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Der Gründer der Sowjetunion
Der Gründer der Sowjetunion

Der Gründer der Sowjetunion

Russlands Kommunisten feiern 150 Jahre Revolutionsführer
WAZon-Redakteur
Moskau (dpa) - In seinem feinen Anzug macht der Jubilar Lenin auch an seinem 150. Geburtstag noch Eindruck. Zwar ist das Mausoleum mit dem einbalsamierten Leichnam am Roten Platz in Moskau gerade geschlossen. Die Corona-Pandemie ist schuld. Doch Wladimir Iljitsch Uljanow – kurz Lenin – ist als Mumie sonst vor allem eine Touristenattraktion. Zum Geburtstag am 22. April wollten Moskaus Kommunisten in der einstigen Welthauptstadt des Proletariats den Anführer der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 groß feiern. Doch die meisten Veranstaltungen zur Erinnerung an den Gründer der Sowjetunion, des ersten kommunistischen Staates, sind abgesagt.
Von „Good bye, Lenin!“ wollen die Anhänger des einstigen Führers der internationalen Arbeiterbewegung dennoch nichts wissen. „Lenin lebt!“, schreibt die Kommunistische Partei in Moskau. Weil Kundgebungen nicht erlaubt sind, ruft sie dazu auf, am Ehrentag rote Fahnen aus den Fenstern zu hängen, wer noch eine hat aus Sowjetzeiten. Zur Not tue es auch ein „rotes Handtuch“. Lenin, der am 22. April 1870 geboren wurde, habe schließlich die Welt verändert.
„Er hat sein ganzes Leben den Ideen der Gerechtigkeit und eines besseren Lebens gewidmet - nicht für die Kaste reicher Oligarchen, sondern für das ganze Volk“, betont die Partei. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow will trotz Corona-Ausgangssperre Blumen am Mausoleum niederlegen. „Für jeden Menschen mit linken Ansichten ist das ein besonderer Tag“, sagt auch der Anführer der Linken Front in Russland, Sergej Udalzow. Die Linken empfehlen, Blumen an den Tausenden Lenin-Denkmälern im Land niederzulegen. Allein in Moskau gibt es Dutzende - wie in den meisten der früheren 15 Sowjetrepubliken noch.
In Deutschland sorgten zuletzt Linksextremisten aus Gelsenkirchen für Schlagzeilen. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) setzte dort im März gerichtlich die umstrittene Aufstellung einer 2,15 Meter hohen Lenin-Statue durch. „Vor seinem 150. Geburtstag hat Wladimir Iljitsch Lenin noch einmal einen großartigen Sieg davongetragen“, jubelte die vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen beobachtete Partei.
Statt Kirchen gab es einst fast in jedem Dorf der Sowjetunion ein Lenin-Denkmal. Auf Zehntausenden von Gemälden ist der „Schutzheilige“ des Proletariats verewigt. Seine Geburtsstadt Uljanowsk ist nach ihm benannt. Und auch in der DDR, wo jedes Kind schon in der Schule Marxismus-Leninismus pauken musste, hinterließ die von ihm errichtete „Diktatur des Proletariats“ Spuren.
Der Berliner Philosoph Andreas Arndt erklärt sich die bis heute auffällige Popularität Lenins abgesehen von möglicher Ostalgie mit dessen Wesenszügen. „Selbst seine erbittertsten politischen Gegner erkannten seine persönliche Bescheidenheit an, dass er bei allem Selbstbewusstsein ohne Allüren war“, sagt der Lenin-Experte der Deutschen Presse-Agentur. Er habe keine der Privilegien seines Amtes ausgenutzt und sich nicht bereichert wie andere.
„Ich kann mir vorstellen, dass ein solches Bild im kollektiven Gedächtnis bleibt“, sagt der Wissenschaftler. Arndt sieht es historisch als Verdienst Lenins, dass er der Nationalitätenfrage stets Vorrang eingeräumt habe – also jedem Volk der Sowjetunion das Recht auf Selbstbestimmung. Das habe zwar auch Sowjetdiktator Josef Stalin als Nachfolger offiziell nie in Frage gestellt - trotzdem „machte er in der Praxis das Gegenteil“. Am Ende zerfiel die Sowjetunion, die Länder holten sich ihre Unabhängigkeit zurück.
Bis heute streiten Historiker darüber, ob Lenin ein Diktator war. „Er hat den roten Terror und die diktatorischen Maßnahmen zumindest in der revolutionären Ausnahmesituation unterstützt“, sagt Arndt. Für den Philosophen ist aber fraglich, ob Lenin, hätte er länger gelebt und den sozialistischen Staat aufgebaut, dauerhaft auf ein System der Unterdrückung gesetzt hätte. Der Philosoph sieht auch progressive Tendenzen etwa Lenins Neuer ökonomischer Politik - und in der Bereitschaft, sich mit westlichen Gesellschaften zu arrangieren.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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