"Der Erfolg nimmt im Herzen seinen Anfang"
Vor den großen Wettkämpfen spuckte er nie große Töne - auch nach Niederlagen zeigte er durch sein kollegiales Verhalten seine Klasse. Der Mann ist einfach ein "Gentleman" und diese Eigenschaft verschafften Frank Fredericks Annerkennung, Respekt und Sympathie auf der ganzen Welt. Die Erfolge ließen nicht auf sich und Fredericks schaffte mit dem WM-Titel 1993 in Stuttgart den endgültigen Durchbruch in die Weltspitze der Sprintstars. Sein letzter Auftritt auf internationaler Bühne waren die Olympischen Spielen in Athen 2004, wo er mit 36 Jahren den dritten Platz belegte. Im AZ-Interview mit Benjamin Kurtius und Kilian Schütze spricht Fredericks über die namibische Leichtathletikszene, seine erfolgreiche Karriere und seine neuen Ziele.
AZ: Herr Fredericks, auch wenn wir beim Nachnamen bleiben - wie lautet Ihr korrekter Vorname: Frank oder Frankie?
F. Fredericks: Mein offizieller Vorname ist Frank, aber ich wurde schon früher in der Schule immer Frankie genannt. Auch meine Leichtathletik-Kollegen sind immer bei der Verniedlichungsform geblieben. Bei Beantragung offizieller Papiere muss ich deshalb immer sehr gut aufpassen. Es ist nämlich schon vorgekommen, dass mein Name im Pass nicht mit dem Namen auf einem Flugticket übereinstimmte. Das hat mich schon die eine oder andere Stunde am Flughafen gekostet.
AZ: Das hätten wir geklärt. Kommen wir auf den Sport zu sprechen: An Leichathletik-Talenten scheint es Namibia nicht zu mangeln. Trainer und Offizielle sprechen immer öfter von einem "Fredericks-Jahrgang". Wie sehen Sie die Nachwuchsszene in Namibia?
F. Fredericks: "Es gibt eine Menge Talente da draußen. Viele Kinder haben größere Veranlagungen als ich sie in ihrem Alter besaß. Außerdem haben sich die Bedingungen verbessert. Das geht schon beim Schulsport los. Auch die Vereine sind besser organisiert als damals. Das sind alles Dinge, die sich in den letzten Jahren erst entwickeln mussten. Junge Sportler werden heute von ihren Eltern zum Training und zu Wettkämpfen gefahren und können auf professionellen Laufbahnen trainieren. Ich bin anfangs auf Wiesen und Schotterbahnen gelaufen."
AZ: Und dennoch herrscht auf internationaler Ebene Flaute bei den namibischen Leichtathleten?
F. Fredericks: Ja, das stimmt leider. Talentierte Sportler gibt es wie gesagt. Leute wie Frank Puriza (Sprinter; Anm. d. Red.) oder Salomon Taurire (Hochspringer) sind hier im Lande absolute Spitze. Doch sehen Sie sich mal deren Ergebnisse im Vergleich zu den momentanen Weltrekorden in den Disziplinen an - da liegen Welten dazwischen.
AZ: Also läuft bei der Nachwuchsarbeit doch nicht alles so optimal?
F. Fredericks: "Doch, ich denke, dass wir aus unseren Möglichkeiten hier schon das Beste machen. Wissen Sie, man muss das alles in Relationen setzen. In Namibia leben nicht einmal zwei Millionen Menschen und das Hauptanliegen der Sport-Vereine besteht darin, Interessierten die Möglichkeit zu bieten, den Sport überhaupt auszuüben. Die Förderung von Talenten spielt nur eine untergeordnete Rolle. Außerdem ist die Nachwuchsarbeit nur auf die größeren Städte wie Windhoek und Swakopmund beschränkt. Der Norden zum Beispiel ist davon komplett ausgeschlossen. Auch fehlt fast allen Vereinen das nötige Geld. Da muss noch vieles getan werden, doch das braucht alles seine Zeit. Wir müssen unsere Fühler überall hin ausstrecken.
AZ: Wie engagieren Sie sich in Namibia für die Leichtathletik?
F. Fredericks: Ich habe vor einigen Jahren die Frank-Fredericks-Stiftung gegründet. Wir beteiligen uns an der Talentsichtung und veranstalten Wettkämpfe und Trainingslager. Ein Mal im Jahr lade ich die talentiertesten Leichtathleten des Jahres zu einem Sport-Wochenende - zum Frank Fredericks Invitational Meeting - ein. Dort versuche ich, meine Erfahrungen an die jungen Sportler weiterzugeben. Die zehn aussichtsreichsten Sportler, Leute wie Puriza oder Taurire, bekommen ein Stipendium für ihre Ausbildung und für Sportausrüstung. Finanziell greifen wir auch den Schulen und dem namibischen Leichtathletik-Verband unter die Arme. Zurzeit bemühe ich mich darum, ein Athleten-Komitee in Namibia zu gründen, damit die Sportler eine verbale Plattform erhalten. Athleten in Namibia bekommen einfach nicht den nötigen Respekt, den sie verdienen.
AZ: Die Stadien bleiben bei Leichtathletik-Veranstaltung leer. Das Interesse der Medien ist im Vergleich zu anderen Sportarten sehr gering. Was muss sich ändern, damit der Leichtathletik-Sport mehr Beachtung findet?
F. Fredericks: Das ist kein neues Phänomen. Auch zu meiner Zeit saßen kaum Zuschauer auf den Tribünen. Namibier sehen sich eben lieber Fußball- oder Rugbyspiele an. Das wird wohl auch in Zukunft nicht zu ändern sein.
AZ: Kommen wir zu einer dunklen Seite des Sports. Korruption ist nicht erst seit den jüngsten Negativ-Schlagzeilen des namibischen Fußball-Verbandes NFA Thema in Namibias Sport. Was sind ihre Eindrücke zu diesem Thema?
F. Fredericks: Ich sehe keine Korruption. Dieses dunkle Thema ist mir vollends unbekannt. In der Leichathletik haben wir eine gut funktionierende Verwaltung. Die Verantwortlichen versuchen ihr Bestes. Die meisten Menschen, die sich für den Sport einsetzen, bekommen für ihre Arbeit kein Geld - sie beziehen ihre Motivation aus der Liebe zum Sport. Man muss aber in seinen Gedanken berücksichtigen, dass Namibia erst seit 15 Jahren unabhängig ist. Viele arbeiten jetzt miteinander, die früher noch gegeneinander gearbeitet haben. Wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen und endlich ohne Hintergedanken zusammen an einem Strang ziehen.
AZ: Denken Sie, dass es möglich ist, dass ein namibischer Nachwuchs-Sportler eines Tages in Ihre Fußstapfen treten wird?
F. Fredericks: Ich denke schon und hoffe es sehr. Ich bin optimistisch. Ich möchte nicht für immer der Einzige sein, der es geschafft hat, eine Leichtathletik-Medaille für mein Land bei den Afrika-Meisterschaften, Commonwealth Games oder den Olympischen Spielen zu gewinnen. Aber mal ehrlich: Im Grunde genommen kommt es ja auch gar nicht so sehr auf das ganze Drumherum an. Es geht alles vom Sportler selbst aus. Er soll sich bloß nicht von Trainern und Menschen von außen einschüchtern lassen. Wenn jemand die Hoffnung und den Traum hat, ein erfolgreicher Sportler zu werden, dann kann er es schaffen - vorausgesetzt natürlich, man besitzt die körperlichen Fähigkeiten. Entscheidend ist der Glaube an sich selbst - der ist stärker als alles andere. Der Erfolg nimmt im Herzen seinen Anfang.
AZ: Sie sprechen aus Erfahrung?
F. Fredericks: Ja, natürlich. Ich hatte schon früh den Traum von einer Leichtathletik-Karriere und habe nie den Glauben an mich verloren. Ich wusste, zu was ich fähig bin. Alles andere war mir egal. Entscheidend ist auch ein immer positives Denken. Ich denke immer positiv und lasse nur Menschen um mich herum zu, die das auch tun. Wenn ein Freund von mir negativ auf mich wirkt, meide ich den Kontakt zu ihm. Man muss großes Selbstvertrauen besitzen, um erfolgreich sein zu können.
AZ: Wie wurden Sie damals entdeckt?
F. Fredericks: Ich bin eigentlich den ganz klassischen, unspektakulären Weg gegangen. In der Schule (Döbra-Schule) habe ich mit dem Sport begonnen. Früh wurde mein Talent fürs Laufen deutlich. Später habe ich dann zwei Mal pro Woche im Independence-Stadion trainiert, dann ging alles ganz schnell. Meine erste Liebe galt aber dem Fußball. Erst mit 14 Jahren habe ich mich für die Leichtathletik entschieden, da ich einsah, dass ich in dieser Sportart für mein Land und mich größere Erfolge erzielen kann.
AZ: Nur ein Jahr nach Namibias Unabhängigkeit belegten Sie bei den Weltmeisterschaften in Tokio den zweiten Platz über die 200 m. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona holten sie Silber. 1993 in Stuttgart wurden sie Weltmeister über die 200 m. War zu diesem Zeitpunkt ihr Name in der Welt bekannter als ihr eigenes Land?
F. Fredericks (überlegt lange): Ich weiß es nicht genau ? aber das ist durchaus möglich. Namibia war ein sehr junges Land und viele Menschen auf dieser Welt wurden durch mich das erste Mal auf Namibia aufmerksam. Ich bin meinem Land wirklich zu Dank verpflichtet. So viele Menschen haben sich für Namibias Unabhängigkeit eingesetzt und haben das erreicht, wovon wir so lange geträumt hatten. Ich war - und bin noch immer - sehr stolz auf mein Land und es war eine große Ehre, bei Sport-Wettkämpfen für Namibia an den Start zu gehen. So konnte ich meinem Land etwas von dem zurückgeben, was es mir geschenkt hatte. Es war großartig, dass ich der Welt Namibia auf diesem Weg vorstellen durfte. Ich verstehe mich als Botschafter Namibias.
AZ: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie bei Ihren großen Rennen die Ziellinie überquert hatten und Ihnen ihr Erfolg bewusst wurde?
F. Fredericks: Oh, da schossen mir viele Dinge durch den Kopf. Zuerst dachte ich an mich und den Erfolg, den ich für mich errungen hatte. Es machte sich in Sekundenschnelle ein Gefühl der Zufriedenheit und Selbstbestätigung breit. Doch schon gleich darauf schaute ich mich nach einer Fahne Namibias um. Ich wollte diese schönen Momente mit den Menschen meines Landes teilen und meine tiefe Dankbarkeit meinem Land gegenüber zum Ausdruck bringen. Ich wusste, dass sich viele Leute in diesen Sekunden mit mir freuten und ich ihnen durch meinen Erfolg dazu verhelfen könnte, die Bedrücktheit und den Schmerz, den viele vor allem vor der Unabhängigkeit durchleben mussten, ein Stück weit zu vergessen. Das waren die glücklichsten Momente meines Lebens.
AZ: Sie sind in vielen sportpolitischen Komitees und Gremien (z.B. IOC) vertreten. In diese Organisationen wurden Sie berufen oder von Kollegen gewählt. Wir erklären Sie sich, dass Menschen Sie gerne in einer verantwortungsvollen Rolle sehen?
F. Fredericks: Ganz einfach: Die Leute mögen mich (lacht) ? nein, im Ernst: Ich freue mich natürlich, dass man mir verantwortungsvolle Aufgaben zutraut. Viele Sportler lehnen sich nach Erfolgen zurück und alles was weiter passiert ist ihnen egal. So war ich nie. Ich habe mich immer für die Athleten eingesetzt, ganz besonders für die afrikanischen. Das schätzen meine Kollegen und schenken mir gerne ihr Vertrauen.
AZ: Herr Fredericks, Sie haben die ganze Welt bereist, in den USA und Deutschland gewohnt und viele weitere Länder kennen gelernt. Haben Sie nie darüber nachgedacht, Namibia zu verlassen, um auf Dauer in einem anderen Land zu leben?
F. Fredericks: Nein, niemals. Das stand nie zur Debatte für mich. Ich bin in Namibia groß geworden und fühle mich hier wohl. Ich verdanke Namibia sehr viel und könnte es mir nicht vorstellen, an einem anderen Ort auf der Welt zu leben.
AZ: Sie haben sicher eine ganz eigene Sichtweise von Namibia. Wie erklären Sie sich zum Beispiel, dass es beim Sport noch immer so klare Rassentrennungen gibt? Rugby beispielsweise ist ein komplett weißer Sport, in der namibischen Fußball-Liga spielen fast nur Schwarze. Wird das auf Dauer so bleiben?
F. Fredericks: Sie haben Recht, es gibt Trennungen, auch wenn sie vielleicht nicht bewusst und gewollt sind. Ich denke, man muss sich die Geschichte Namibias ansehen. Es war lange Zeit so, dass Weiße, Schwarze und weitere Rassen eher nebeneinander als miteinander gelebt haben. Die Zeiten der Apartheid liegen Gott sei Dank hinter uns. Seitdem hat sich vieles in eine sehr positive Richtung entwickelt, doch langfristige Bewusstseinsveränderungen brauchen Zeit. Namibia ist noch ein so junges Land und hat noch so viel vor sich. Sehen Sie sich unsere Kinder an: Sie gehen in den Kindergarten und es ist ihnen egal, welche Hautfarbe und Rasse die anderen Kinder haben sind. Sie spielen miteinander und sind glücklich. Weiß und Schwarz werden sich auf Dauer vermischen, ganz natürlich. Auch im Sport wird das bemerkbar werden. Erste Ansätze sind schon jetzt zu erkennen: Beim letzten Fußballspiel, das ich gesehen habe, waren viele der Zuschauer Weiße. Das war früher nicht so. Wir alle wissen: Nur zusammen können wir das Land voranbringen. Wir müssen die Gräben zwischen den Rassen überbrücken.
AZ: Sie haben eine erfolgreiche Karriere hinter sich, sind in Ihrem Land beliebt wie kein anderer und genießen internationales Ansehen. Haben Sie nach ihrer bemerkenswerten Karriere noch Ziele, Wünsche und Träume für die Zukunft?
F. Fredericks: In sportlicher Hinsicht habe ich keine Wünsche und Ziele mehr. Ich habe so viel erreicht und kann stolz sein. Das heißt aber nicht, dass ich keinen sportlichen Ehrgeiz mehr besitze. Egal ob beim Tennis, beim Golfen oder bei den Fußballspielen mit meiner Ramblers-Mannschaft - ich möchte immer gewinnen, das wird sich nicht ändern. Privat habe ich noch große Wünsche und Träume: Ich möchte viel Zeit mit meiner Familie verbringen und ein guter Ehemann und Vater sein.
AZ: Vielen Dank für das Gespräch.
AZ: Herr Fredericks, auch wenn wir beim Nachnamen bleiben - wie lautet Ihr korrekter Vorname: Frank oder Frankie?
F. Fredericks: Mein offizieller Vorname ist Frank, aber ich wurde schon früher in der Schule immer Frankie genannt. Auch meine Leichtathletik-Kollegen sind immer bei der Verniedlichungsform geblieben. Bei Beantragung offizieller Papiere muss ich deshalb immer sehr gut aufpassen. Es ist nämlich schon vorgekommen, dass mein Name im Pass nicht mit dem Namen auf einem Flugticket übereinstimmte. Das hat mich schon die eine oder andere Stunde am Flughafen gekostet.
AZ: Das hätten wir geklärt. Kommen wir auf den Sport zu sprechen: An Leichathletik-Talenten scheint es Namibia nicht zu mangeln. Trainer und Offizielle sprechen immer öfter von einem "Fredericks-Jahrgang". Wie sehen Sie die Nachwuchsszene in Namibia?
F. Fredericks: "Es gibt eine Menge Talente da draußen. Viele Kinder haben größere Veranlagungen als ich sie in ihrem Alter besaß. Außerdem haben sich die Bedingungen verbessert. Das geht schon beim Schulsport los. Auch die Vereine sind besser organisiert als damals. Das sind alles Dinge, die sich in den letzten Jahren erst entwickeln mussten. Junge Sportler werden heute von ihren Eltern zum Training und zu Wettkämpfen gefahren und können auf professionellen Laufbahnen trainieren. Ich bin anfangs auf Wiesen und Schotterbahnen gelaufen."
AZ: Und dennoch herrscht auf internationaler Ebene Flaute bei den namibischen Leichtathleten?
F. Fredericks: Ja, das stimmt leider. Talentierte Sportler gibt es wie gesagt. Leute wie Frank Puriza (Sprinter; Anm. d. Red.) oder Salomon Taurire (Hochspringer) sind hier im Lande absolute Spitze. Doch sehen Sie sich mal deren Ergebnisse im Vergleich zu den momentanen Weltrekorden in den Disziplinen an - da liegen Welten dazwischen.
AZ: Also läuft bei der Nachwuchsarbeit doch nicht alles so optimal?
F. Fredericks: "Doch, ich denke, dass wir aus unseren Möglichkeiten hier schon das Beste machen. Wissen Sie, man muss das alles in Relationen setzen. In Namibia leben nicht einmal zwei Millionen Menschen und das Hauptanliegen der Sport-Vereine besteht darin, Interessierten die Möglichkeit zu bieten, den Sport überhaupt auszuüben. Die Förderung von Talenten spielt nur eine untergeordnete Rolle. Außerdem ist die Nachwuchsarbeit nur auf die größeren Städte wie Windhoek und Swakopmund beschränkt. Der Norden zum Beispiel ist davon komplett ausgeschlossen. Auch fehlt fast allen Vereinen das nötige Geld. Da muss noch vieles getan werden, doch das braucht alles seine Zeit. Wir müssen unsere Fühler überall hin ausstrecken.
AZ: Wie engagieren Sie sich in Namibia für die Leichtathletik?
F. Fredericks: Ich habe vor einigen Jahren die Frank-Fredericks-Stiftung gegründet. Wir beteiligen uns an der Talentsichtung und veranstalten Wettkämpfe und Trainingslager. Ein Mal im Jahr lade ich die talentiertesten Leichtathleten des Jahres zu einem Sport-Wochenende - zum Frank Fredericks Invitational Meeting - ein. Dort versuche ich, meine Erfahrungen an die jungen Sportler weiterzugeben. Die zehn aussichtsreichsten Sportler, Leute wie Puriza oder Taurire, bekommen ein Stipendium für ihre Ausbildung und für Sportausrüstung. Finanziell greifen wir auch den Schulen und dem namibischen Leichtathletik-Verband unter die Arme. Zurzeit bemühe ich mich darum, ein Athleten-Komitee in Namibia zu gründen, damit die Sportler eine verbale Plattform erhalten. Athleten in Namibia bekommen einfach nicht den nötigen Respekt, den sie verdienen.
AZ: Die Stadien bleiben bei Leichtathletik-Veranstaltung leer. Das Interesse der Medien ist im Vergleich zu anderen Sportarten sehr gering. Was muss sich ändern, damit der Leichtathletik-Sport mehr Beachtung findet?
F. Fredericks: Das ist kein neues Phänomen. Auch zu meiner Zeit saßen kaum Zuschauer auf den Tribünen. Namibier sehen sich eben lieber Fußball- oder Rugbyspiele an. Das wird wohl auch in Zukunft nicht zu ändern sein.
AZ: Kommen wir zu einer dunklen Seite des Sports. Korruption ist nicht erst seit den jüngsten Negativ-Schlagzeilen des namibischen Fußball-Verbandes NFA Thema in Namibias Sport. Was sind ihre Eindrücke zu diesem Thema?
F. Fredericks: Ich sehe keine Korruption. Dieses dunkle Thema ist mir vollends unbekannt. In der Leichathletik haben wir eine gut funktionierende Verwaltung. Die Verantwortlichen versuchen ihr Bestes. Die meisten Menschen, die sich für den Sport einsetzen, bekommen für ihre Arbeit kein Geld - sie beziehen ihre Motivation aus der Liebe zum Sport. Man muss aber in seinen Gedanken berücksichtigen, dass Namibia erst seit 15 Jahren unabhängig ist. Viele arbeiten jetzt miteinander, die früher noch gegeneinander gearbeitet haben. Wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen und endlich ohne Hintergedanken zusammen an einem Strang ziehen.
AZ: Denken Sie, dass es möglich ist, dass ein namibischer Nachwuchs-Sportler eines Tages in Ihre Fußstapfen treten wird?
F. Fredericks: Ich denke schon und hoffe es sehr. Ich bin optimistisch. Ich möchte nicht für immer der Einzige sein, der es geschafft hat, eine Leichtathletik-Medaille für mein Land bei den Afrika-Meisterschaften, Commonwealth Games oder den Olympischen Spielen zu gewinnen. Aber mal ehrlich: Im Grunde genommen kommt es ja auch gar nicht so sehr auf das ganze Drumherum an. Es geht alles vom Sportler selbst aus. Er soll sich bloß nicht von Trainern und Menschen von außen einschüchtern lassen. Wenn jemand die Hoffnung und den Traum hat, ein erfolgreicher Sportler zu werden, dann kann er es schaffen - vorausgesetzt natürlich, man besitzt die körperlichen Fähigkeiten. Entscheidend ist der Glaube an sich selbst - der ist stärker als alles andere. Der Erfolg nimmt im Herzen seinen Anfang.
AZ: Sie sprechen aus Erfahrung?
F. Fredericks: Ja, natürlich. Ich hatte schon früh den Traum von einer Leichtathletik-Karriere und habe nie den Glauben an mich verloren. Ich wusste, zu was ich fähig bin. Alles andere war mir egal. Entscheidend ist auch ein immer positives Denken. Ich denke immer positiv und lasse nur Menschen um mich herum zu, die das auch tun. Wenn ein Freund von mir negativ auf mich wirkt, meide ich den Kontakt zu ihm. Man muss großes Selbstvertrauen besitzen, um erfolgreich sein zu können.
AZ: Wie wurden Sie damals entdeckt?
F. Fredericks: Ich bin eigentlich den ganz klassischen, unspektakulären Weg gegangen. In der Schule (Döbra-Schule) habe ich mit dem Sport begonnen. Früh wurde mein Talent fürs Laufen deutlich. Später habe ich dann zwei Mal pro Woche im Independence-Stadion trainiert, dann ging alles ganz schnell. Meine erste Liebe galt aber dem Fußball. Erst mit 14 Jahren habe ich mich für die Leichtathletik entschieden, da ich einsah, dass ich in dieser Sportart für mein Land und mich größere Erfolge erzielen kann.
AZ: Nur ein Jahr nach Namibias Unabhängigkeit belegten Sie bei den Weltmeisterschaften in Tokio den zweiten Platz über die 200 m. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona holten sie Silber. 1993 in Stuttgart wurden sie Weltmeister über die 200 m. War zu diesem Zeitpunkt ihr Name in der Welt bekannter als ihr eigenes Land?
F. Fredericks (überlegt lange): Ich weiß es nicht genau ? aber das ist durchaus möglich. Namibia war ein sehr junges Land und viele Menschen auf dieser Welt wurden durch mich das erste Mal auf Namibia aufmerksam. Ich bin meinem Land wirklich zu Dank verpflichtet. So viele Menschen haben sich für Namibias Unabhängigkeit eingesetzt und haben das erreicht, wovon wir so lange geträumt hatten. Ich war - und bin noch immer - sehr stolz auf mein Land und es war eine große Ehre, bei Sport-Wettkämpfen für Namibia an den Start zu gehen. So konnte ich meinem Land etwas von dem zurückgeben, was es mir geschenkt hatte. Es war großartig, dass ich der Welt Namibia auf diesem Weg vorstellen durfte. Ich verstehe mich als Botschafter Namibias.
AZ: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie bei Ihren großen Rennen die Ziellinie überquert hatten und Ihnen ihr Erfolg bewusst wurde?
F. Fredericks: Oh, da schossen mir viele Dinge durch den Kopf. Zuerst dachte ich an mich und den Erfolg, den ich für mich errungen hatte. Es machte sich in Sekundenschnelle ein Gefühl der Zufriedenheit und Selbstbestätigung breit. Doch schon gleich darauf schaute ich mich nach einer Fahne Namibias um. Ich wollte diese schönen Momente mit den Menschen meines Landes teilen und meine tiefe Dankbarkeit meinem Land gegenüber zum Ausdruck bringen. Ich wusste, dass sich viele Leute in diesen Sekunden mit mir freuten und ich ihnen durch meinen Erfolg dazu verhelfen könnte, die Bedrücktheit und den Schmerz, den viele vor allem vor der Unabhängigkeit durchleben mussten, ein Stück weit zu vergessen. Das waren die glücklichsten Momente meines Lebens.
AZ: Sie sind in vielen sportpolitischen Komitees und Gremien (z.B. IOC) vertreten. In diese Organisationen wurden Sie berufen oder von Kollegen gewählt. Wir erklären Sie sich, dass Menschen Sie gerne in einer verantwortungsvollen Rolle sehen?
F. Fredericks: Ganz einfach: Die Leute mögen mich (lacht) ? nein, im Ernst: Ich freue mich natürlich, dass man mir verantwortungsvolle Aufgaben zutraut. Viele Sportler lehnen sich nach Erfolgen zurück und alles was weiter passiert ist ihnen egal. So war ich nie. Ich habe mich immer für die Athleten eingesetzt, ganz besonders für die afrikanischen. Das schätzen meine Kollegen und schenken mir gerne ihr Vertrauen.
AZ: Herr Fredericks, Sie haben die ganze Welt bereist, in den USA und Deutschland gewohnt und viele weitere Länder kennen gelernt. Haben Sie nie darüber nachgedacht, Namibia zu verlassen, um auf Dauer in einem anderen Land zu leben?
F. Fredericks: Nein, niemals. Das stand nie zur Debatte für mich. Ich bin in Namibia groß geworden und fühle mich hier wohl. Ich verdanke Namibia sehr viel und könnte es mir nicht vorstellen, an einem anderen Ort auf der Welt zu leben.
AZ: Sie haben sicher eine ganz eigene Sichtweise von Namibia. Wie erklären Sie sich zum Beispiel, dass es beim Sport noch immer so klare Rassentrennungen gibt? Rugby beispielsweise ist ein komplett weißer Sport, in der namibischen Fußball-Liga spielen fast nur Schwarze. Wird das auf Dauer so bleiben?
F. Fredericks: Sie haben Recht, es gibt Trennungen, auch wenn sie vielleicht nicht bewusst und gewollt sind. Ich denke, man muss sich die Geschichte Namibias ansehen. Es war lange Zeit so, dass Weiße, Schwarze und weitere Rassen eher nebeneinander als miteinander gelebt haben. Die Zeiten der Apartheid liegen Gott sei Dank hinter uns. Seitdem hat sich vieles in eine sehr positive Richtung entwickelt, doch langfristige Bewusstseinsveränderungen brauchen Zeit. Namibia ist noch ein so junges Land und hat noch so viel vor sich. Sehen Sie sich unsere Kinder an: Sie gehen in den Kindergarten und es ist ihnen egal, welche Hautfarbe und Rasse die anderen Kinder haben sind. Sie spielen miteinander und sind glücklich. Weiß und Schwarz werden sich auf Dauer vermischen, ganz natürlich. Auch im Sport wird das bemerkbar werden. Erste Ansätze sind schon jetzt zu erkennen: Beim letzten Fußballspiel, das ich gesehen habe, waren viele der Zuschauer Weiße. Das war früher nicht so. Wir alle wissen: Nur zusammen können wir das Land voranbringen. Wir müssen die Gräben zwischen den Rassen überbrücken.
AZ: Sie haben eine erfolgreiche Karriere hinter sich, sind in Ihrem Land beliebt wie kein anderer und genießen internationales Ansehen. Haben Sie nach ihrer bemerkenswerten Karriere noch Ziele, Wünsche und Träume für die Zukunft?
F. Fredericks: In sportlicher Hinsicht habe ich keine Wünsche und Ziele mehr. Ich habe so viel erreicht und kann stolz sein. Das heißt aber nicht, dass ich keinen sportlichen Ehrgeiz mehr besitze. Egal ob beim Tennis, beim Golfen oder bei den Fußballspielen mit meiner Ramblers-Mannschaft - ich möchte immer gewinnen, das wird sich nicht ändern. Privat habe ich noch große Wünsche und Träume: Ich möchte viel Zeit mit meiner Familie verbringen und ein guter Ehemann und Vater sein.
AZ: Vielen Dank für das Gespräch.
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Allgemeine Zeitung
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