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Der Irrsinn der Entwicklungshilfe - eine Alternative der Hoffnung?
Der Irrsinn der Entwicklungshilfe - eine Alternative der Hoffnung?

Der Irrsinn der Entwicklungshilfe - eine Alternative der Hoffnung?

Stefan Fischer
Im Gegenteil, es gibt eine ganze Menge von Projekten, die geradezu schädlich sind für die Menschen vor Ort. Da hilft es auch nicht, dass alles nach modernsten Methoden der Wissenschaften durchgeführt wird. Gerade erst hat der Ökonom Angus Deaton den Nobelpreis bekommen für die empirischen Forschungen seines Teams in Ostafrika. Im südlichen Afrika haben sich seine Rezepte bislang dagegen nicht bewährt. Insofern geht es darum zu zeigen, dass die Entwicklungshilfe nicht nur durch schlechtes Projektmanagement scheitert, sondern schon ihr Ansatz bei der wissenschaftlichen Vernunft problematisch ist. Außerdem geben viele Akteure nur vor, Entwicklungshilfe zu treiben. In Wirklichkeit betreiben sie klassische Machtpolitik im Zusammendenken von Entwicklung (Development) und Verteidigung (Defense).

Verteidigt werden Demokratie und Wohlstand der Ersten und Zweiten Welt. Demokratie und Menschenrechte in der Dritten Welt haben einen geringen Stellenwert. Damit kommt ein Kernbegriff des Themas ins Spiel: Vertrauen. Der Mangel an Vertrauen ist ein Kernproblem der modernen Entwicklungshilfe. Hilfe ist immer ein Versprechen. Taugen Staaten überhaupt als vertrauenswürdige Akteure der Entwicklungshilfe? In der Frage deutet sich an, dass der Schwerpunkt nicht auf staatlichen Institutionen liegen sollte. Dies gilt sowohl für die Dritte Welt als auch für die Erste. Paradoxerweise gibt es einen Zusammenhang mit einem anderen Phänomen: Tausende junger Menschen aus Europa und Amerika möchten ein freiwilliges Jahr in Afrika machen. Zu diesem Zweck hat die Politik Programme aufgelegt mit schönen Namen. Die jungen Menschen werden in Projekte geflogen, von denen sie vorher noch nie etwas gehört haben.

Bio-Gärten für Buschleute

Man kann kaum glauben, wie viele Projekte in der Dritten Welt von Anfang bis Ende schlichtweg unsinnig sind. Bücher wurden bereits dazu geschrieben, die Ephraim Kishons „Blaumilchkanal“ in nichts nachstehen. Von Bio-Gärten für Buschleute über Betonklos für Nomaden bis hin zu Einfamilienhäusern für Ziegen gibt es nichts, was es nicht gibt. Dabei nimmt der Sinn eines Projekts nicht zu, je mehr Geld verbraucht wird.

In der Regel wird irgendetwas Großes gebaut, so dass man zumindest als Erfolg verbuchen kann, was man da gerade feierlich einweiht. Oft baut man eine Schule in einer Gegend, in der es keine Lehrer gibt, oder ein Kulturzentrum an einem Ort, der alles andere als ein Zentrum ist. Mitschuld an diesen Entwicklungsruinen sind auch die extrem langen Zyklen der Projekte von der Planung bis zur abschließenden Bewertung. Es braucht gut und gerne zwei Jahre, bis ein Projekt bewilligt wird. Dann wird drei bis fünf Jahre das Projekt aufgebaut. Wenn das Projekt sieben Jahre besteht, weiß kaum noch jemand, was der ursprüngliche Sinn der Sache war. Oft muss man als Entwicklungshelfer ein Projekt des Vorgängers unter völlig veränderten Umständen zu Ende bringen.

Je größer ein Projekt ist, desto mehr Gutachten werden verfasst. Je länger ein Projekt läuft, desto positiver werden die Gutachten. All dies soll lediglich einleitend vermerkt werden. Es geht nicht darum zu lamentieren, sondern eine fällige Neukonzeption der Entwicklungshilfe anzudenken. Dabei kommen auch die Flüchtlinge in den Blick. Denn was sagen uns die Flüchtlinge mit ihrer lebensgefährlichen Reise? Bei uns zuhause gibt es kein Vertrauen in eine Zukunftsperspektive.

Die Kernthese: Hoffnung

Damit sind wir bei der fundamentalen These: Jungen Menschen in Afrika muss Entwicklungshilfe Hoffnung geben. Entwicklungshilfe muss Träger von Hoffnung sein. Man kann auch sagen: Hoffnung muss normatives Prinzip der Entwicklungshilfe werden.

Experten mag der Begriff zu vage sein. Aber er ist einer der wenigen Begriffe, der physische, psychische und andere wichtige Aspekte umfasst. Wissenschaftler werden bemängeln, der Begriff sei zahlenmäßig schlecht erfassbar. Genau daher aber rührt die Notwendigkeit, diese einfache These mit Nachdruck zu vertreten.

Vertrauen und Hoffnung sind absolute Mangelware in den meisten Regionen Afrikas. Hoffnung verlangt nach mehr als Nahrungsmittelversorgung und Konsum. Sie ist bescheidener als das große Wort von der Zukunftsperspektive. Hoffnung ist rational und emotional, auch intuitiv unbewusst. Sie entlarvt haltlose Versprechen oder Aktivismus. Hoffnung ermöglicht Mut und Durchhaltevermögen. Entwicklungshilfe muss sich verändern, um die Entstehung von Hoffnung zu ermöglichen. Hoffnung verbraucht sich nicht wie Konsum, sondern wächst wie eine Pflanze, die Nahrung erhält. Freiheit, Gerechtigkeit und Hoffnung wachsen nur gemeinsam. Hoffnung ist die letzte Bastion im Kampf gegen das Unheil der Kriege, Krisen, Katastrophen Afrikas.

„Am Anfang war das Wort“, heißt es in der Bibel. „Und das Wort ist Geld geworden“, kann man nach 60 Jahren Entwicklungshilfe hinzufügen. Dabei geht es nicht um Kapitalismuskritik, sondern um Geld als Nahrungsmittel einer instrumentellen Vernunft, die scheinbar für jedes Problem eine Lösung hat. Kinder gehören in die Schule, Kranke ins Krankenhaus. Mit dieser Logik werden eine Unmenge von Schulen und Hospitälern gebaut. Leider sind aber die Menschen, die die Einrichtungen besuchen, vor dem Bau dieser Gebäude genauso arm wie hinterher. Dasselbe gilt für all die Infrastruktur, von den vierspurigen Autobahnen über die Eisenbahnen quer durch Afrika bis hin zu den internationalen Flughäfen mitten im Nirgendwo. Rechnet man die Infrastruktur von den genannten zwei Billionen Dollar ab, bleibt für echte Entwicklungshilfe nicht mehr viel übrig.

Helfen in bester Absicht

Alles geschieht in bester Absicht. Verändert haben sich in dieser Zeit vor allem die afrikanischen Eliten, die plötzlich Teilhaber der großen Projekte wurden. Wer sich hauptberuflich mit millionenschweren Programmen befasst, kann bei der Frage „Geld oder Geist?“ nur noch mitleidig lächeln. Er sieht nicht die Falle, in die er geht. Wenn die Eliten ihr Geld verdient haben und die Kinder auf einer ausländischen Privatschule sind, bleibt die Masse der staubigen Armen übrig. Für diese Masse errichtet die instrumentelle Vernunft zentrale Essenausgabestellen und Zeltstädte. Am Ende besteht Afrika aus Einkaufszentren und gigantischen Notaufnahmelagern. „Am Ende ist das Wort“, könnte man die Bibel ergänzen.

Die Wende deutet sich bereits in Gestalt der „Propheten“ der evangelikalen Kirchen an. Einige von ihnen füllen Stadien mit ihren Veranstaltungen, manche besitzen schon ganze Vororte. Wenn zehntausende Menschen zusammen mit dem Gospelchor das „Halleluja“ anstimmen, ist das ein machtvolles Zeichen. Es ist ein eher schlecht reflektiertes Zeichen, problematisch in vielerlei Hinsicht, aber trotzdem ein Zeichen des Geistes.

Eine zweite These

Niemand möchte Afrika den Sekten überlassen. Deshalb muss Entwicklungshilfe einen geistig-moralischen Impetus haben, den sie sich über die Jahrzehnte gerade abtrainiert hat. Man will nicht als Oberlehrer mit kolonialer Vergangenheit auftreten. Aus langer Erfahrung muss man leider einräumen, dass die Menschenrechte und die Demokratie Schwierigkeiten haben, diesen nötigen geistig-moralischen Anstoß zu geben. Es scheint sich um Inhalte zu handeln, die nur teilweise die Motivationskraft haben, die man erwartet hatte. Eine zweite These ist daher: Hoffnung als leitendes Prinzip der Entwicklungshilfe gebietet es, die materiellen und geistigen Bedürfnisse der Menschen gleichrangig zu unterstützen.

Hoffnung als Prinzip gestattet es, die unterschiedlichsten Völker in ihren Denkweisen anzuerkennen. Sie muss innerhalb der einheimischen Kulturen gefördert werden, und nicht mit von außen herangetragenen Begriffen. Die Europäische Union teilt ihre Hilfe ein nach den Begriffen, die gerade in der europäischen Elite leitend sind. Ein Entwicklungshelfer vor Ort erfährt beispielsweise im Juli, dass im Fördertopf für „Gender“ bis Jahresende noch einige Millionen zur Verfügung stehen. Dies ist kontraproduktiv. Dabei geht es nicht darum, das Wort Hoffnung ständig zu erwähnen. Es reicht, wenn es als Fundament im Hintergrund präsent bleibt. Aus dieser zweiten These ergibt sich eine andere, relativ weitreichende Forderung: die Aufhebung der Trennung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Entwicklungsarbeit. Letztere ist heutzutage so etwas wie das Feigenblatt der Entwicklungshilfeministerien. Man nimmt sie interessiert zur Kenntnis oder übergibt der Zivilgesellschaft die besonders unangenehmen Aufgaben. Wirklich von Bedeutung im Rahmen des globalen Machtpokers ist sie aber nicht.

3xD funktioniert nicht

Es ist bekannt, dass die Amerikaner Verteidigung und Entwicklung sehr eng miteinander verknüpfen. Weniger bekannt ist, wie ähnlich andere Staaten operieren. Nicht nur bei den US-Amerikanern stehen sämtliche Angehörigen der diplomatischen Vertretungen im Dienst von Militär und Geheimdiensten. Auch die Bundesrepublik Deutschland macht Zusagen in der Entwicklungspolitik als Teil einer Anti-Terror-Strategie. Es versteht sich von selbst, derartige Instrumentalisierungen der Entwicklungsarbeit funktionieren nicht. In einem politischen Seminar kann man vortrefflich argumentieren, wie sehr doch die drei Ds (Defense, Development, Democracy) zusammengehören. Die Strategie, militärisch eine Region zu befrieden, um Demokratie zu erzwingen, müsste aber unter das Primat des Hoffnungspotenzials gestellt werden. Es hat sich bereits gezeigt, dass die Menschen vor Ort zu oft nur Empfänger sind. Eine Strategie der Hoffnung muss beweisen, wie sie näher an den Menschen sein kann. Dazu bedarf es zunächst einer Klärung des Problems der großen Zahl.

Elias Canetti hat in seinem berühmten Buch „Masse und Macht“ dazu bereits Andeutungen gemacht. Wie will man mit Millionen junger Menschen umgehen, geschweige denn so etwas Schwieriges wie Hoffnung schenken? Canetti verweist darauf, dass Kirchgänger zwar zu Tausenden Gottesdienste aufsuchen, dennoch immer Einzelne bleiben. Dies steht im Unterschied zu politischen Versammlungen, in deren Verlauf alle den gleichen Aufruf lautstark beklatschen und zu einer homogenen Masse werden.

Beispiel und Vorbild

Entwicklungshilfe als Träger von Hoffnung wirkt dagegen durch Beispiel und Vorbild. Hoffnungsvolle Aktivitäten ziehen die jungen Menschen ungeheuer an. Der Organisator eines erfolgreichen Projekts kommt schnell an seine Grenzen. Hoffnung als normatives Prinzip meint aber nicht, dass Tausende einem machtvollen Organisator folgen. Im Gegenteil, der einzelne junge Mensch soll reifen in dem Bemühen, sich auf einen guten Weg zu machen. Die Psychologie hat dazu Hilfestellungen entwickelt, die bei Straßenkindern und Flüchtlingen eingesetzt werden. Allerdings müsste ein Psychologe sagen, inwiefern er sich berufen fühlt, Hoffnung zu erzeugen. Hoffnung entsteht nicht nur im Ringen des Einzelnen mit sich selbst als vielmehr in der Solidarität mit anderen.

Andreas Peltzer, Okahandja (Vorstandsmitglied der Southern African Christian Initiative, www.sachi-sadc.org)

(Der Beitrag wurde für die Zeitschrift „Academia“ des Deutschen Cartellverbands zur Erscheinung im Januar 2018 verfasst; der Autor hat ihn zum Nachdruck der AZ zur Verfügung gestellt, die ihn in drei Teilen veröffentlicht.)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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