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Der König braucht Hilfe

Der Löwe scheint es keinem rechtmachen zu können. Die wachsende Tourismusindustrie hat seinen Wert als Attraktion erkannt. Touristen lieben den „König der Tiere“ – aber nicht unbedingt mit wenig fotogenen GPS-Bändern am Hals. Mancher Farmer sähe ihn lieber tot als lebendig, um sein Vieh zu schützen. Denn diejenigen, die in Namibia am Tourismus verdienen, sind nicht immer diejenigen, die das Risiko im Alltag tragen. Tot mag ihn mancher in China besonders gerne: Pulverisierte Löwenknochen gelten in der traditionellen Medizin als Allheilmittel. Wie viele Löwen es in Namibia noch gibt, wird neu erhoben. Eine oft zitierte Schätzung stammt aus dem „Namibia Large Carnivore Atlas“ 2004 und geht von 562 bis 894 Tieren aus. „Wir hatten zehn, zwölf gute Regenjahre, daher ist die Population wohl einigermaßen stabil. Insgesamt sind es sicher unter 1000 Tiere“, mutmaßt Tammy Hoth von der Stiftung AfriCat, die sich dem Schutz von Raubtieren verschrieben hat. Mehr Regen bedeutet mehr Beutetiere auf einer größeren Fläche. Was zunächst für Laien nicht nach einer akuten Notlage klingt, ist doch brisant, wie die Expertin erklärt: „Man muss langfristig denken: Afrika hat ungeheuer viele Löwen verloren und gerade die Population in Namibia ist klein. Daher kann die Lage schnell dramatisch werden. Vor einigen Jahren sind in der Serengeti etliche Tiere an Staupe eingegangen, einige Länder kämpfen mit HIV. Wenn bei uns eine solche Krankheit um sich greifen würde, wüsste ich nicht, ob und wie die kleine Population das verkraften könnte.“ Nur zum Vergleich: Laut dem oben genannten Atlas von Lise Hanssen und Philip Stander gibt es bis zu 10610 Leoparden und bis zu 5775 Geparden in Namibia. Aktuelle Daten gibt es für die Wüstenlöwen in der Kunene-Region. Der mit dem Huxley-Award ausgezeichnete Biologe Philip Stander hat 1998 das „Desert Lion Conservation Project“ gestartet und seither Unmengen von Daten zur Entwicklung der Population, zum Verhalten der Tiere, Fotos, Videos, Tondateien und vieles mehr gesammelt. 130 bis 150 Wüstenlöwen gibt es derzeit, 35 davon tragen GPS- Sender. „Ich kenne aber 80 Prozent der Tiere“, erklärt Stander, der viele Hinweise und Fotos auch von Einheimischen, Touristenführern und Reisenden erhält. In individuellen Akten notiert er die Entwicklung der einzelnen Tiere. Wüstenlöwen sind keine eigene Art, aber durch die Anpassung an das extrem aride Klima haben sie sich physiologisch verändert. Die Nieren sind beispielsweise darauf ausgerichtet, Monate lang ohne Wasser auszukommen. Das Fell ist dicker als bei andern Löwen, um dem teils eisig kalten, nebligen Wetter der Skelettküste zu trotzen. Die Tiere leben außerdem in kleineren Gruppen und haben Streifgebiete, die um ein Vielfaches größer sind als die anderer Löwen. Wissenschaftlich erhobene Fakten, Information und Kollaboration sind laut Stander und Hoth die wichtigste Grundlage zum Schutz der Tiere. Nur so lassen sich sinnvoll Aussagen über Entwicklung und Risiken für eine Population machen, nur so lässt sich auch der Erfolg der eigenen Arbeit bewerten. Das größte Problem für die Löwen Namibias ist der Mensch-Tier-Konflikt. Und je größer eine Population wird, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit für solche Konflikte. Große Flächen des Landes werden als Weideland genutzt. Nach Ansicht von Hoth, die mit ihrer Organisation AfriCat-Nord speziell um den Etoscha-Nationalpark herum aktiv ist, lassen Farmer ihre Herden oftmals zu dicht an den Zäunen des Parks weiden, speziell in Zeiten der Trockenheit. Die Zäune seien aber nicht intakt. Werde Vieh gerissen, sehen laut Hoth viele Farmer die Verantwortlichkeit nur auf Seiten der Regierung. AfriCat bietet daher Programme zu Farmmanagement an, in denen es um Grundlagen der Weidewirtschaft geht. Stander nutzt vor allem moderne Technologien, die seiner Ansicht nach eine neue Dimension in den Wildtierschutz eingebracht haben. Die GPS-Halsbänder senden die Standorte der Löwen per Satellitenbild an ihn, die Angaben finden sich im Kapitel „News“ auf seiner Webseite www.desertlion.info. Einheimische können so kontrollieren, ob sich ein Tier in Richtung einer Siedlung bewegt. „Ich habe schon Leute getroffen, die das barfuß, aber mit Smartphone in der Hand, gecheckt haben“, sagt er. Ende der 80er waren die Wüstenlöwen akut vom Aussterben bedroht, doch die Population ist wieder deutlich gewachsen. „Zum einen durch Schutzprogramme, zum anderen durch die sich nach der Unabhängigkeit 1990 immer stärker entwickelnde Reisebranche“, findet Stander, der 23 Jahre lang im Umweltministerium gearbeitet hat, bevor es ihn endgültig zurück in die Natur gezogen hat. „Der Tourismus hat den Löwen aufgewertet. Während die Tiere früher aus Angst um die eigene Lebensgrundlage, die Viehherden, vergiftet oder erschossen wurden, werden heute Beobachtungstouren angeboten. Es gibt aber einen Generationenkonflikt: Die Älteren neigen immer noch eher dazu, die Tiere abzuschießen, die Jüngeren arbeiten im Tourismus und engagieren sich.“ Auch wenn Stander Ökotourismus durchaus begrüßt und viele Entwicklungen im namibischen Naturschutz positiv bewertet, so wünscht er sich doch oftmals mehr Feingefühl: Der Schutz der Tiere muss erste Priorität haben. „Es gibt Touristenführer, die per Satellitentelefon ihre Frau zu Hause anrufen, sich anhand meiner Webseite die Standorte der Löwen durchgeben lassen und ihnen regelrecht nachjagen. Das geht natürlich nicht. Die Tiere dürfen nicht gestört werden.“ Stander hatte daher diese Funktion eine Weile nicht mehr online und hat das Gespräch gesucht. „Letztlich ist das alles eine Frage von Austausch und fairer Zusammenarbeit zwischen Forschung, Einheimischen, Reisebranche, Regierung und Nichtregierungsorganisationen“, findet er. Ähnlich sieht das auch Hoth, die selber aus einer Farmerfamilie stammt. „Naturschutz ist unsere Aufgabe, ganz klar. Aber ohne den Tourismus würde viel Geld fehlen und einiges zusammenbrechen wie ein Kartenhaus.“ Das Ganze sei ein stetes Wechselspiel, das eingehende Kontrolle benötige. Eines ist ihr aber wichtig: „Wir warten oftmals zu sehr auf Geld und Unterstützung aus dem Ausland. Namibia braucht aber so etwas wie eine nationale Dynamik für den Tierschutz. Die Menschen hier im Land müssen endlich den Wert der Natur erkennen.“ Mehr Informationen gibt es im Internet (www.africat.org und www.desertlion.info). Von Alexandra Schröder, Windhoek

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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