrzehnte von importierten Brennstoffen, Experten und ihrem Fachwissen abhängig bleiben, sind zwar im Prinzip interessant, aber lähmen in der Praxis die Verbreitung innovativer und umweltfreundlicher Technologien in Namibia. Hier muss die Politik aktiver werden und mehr Pragmatismus entwickeln.
Namibia sollte dringend in eine stärker diversifizierte Stromversorgung investieren. Eine solche könnte den Ausbau des Baynes-Wasserkraftwerkes im Kunene beinhalten, den Bau von solargestützen, vom Kudugasfeld gespeister Gasturbinen, und sie würde auch eine bewusste dezentralisierte Energieversorgung anstreben, die gezielt die Nutzung unserer verschiedenen erneuerbaren Energieressourcen anstrebt und die Energieeffizienz fördern.
Wie auch entschieden wird, der Verbraucher wird sich langfristig auf höhere Strompreise einstellen müssen. Das kann aber ganz gezielt durch effizientere Stromnutzung und eine Veränderung der Benutzungsroutinen weitestgehend abgefedert werden. Ein Beispiel ist das Aufheizen von Wasser mit Strom - in einem Sonnenland sollte es eigentlich keine ernsthaften Debatten mehr darüber geben, ob der Gebrauch von solaren Warmwassergeräten sinnvoll ist. Haben Sie Ihren Geyser schon durch eine solare Warmwasserversorgung ersetzt?
Zum Abschluss: Die Politik ist jetzt gefordert, langfristige Investitionen in Namibias Stromversorgung zu bewerkstelligen, die eine bewusste Diversifizierung des Stromsektors bewirken. Hier sollte an erster Stelle die Nutzung unserer vielen erneuerbaren Energien stehen. Auch lokale fossile Energieträger, wie zum Beispiel das Kudugasfeld, sollten aktiv für die Entwicklung des Landes eingespannt werden.
Außerdem müssen die vielfältigen Potenziale, die durch Energieeffizienz erschlossen werden können, dringend gefördert werden, sowohl in privaten als auch in den vielen Staats- und halbstaatlichen Unternehmen. Langfristige Abhängigkeiten - sei es von internationalen Währungen, Langzeitkrediten, Brennstofflieferungen und importierten Experten - sollten minimal gehalten werden. Regionale Partnerschaften, wie zum Beispiel Namibias Mitgliedschaft im Southern African Power Pool, gilt es zu stärken, vor allem um gemeinsam an der Versorgungssicherheit der gesamten Region zu arbeiten. Und nicht zuletzt sollte durch die gezielte Förderung von lokalen Energieunternehmern die Nutzung und Veredelung lokaler Rohstoffe und damit auch der lokale Wirtschaftswachstumsmotor systematisch geölt werden. Es gibt viel zu tun, und wir alle können dazu einen Beitrag liefern. Es ist an der Zeit, es anzupacken.
Dr. Detlof von Oertzen
(Der Autor ist Namibier und promovierter Physiker, er arbeitet als unabhängiger Technologie- und Managementberater im Energie- und Umweltsektor.)
Studie gibt Einblick ins Thema
Eine unlängst veröffentlichte Studie des hiesigen Institute for Public Policy Research (IPPR, siehe www.ippr.org.na) hatte zum Ziel, die Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren im Elektrizitätssektor stattgefunden haben, zu untersuchen, um zur Entscheidungsfindung in der Debatte um die wichtigen zukunftsweisenden Akzente auf diesem Gebiet beizutragen. Die Studie befasst sich schwerpunktmäßig mit drei Themen: dem nationalen Elektrizitätssektor, den erneuerbaren Energien in Namibia und der ländlichen Elektrifizierung. Der interessierte Leser kann sich die gesamte Studie und die dazugehörigen Präsentationen, die am 10. September 2009 in Windhoek gezeigt wurden, von der genannten Webseite herunterladen.
Was die Zukunft der namibischen Elektrizitätsversorgung betrifft, sind die wichtigsten Befunde der Studie im Wesentlichen wie folgt: Seit Jahren deckt Namibia seinen Strombedarf nicht mehr aus eigener Produktion. Signifikante, zum Teil auch aktuelle Investitionen stärken unser nationales Stromversorgungsnetz, zum Beispiel der Caprivi Interconnector (eine neue Hochspannungsstromlinie, die Namibia mit Sambia und Simbabwe verbinden wird). Wenn unsere Stromversorgung weiterhin erheblich von Importen abhängig bleibt, wird diese unsicherer und wahrscheinlich auch unzuverlässiger. Bei neuem, regionalem Wirtschaftswachstum sind weitere Engpässe in der Stromversorgung, wie sie zum Beispiel 2008 die südafrikanische Wirtschaft gebeutelt haben, nicht auszuschließen. Wenn Namibia an ehrgeizigen Entwicklungszielen festhalten möchte, wie sie zum Beispiel in der Vision 2030 formuliert sind, werden wir nicht um eine strategische Neuorientierung des heimischen Elektrizitätssektors herumkommen.
Vision ist wichtig
Eine solche strategische Neuorientierung sollte sich einerseits von einer klaren Zukunftsvision leiten lassen und sich andererseits auf Fakten stützen. Wunschdenken oder parteipolitische Fantasien helfen nicht. Eine Vision, wie wir und unsere Kinder einmal leben möchten, ist wichtig und sollte von der Politik und Bevölkerung in Namibia gleichermaßen unterstützt bzw. verstanden werden. Von Vorteil ist es dann, die nationalen komparativen Stärken zu erkennen, um diese durch gezielte Förderungs- und Investitionsaktivitäten zu entwickeln. Zu den namibischen Stärken, die für unsere zukünftige Stromversorgung wichtig sind, zählen insbesondere unsere bedeutenden erneuerbaren Energieressourcen, zum Beispiel unsere solaren Ressourcen, die Windressourcen an der Küste, die nutzbare Biomasse in Form des Eindringerbusches in Zentral- und Nordnamibia als auch die Wasserkraftmöglichkeiten des unteren Kunene und (in geringerem Maße) die Hydropotenziale des Okavango und Oranje. Zu diesem Ressourcenschatz, wenngleich auch als Energiequellen noch ungenügend quantifiziert, zählen auch unsere geothermischen Ressourcen und die verschiedenen Möglichkeiten zur Nutzung der Wellen- und Strömungsenergie des Atlantik. Namibia ist reich mit diesen erneuerbaren Ressourcen ausgestattet; leider bleibt ihre Anwendung bis heute weit hinter diesen erheblichen Potenzialen zurück.
Nichts investiert
Warum werden diese Ressourcen nicht ausgiebiger genutzt? Die Antwort liegt auch in unserer Vergangenheit: Namibia hat, durch sehr vorteilhafte Stromimportpreise von ESKOM in Südafrika verwöhnt, seit mehr als 30 Jahren nicht mehr in seine Stromerzeugungskapazitäten investiert. Warum auch, gab es doch bis früh in die 2000er Jahre scheinbar unbegrenzte Erzeugungskapazitäten im südlichen Nachbarland und supergünstige Tarife!
Spätestens 2007 aber hatte auch die Politik eingesehen, dass es mit billigen Überkapazitäten in der Region vorbei ist. Mit Nachdruck ist es den Meisten seit den plötzlich eingetretenen Elektrizitätsengpässen ab 2008 bewusst geworden. Nun verhandeln die Mitglieder des Southern African Power Pool über Wege zur Bewältigung dieser Krise. Investitionen kommen trotzdem nur schleppend zustande und regionale Zielvorhaben werden nur mit erheblichen Verzögerungen erreicht.
Prekäre Lage lässt Tarife steigen
Was gilt es also zu tun? Es ist wichtiger denn je, dass wir uns alle der prekären regionalen Elektrizitätsversorgungslage bewusst werden. Das bedeutet auch, dass wir in Zukunft mit erheblich höheren Stromtarifen rechnen müssen. Ohne Zweifel gibt es jetzt schon viele Menschen in unserer Gesellschaft, die die stetig steigenden Stromkosten nicht verkraften. Das führt zu mehr Ungleichheit, mit allen ihren ungewünschten Begleiterscheinungen. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass sich der Anteil derjenigen in der Gesellschaft, die sich den regelmäßigen Konsum von Kilowattstunden in Zukunft werden leisten können, verringern wird. Zudem ist auch unsere Industrie vor Preiseskalation nicht gefeit, mit einschneidenden Konsequenzen für den Bergbau und die verarbeitenden bzw. herstellenden Sektoren. Auch dort wird der Konsument letztlich die entstehende Mehrrechnung zahlen müssen. Welche Möglichkeiten gibt es, diese Preisspirale zumindest langfristig einzudämmen? Es gibt Lösungen und ein Kollaps der namibischen Stromversorgung ist nicht zwingend vorprogrammiert. Hierbei ist in erster Linie die Politik gefragt, zum anderen aber kann jeder Verbraucher auch ein wenig mehr Selbstverantwortung für den eigenen Stromverbrauch übernehmen.
Schauen wir uns die Impulse an, die jetzt von der Politik gesetzt werden sollten. Hier steht vorrangig eine veraltete Weißschrift zur namibischen Energiepolitik im Fadenkreuz der Kritik. Dringend sollte dieses richtungsweisende Regelwerk überholt und auf den neuesten Stand gebracht werden: Nationale Stromproduktionsziele müssen besser definiert werden; Interessenkonflikte innerhalb des Sektors müssen beseitigt werden; die Entwicklung der Strompreise muss transparenter gestaltet werden; es müssen dringend Investitionsanreize geschaffen werden, vor allem dort, wo durch die Wertsteigerung von hiesigen Ressourcen neue Arbeitsplätze, neue Industrien und innovative Betriebe geschaffen werden können.
Investoren aktiv umwerben
Erneuerung und Innovation im Stromsektor verlangt nach vernünftigen Rahmenbedingungen. An diesen fehlt es. Welchen Anreiz gibt es für Energieunternehmer, in Namibia zu investieren, wenn es in Südafrika günstigere Einspeisetarife und zudem Möglichkeiten zum weiteren Verdienst gibt, zum Beispiel durch den Handel mit Kohlendioxyd-Zertifikaten, die dort beinahe doppelt so gewinnbringend pro Kilowattstunde sind wie in Namibia? In einer energiehungrigen Welt müssen Investoren und Projektentwickler aktiv umworben werden.
Fragen wir uns, ob Namibias Elektrizitätssektor ein profitables und investorenfreundliches Umfeld bietet. Es gibt ein neues Regelwerk für sogenannte Independent Power Producers (IPP), dass sind Betreiber von Kraftwerken, die unabhängig von NamPower Strom produzieren. Bisher allerdings gibt es keinen einzigen IPP. Das hat vielerlei Gründe: Wer in Namibia Strom in das Hochspannungsstromnetz einspeisen möchte, muss erst einmal mit NamPower über Nutzungsrechte und Gebühren verhandeln. Dazu kommt, dass NamPower auch den Status des nationalen Stromeinkäufers (single buyer) inne hat, was bedeutet dass alle großen Stromproduzenten ein sogenanntes Power Purchase Agreement (PPA) mit NamPower abschließen müssen.
Monopol sorgt für Konflikte
Als bisher einziger Stromproduzent (abgesehen von einigen wenigen Minen und Privatinstanzen) hat NamPower dadurch eine Monopolstellung, die durchaus Interessenkonflikte birgt. Warum sollte man von neuen Produzenten Strom einkaufen, wenn diese letztlich auch im Wettbewerb mit einem selbst stehen? Man bedenke, dass Namibias existierende Stromerzeugungskapazitäten durch das fortgeschrittene Alter allesamt abgeschrieben sind. Das bedeutet auch, dass alle neuen Produzenten, die in Namibia Strom erzeugen möchten, dieses nur zu sehr viel höheren Tarifen tun können als es NamPower zurzeit mit dem Hydrokraftwerk bei Ruacana kann.
Wie sollte eine zukunftsweisende Strompolitik formuliert werden? Heute ist mehr denn je eine strategische Neuorientierung des Elektrizitätssektors gefragt, mit der wir uns den vielen Herausforderungen stellen können, denen wir als Entwicklungsland in einer sich schnell globalisierenden und zunehmend kompetitiven Welt gegenüber stehen. Das bedeutet auch, dass man bewusst klare Entwicklungsziele steckt. Zu diesen sollten gehören:
- eine zukunftsorientierte Neugestaltung des Energieregelwerks
- Anwerben von Neuinvestitionen im Stromsektor durch konkrete Energiepolitik, vor allem indem wir nationale Ziele definieren (z.B. ein vorgegebener Prozentsatz an erneuerbaren Energien und/oder der Nutzung von hiesigen Ressourcen)
- Formulierung lohnender und regional kompetitiver Einspeisetarife
- Schaffung von Investitionsanreizen, z.B. durch steuerliche Vergünstigungen uvm.
Eine strategische Orientierung muss mittelfristig einen Stromerzeugungsmix schaffen, der uns weniger risikoanfällig macht, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, lokale Wertsteigerung anspornt und aktiv unsere komparativen Vorteile nutzt. Auf der anderen Seite sollten Risiken, wie sie zum Beispiel von einer Abhängigkeit von Stromimporten, von Wechselkursen, von Technologien und Technologieeignern kommen, systematisch verringert werden.
Strommix musst durchdacht sein
Wie könnte ein zukünftiger namibischer Strommix aussehen? Bei einer ersten Betrachtung von Technologieoptionen sollten grundsätzlich keine Scheuklappen aufgesetzt werden. Optionen müssen nüchtern und detailliert nach ihren positiven und negativen sozialen, umweltrelevanten und marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Danach muss gefragt werden, welche komparativen Stärken Namibia nutzen kann, um sich für beziehungsweise gegen die verschiedenen Stromerzeugungsoptionen zu entscheiden. Und dann müssen Entscheidungen fallen und Taten folgen.
In jüngerer Zeit hat sich ein zunehmendes Interesse von Seiten der Regierung offenbart, die Nutzung von Kernenergie in Namibia zu fördern. Des Weiteren hat NamPower unlängst eine Umweltstudie für ein geplantes großes Kohlekraftwerk in Walvis Bay vorgestellt. Es ist prinzipiell gut, ohne Vorurteile alle potenziellen Stromerzeugungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Hier muss man allerdings sehen, dass bei vielen der berücksichtigten Stromerzeugungsmöglichkeiten erhebliche Kosten anfallen, ohne dass Namibia durch solche Ausgaben seine reichen Potenziale von erneuerbaren und anderen Rohstoffen optimal nutzen könnte. Optionen, die riesige Technologieinvestitionen erfordern und zudem über Jahrzehnte von importierten Brennstoffen, Experten und ihrem Fachwissen abhängig bleiben, sind zwar im Prinzip interessant, aber lähmen in der Praxis die Verbreitung innovativer und umweltfreundlicher Technologien in Namibia. Hier muss die Politik aktiver werden und mehr Pragmatismus entwickeln.
Namibia sollte dringend in eine stärker diversifizierte Stromversorgung investieren. Eine solche könnte den Ausbau des Baynes-Wasserkraftwerkes im Kunene beinhalten, den Bau von solargestützen, vom Kudugasfeld gespeister Gasturbinen, und sie würde auch eine bewusste dezentralisierte Energieversorgung anstreben, die gezielt die Nutzung unserer verschiedenen erneuerbaren Energieressourcen anstrebt und die Energieeffizienz fördern.
Wie auch entschieden wird, der Verbraucher wird sich langfristig auf höhere Strompreise einstellen müssen. Das kann aber ganz gezielt durch effizientere Stromnutzung und eine Veränderung der Benutzungsroutinen weitestgehend abgefedert werden. Ein Beispiel ist das Aufheizen von Wasser mit Strom - in einem Sonnenland sollte es eigentlich keine ernsthaften Debatten mehr darüber geben, ob der Gebrauch von solaren Warmwassergeräten sinnvoll ist. Haben Sie Ihren Geyser schon durch eine solare Warmwasserversorgung ersetzt?
Zum Abschluss: Die Politik ist jetzt gefordert, langfristige Investitionen in Namibias Stromversorgung zu bewerkstelligen, die eine bewusste Diversifizierung des Stromsektors bewirken. Hier sollte an erster Stelle die Nutzung unserer vielen erneuerbaren Energien stehen. Auch lokale fossile Energieträger, wie zum Beispiel das Kudugasfeld, sollten aktiv für die Entwicklung des Landes eingespannt werden.
Außerdem müssen die vielfältigen Potenziale, die durch Energieeffizienz erschlossen werden können, dringend gefördert werden, sowohl in privaten als auch in den vielen Staats- und halbstaatlichen Unternehmen. Langfristige Abhängigkeiten - sei es von internationalen Währungen, Langzeitkrediten, Brennstofflieferungen und importierten Experten - sollten minimal gehalten werden. Regionale Partnerschaften, wie zum Beispiel Namibias Mitgliedschaft im Southern African Power Pool, gilt es zu stärken, vor allem um gemeinsam an der Versorgungssicherheit der gesamten Region zu arbeiten. Und nicht zuletzt sollte durch die gezielte Förderung von lokalen Energieunternehmern die Nutzung und Veredelung lokaler Rohstoffe und damit auch der lokale Wirtschaftswachstumsmotor systematisch geölt werden. Es gibt viel zu tun, und wir alle können dazu einen Beitrag liefern. Es ist an der Zeit, es anzupacken.
Dr. Detlof von Oertzen
(Der Autor ist Namibier und promovierter Physiker, er arbeitet als unabhängiger Technologie- und Managementberater im Energie- und Umweltsektor.)
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen