Der Himmel kann warten
Sie sind überall im Internet. Aufrufe von besorgten Fans. Todesmeldungen. Dementis auf die Todesmeldungen. Diskussionen über den Gesundheitszustand ihres Stars. Jackson Kaujeua. Geht es ihm besser? Liegt er noch Krankenhaus? Andere wollen es ganz genau wissen: Es sind die Nieren. Jackson brauche eine Dialyse-Therapie, die 30 000 N$ pro Sitzung kostet. Möglichst schnell. Geld-Spender seien dringend gesucht. Wieder andere Meldungen erzählen, es ginge ihm besser. Von Jackson Kaujeua selbst, der in seinem Leben Hunderte von Interviews gab, das Publikum und die Öffentlichkeit stets liebte, kein Statement. Zeit also, Licht ins Dunkle zu bringen.
Jackson Kaujeua ist stadtbekannt. Ein Musikheld, nein, vielmehr ein Nationalheld mit dem bewegten Leben, ein Hansdampf in allen Gassen. Seine protestreichen Songs vor der Unabhängigkeit brachten dem Liedermacher aus Keetmanshoop ins Exil, seine Songs, die von seinem Leben erzählen, internationale Verdienste für die namibische Kultur. Kaum jemand in Windhoek kennt seinen Namen nicht. Zwei Nachfragen bei Freunden reichen, um die Handy-Nummer seines Sohnes zu bekommen.
Ich rufe an. Das Telefon wählt. Plötzlich ein Knacken in der Leitung. "Mr. Kaujeua? Es geht um ihren Vater." Kurze Stille. Dann ein lautes Lachen. "Nein, nein. Ich bin es selbst, Jackson Kaujeua. Ich bin dran." Ich bin erleichtert. Namibias Musikstar Nummer eins scheint es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Die Reporterin muss keine schlechten Nachrichten vermelden. "Ist es möglich Sie zu besuchen, Mr. Jackson? Fühlen Sie sich danach", frage ich vorsichtig. Er willigt sofort ein. "No problem." Morgen, 14 Uhr, Central Hospital. Jackson diktiert langsam die Zimmer- und Etagen-Nummer. Haben sich nämlich schon einige in den Dutzenden von Stockwerken und Gängen verlaufen. Am nächsten Tag bahne ich mir den Weg zu Jackson Kaujeua. Vorbei an den Bettlern, Taxis und Obstverkäufern, die den Eingang um das Central Hospital belagern. Dann weiter durch kahlen leeren Krankenhausgänge bis zur Station. Ausgerechnet hier scheint die Klimaanlage versagt zu haben. Die Schwester am Empfang wedelt sich Luft mit einem Blatt Papier zu, weiter hinter ihr stapeln sich Dokumente, Akten, Essentabletts, Handtücher, Berge von Laken. Die Luft ist zum schneiden dick. Keine Brise vermag den muffigen Geruch zu vertreiben. Sofort stellt sich das klamme Gefühl von Krankenhaus ein. Mit meinem Blumenstrauß und der Tüte Obst bahne ich mir meinen Weg zum letzten Zimmer am Ende des Gangs. Vorbei an Putzeimern, Dialyse-Geräten, abgestellten Krankenhausbetten. Dann endlich erreiche ich das Zimmer von Jackson Kauleua. Er schläft. Um ihn herum sechs weitere Betten, in denen Patienten bei schwülen Temperaturen im Zimmer dösen. Als Jackson Kaujeua nach einer Weile langsam aufwacht, strahlt er über das ganze Gesicht. Während ich meinen Interviewblock auspacke, greift er sogleich zur Obst-Tüte. Nimmt er zögerlich einen Apfel, dann eine Banane, dann einen Pfirsich. "Ich habe sehr viel abgenommen, wiege nur noch 60 Kilo. Alles geht sehr langsam voran, aber es geht mir gut." Der charismatische Sänger - einst ein breitschultriger großer Mann - wirkt schwach, wie ein Schatten seiner selbst. "Die Ärzte sagen es sind die Nieren. Aber sie können noch nichts Genaues sagen." Später wird mir der Generalsekretär der "Namibia Music Industry Union" (NAMIU), Moses Kairimuti, erklären, dass er sich bemüht über ein Spendenkonto und eine SMS-Linie Geld für Jackson Kauleuas teure Dialyse-Therapie zu berappen. Die Kosten belaufen sich auf ungefähr 200 000 namibische Dollar, 30 000 pro Sitzung. "Ich habe von Leuten gehört, die herumgehen und erzählen, sie würden Geld für Jackson Kaujeua sammeln. Drei von ihnen sind bereits über Facebook registriert", klärt Kairimuti auf. "Wer diesen Leuten glaubt, tut dies auf eigenes Risiko. Wir sind die einzigen, die offiziell für ihn Geld sammeln dürfen", mahnt er weiter. Gebete, Genesungswünsche und natürlich Spenden nimmt Kairimuti gerne unter der Tel. 081-3831003 an. An Jackson Kaujeua scheinen solche Dinge unterdessen momentan vorbeizugehen. Im November konnte er das Krankenhaus verlassen, Mitte Februar ging er freiwillig aufgrund von starken Bauchschmerzen zurück. Er schaut aus dem Fenster, redet langsam und besonnen über seine Zukunft und seine einzige Sorge. "Die letzte Angst, die mir bleibt, ist, dass ich sterben könnte, ohne meine Mission beendet zu haben. In seinen Songs singt der Philosoph und Revolutionär, der als junger Mann während seiner Ausbildung zum Pastor den Weg zur Protestmusik fand, von Hoffnung, Verlust, Heimweh und der großen Liebe zu seinem Heimatland. Nach 1990, zwei CDs auf San, Xhosea Otjiherero, und Englisch, seiner Biografie "Tears Over The Desert" (1994) und nicht zuletzt durch seine 18 Jahre im politischen Exil wurde Jackson Kaujeua zur Symbolfigur des namibischen Freiheitkampfes. Heute hofft er nur noch vielleicht ein paar kleinere Konzerte geben zu können. "Ich hatte noch soviel vor", bedauert Jackson Kaujeua. "Aber jetzt ist erst einmal wichtig, dass ich die Dinge langsam angehen lasse. Meine Familie, meine Kinder besuchen mich jedenfalls und sind für mich da." Auch Fans rufen an, schreiben SMS, schauen immer öfters vorbei. Wann er entlassen wird - der der hagere Musiker zuckt mit den Schultern und lächelt. "Vielleicht heute, vielleicht morgen. Mann wird sehen", sagt er verträumt. Als ich gehe, endlich aus dem schwülen, beklemmenden Krankenhauszimmer flüchten will, frage ich Jackson Kaujeua noch, ob er einen Wunsch hat. Und plötzlich weicht seine besonnene Miene einem breiten Lächeln. "Eine Grapefruit hätte ich gerne, wenn es geht, keine rosa Grapfruit, sondern eine klare, weiße."
Jackson Kaujeua ist stadtbekannt. Ein Musikheld, nein, vielmehr ein Nationalheld mit dem bewegten Leben, ein Hansdampf in allen Gassen. Seine protestreichen Songs vor der Unabhängigkeit brachten dem Liedermacher aus Keetmanshoop ins Exil, seine Songs, die von seinem Leben erzählen, internationale Verdienste für die namibische Kultur. Kaum jemand in Windhoek kennt seinen Namen nicht. Zwei Nachfragen bei Freunden reichen, um die Handy-Nummer seines Sohnes zu bekommen.
Ich rufe an. Das Telefon wählt. Plötzlich ein Knacken in der Leitung. "Mr. Kaujeua? Es geht um ihren Vater." Kurze Stille. Dann ein lautes Lachen. "Nein, nein. Ich bin es selbst, Jackson Kaujeua. Ich bin dran." Ich bin erleichtert. Namibias Musikstar Nummer eins scheint es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Die Reporterin muss keine schlechten Nachrichten vermelden. "Ist es möglich Sie zu besuchen, Mr. Jackson? Fühlen Sie sich danach", frage ich vorsichtig. Er willigt sofort ein. "No problem." Morgen, 14 Uhr, Central Hospital. Jackson diktiert langsam die Zimmer- und Etagen-Nummer. Haben sich nämlich schon einige in den Dutzenden von Stockwerken und Gängen verlaufen. Am nächsten Tag bahne ich mir den Weg zu Jackson Kaujeua. Vorbei an den Bettlern, Taxis und Obstverkäufern, die den Eingang um das Central Hospital belagern. Dann weiter durch kahlen leeren Krankenhausgänge bis zur Station. Ausgerechnet hier scheint die Klimaanlage versagt zu haben. Die Schwester am Empfang wedelt sich Luft mit einem Blatt Papier zu, weiter hinter ihr stapeln sich Dokumente, Akten, Essentabletts, Handtücher, Berge von Laken. Die Luft ist zum schneiden dick. Keine Brise vermag den muffigen Geruch zu vertreiben. Sofort stellt sich das klamme Gefühl von Krankenhaus ein. Mit meinem Blumenstrauß und der Tüte Obst bahne ich mir meinen Weg zum letzten Zimmer am Ende des Gangs. Vorbei an Putzeimern, Dialyse-Geräten, abgestellten Krankenhausbetten. Dann endlich erreiche ich das Zimmer von Jackson Kauleua. Er schläft. Um ihn herum sechs weitere Betten, in denen Patienten bei schwülen Temperaturen im Zimmer dösen. Als Jackson Kaujeua nach einer Weile langsam aufwacht, strahlt er über das ganze Gesicht. Während ich meinen Interviewblock auspacke, greift er sogleich zur Obst-Tüte. Nimmt er zögerlich einen Apfel, dann eine Banane, dann einen Pfirsich. "Ich habe sehr viel abgenommen, wiege nur noch 60 Kilo. Alles geht sehr langsam voran, aber es geht mir gut." Der charismatische Sänger - einst ein breitschultriger großer Mann - wirkt schwach, wie ein Schatten seiner selbst. "Die Ärzte sagen es sind die Nieren. Aber sie können noch nichts Genaues sagen." Später wird mir der Generalsekretär der "Namibia Music Industry Union" (NAMIU), Moses Kairimuti, erklären, dass er sich bemüht über ein Spendenkonto und eine SMS-Linie Geld für Jackson Kauleuas teure Dialyse-Therapie zu berappen. Die Kosten belaufen sich auf ungefähr 200 000 namibische Dollar, 30 000 pro Sitzung. "Ich habe von Leuten gehört, die herumgehen und erzählen, sie würden Geld für Jackson Kaujeua sammeln. Drei von ihnen sind bereits über Facebook registriert", klärt Kairimuti auf. "Wer diesen Leuten glaubt, tut dies auf eigenes Risiko. Wir sind die einzigen, die offiziell für ihn Geld sammeln dürfen", mahnt er weiter. Gebete, Genesungswünsche und natürlich Spenden nimmt Kairimuti gerne unter der Tel. 081-3831003 an. An Jackson Kaujeua scheinen solche Dinge unterdessen momentan vorbeizugehen. Im November konnte er das Krankenhaus verlassen, Mitte Februar ging er freiwillig aufgrund von starken Bauchschmerzen zurück. Er schaut aus dem Fenster, redet langsam und besonnen über seine Zukunft und seine einzige Sorge. "Die letzte Angst, die mir bleibt, ist, dass ich sterben könnte, ohne meine Mission beendet zu haben. In seinen Songs singt der Philosoph und Revolutionär, der als junger Mann während seiner Ausbildung zum Pastor den Weg zur Protestmusik fand, von Hoffnung, Verlust, Heimweh und der großen Liebe zu seinem Heimatland. Nach 1990, zwei CDs auf San, Xhosea Otjiherero, und Englisch, seiner Biografie "Tears Over The Desert" (1994) und nicht zuletzt durch seine 18 Jahre im politischen Exil wurde Jackson Kaujeua zur Symbolfigur des namibischen Freiheitkampfes. Heute hofft er nur noch vielleicht ein paar kleinere Konzerte geben zu können. "Ich hatte noch soviel vor", bedauert Jackson Kaujeua. "Aber jetzt ist erst einmal wichtig, dass ich die Dinge langsam angehen lasse. Meine Familie, meine Kinder besuchen mich jedenfalls und sind für mich da." Auch Fans rufen an, schreiben SMS, schauen immer öfters vorbei. Wann er entlassen wird - der der hagere Musiker zuckt mit den Schultern und lächelt. "Vielleicht heute, vielleicht morgen. Mann wird sehen", sagt er verträumt. Als ich gehe, endlich aus dem schwülen, beklemmenden Krankenhauszimmer flüchten will, frage ich Jackson Kaujeua noch, ob er einen Wunsch hat. Und plötzlich weicht seine besonnene Miene einem breiten Lächeln. "Eine Grapefruit hätte ich gerne, wenn es geht, keine rosa Grapfruit, sondern eine klare, weiße."
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Allgemeine Zeitung
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