"Der Kreis schließt sich"
Der scheidende Deutsche Botschafter in Namibia, Harald Nestroy, geht nach 39 Jahren Dienst für das Auswärtige Amt in den Ruhestand. Mit ihm sprach Stefan Grüllenbeck in einem Interview über seine Zukunftspläne und die Zeit als Botschafter.
AZ: Herr Nestroy, Sie haben beschlossen in Namibia zu bleiben und Ihren Ruhestand hier zu verbringen. Wie kam es zu der Entscheidung?
H. Nestroy: Natürlich haben meine Frau und ich viel darüber diskutiert. Es gab die Möglichkeit, zurück nach Bonn zu gehen, wo wir ein schönes Haus haben. Eine zeitlang haben wir auch überlegt, nach Paarl in Südafrika zu ziehen. Aber am Ende haben wir uns doch für Namibia entschieden. Wenn man so ein Zigeunerleben führt wie meine Frau und ich das tun, hat das Vorteile, aber auch Nachteile. So sind wir nirgendwo richtig verwurzelt, und am Ende haben wir also beschlossen: `man ist da zuhause, wo man ist`. Und so ist es Namibia geworden. Inzwischen haben wir hier gute Freunde, ich bin in verschiedenen Projekten involviert und das Wetter in Namibia war auch eine Entscheidungshilfe.
AZ: Also werden Sie ihren Lebensabend in Ihrem neuen Haus in der Nähe der Heinitzburg auf Ihrer Terasse verbringen und abends beim Sundowner anzutreffen sein?
H. Nestroy: (lacht) Da kennen Sie mich aber schlecht! Nein, ich werde mich hier auch weiter engagieren. Zum Beispiel hat mich Präsident Nujoma zum Vorsitzenden der German - Namibian Friendship Association gemacht, deren Schirmherr er ist.
Der Vorsitzende der Gesellschaft war vorher Werner List. Und nach dessen Tod im letzten Jahr war sie ohne Leitung. Ich habe gerne zugesagt. Dann ist da noch das Engagement bei der Hegegmeinschaft im Erongo ...
AZ: Dessen Ehrenpräsident Sie sind.
H. Nestroy: ...richtig. Das ist ein sehr ehrgeiziges Projekt, dem ich mich eher mehr als weniger widmen will. Deshalb haben wir dort seit kurzem ein Haus auf der Farm eines Freundes. In gewisser Weise schließt sich hier auch ein Kreis, denn meinen ersten Urlaub in Namibia habe ich 1980 im Erongo verbracht, damals noch zur Jagd.
AZ: Worum geht es bei der Hegegemeinschaft im Erongo genau?
H. Nestroy: Zu der Entscheidung, die Hegegemeinschaft zu gründen, haben zwei Entwicklungen geführt. Zum einen lohnt sich die Landwirtschaft, besonders die Viehwirtschaft in der Erongo-Region nicht mehr. Dort sind die Niederschläge so gering, dass sich Land- oder Viehwirtschaft ohne die früheren Subventionen aus ökonomischen Gründen einfach nicht rechnet. Andererseits liegt das Erongogebirge für den Tourismus strategisch etwas ungündtig, nämlich zwischen den Hauptattraktionen in dem Dreieck Windhoek - Swakoppmund und dem Brandberg. Es gibt bis jetzt wenig Gründe für Touristen, gezielt die Region anzusteuern, außer vielleicht zur Jagd. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt und Tourismus haben wir deshalb mit der Mehrheit der Farmer dort beschlossen, den Erongo mit einem Gesamtkonzept auf eine höhere Ebene zu bringen und touristisch zu entwickeln.
AZ: Wie wollen Sie das erreichen?
H. Nestroy: Es ist ja schon vieles da. Das Erongogebirge ist eines der schönsten Gebiete in Namibia. Es gibt dort fantastische Granitformationen und eine unglaubliche Fülle an Felsmalereien, die sich durchaus mit denen am Brandberg messen lassen können. Vereinzelt haben Farmer auch schon ehemals dort heimische Tiere angesiedelt, wie Schwarznasenimpalas und Elandantilopen. Wir haben nun vor, auch ein anderes Tier wieder dort anzusiedeln. Die Erongo Mountain Nature Conservancy hat von Beginn an in ihren Statuten festgehalten, dass dort Schwarze Nashörner wieder eingeführt werden sollen. Bereits im nächsten Jahr sollen auf drei zusammen gelegten Farmen die ersten acht Nashörner ausgewildert werden.
Fernziel ist es, das gesamte Erongo Gebirge in ein Nashornschutzgebiet zu verwandeln. Auf den dann über 200000 Hektar wäre die Ansiedelung von bis zu 60 Nashörnern möglich, einer eigenen Zuchtgruppe, die sich ohne die Gefahr der Inzucht selbständig vermehren könnte. Dieses "Erongo Black Rhino Sanctuary of Namibia" wäre ein absolutes Highlight für den Tourismus. Und dafür arbeiten wir.
AZ: Einige ihrer Vorgänger haben ja hin und wieder Probleme mit der deutschen Gemeinschaft in Namibia gehabt. Da gab es einige politische und ideologische Scharmützel und Anfeindungen nach der Unabhängigkeit. Wie sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich?
H. Nestroy: Meine Bilanz ist durchweg positiv, insbesondere was die deutsche Community angeht. Da gab es keine Probleme.
AZ: Auch nicht zum Thema Landreform?
H. Nestroy: Nein, denn es ist doch allen klar, dass es eine Landreform geben muss, sie ist eine politische Notwendigkeit, und es wird sie geben. Die Frage ist lediglich, wie sie durchgeführt wird. Bisher spricht alles dafür, dass die namibische Regierung die Landreform nur im Rahmen der Verfassung und mit angemessenen Entschädigungen durchführen wird. Die Landreform darf nicht dazu führen, dass die Landwirtschaft in Namibia insgesamt Schaden erleidet. Und auch das weiß die Regierung. Ich bin der Überzeugung, die entscheidenden Politiker hier wissen ganz genau, was auf dem Spiel steht. Deutschland ist in diesen Prozess stark eingebunden, wir sind der "major donor" bei der Landreform. Wir wollen helfen und das wird von der Regierung Namibias auch so gewünscht.
AZ: Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung der Nachbarländer zur Entwicklung in Simbabwe? Kann man da nicht den Eindruck gewinnen, Südafrika und auch Namibia heißen die Art und Weise insgeheim gut, wie die Landreform der Regierung Mugabe durchgeführt wurde?
H. Nestroy: Nein. Das müssen Sie eher vom Kulturellen her sehen. Die afrikanische Kultur und die gemeinsame Geschichte der schwarzafrikanischen Völker legen den Regierungen große Zurückhaltung auf, sich öffentlich gegenseitig zu kritisieren. Offene Kritik wie wir sie aus Europa kennen, wie zwischen der englischen und französischen Regierung über den Irak-Krieg, oder jetzt der Disput zwischen der italienischen und deutschen Regierung, sowas gibt es in Afrika kaum. Aber das ist wie gesagt eher ein kulturelles Thema, weniger ein politisches. Ich glaube, die meisten Politiker in der Sadc-Region sehen sehr wohl die Folgen der Entwicklungen in Simbabwe. Und sie stecken da in einem Dilemma.
AZ: Sie waren fünf Jahre vor Ort, sozusagen mitten im Geschehen. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Namibia den gleichen Weg geht wie Simbabwe?
H. Nestroy: Nein, ich bin sehr optimistisch. Sonst hätten wir uns ja gar nicht erst entschieden hierzubleiben. Ich bin überzeugt, die Lage in Namibia wird stabil bleiben. Denn die namibische Regierung hat seit der Unabhängigkeit mit großem Erfolg stets zum Wohle des Landes sehr vernünftig und besonnen gehandelt.
AZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Harald Nestroy, Geboren am 1. Februar 1938 in Breslau
Mit der Familie 1944 von Breslau nach Bad Landeck in Südschlesien vor den anrückenden sowjetischen Truppen geflohen
1948 aus der Sowjetisch besetzten Zone nach Gießen geflohen
1956 Umzug nach Wiesbaden
1957 Abitur in Königsstein bei Frankfurt
1963 Examen in Jura
Berufliche Laufbahn
1964 Eintritt in den Deutschen Auswärtigen Dienst
1967 Tätigkeit im Ministerbüro von Außenminister Willi Brandt
1968 - 71 Deutsche Botschft in Neu Delhi, Indien. Referent für innenpolitische Fragen
1971 - 74 Deutsche Botschaft Bogota, Kolumbien. Kulturattach"
1974 - 79 Auswärtiges Amt Bonn. Südamerika-Referat, anschließend Leiter des Referats Humanitäre Hilfe
1979 - 82 Botschafter in Brazzaville, der damaligen Volksrepublik Kongo
1982 - 85 Generalkonsul in Atlanta (zuständig für sieben Staaten im Südwesten der
USA)
1985 - 89 Botschafter in San Jos", Costa Rica
1989 - 94 Auswärtiges Amt Bonn. Leiter des Referats Westeuropa mit Schwerpunkt Frankreich
1994 - 98 Botschafter in Kuala Lumpur, Malaysia
3. Feb. 1998 - 30. Juni 2003 Botschafter in Windhoek, Namibia.
Hier das letzte Jahr Dean des Diplomatischen Corps.
AZ: Herr Nestroy, Sie haben beschlossen in Namibia zu bleiben und Ihren Ruhestand hier zu verbringen. Wie kam es zu der Entscheidung?
H. Nestroy: Natürlich haben meine Frau und ich viel darüber diskutiert. Es gab die Möglichkeit, zurück nach Bonn zu gehen, wo wir ein schönes Haus haben. Eine zeitlang haben wir auch überlegt, nach Paarl in Südafrika zu ziehen. Aber am Ende haben wir uns doch für Namibia entschieden. Wenn man so ein Zigeunerleben führt wie meine Frau und ich das tun, hat das Vorteile, aber auch Nachteile. So sind wir nirgendwo richtig verwurzelt, und am Ende haben wir also beschlossen: `man ist da zuhause, wo man ist`. Und so ist es Namibia geworden. Inzwischen haben wir hier gute Freunde, ich bin in verschiedenen Projekten involviert und das Wetter in Namibia war auch eine Entscheidungshilfe.
AZ: Also werden Sie ihren Lebensabend in Ihrem neuen Haus in der Nähe der Heinitzburg auf Ihrer Terasse verbringen und abends beim Sundowner anzutreffen sein?
H. Nestroy: (lacht) Da kennen Sie mich aber schlecht! Nein, ich werde mich hier auch weiter engagieren. Zum Beispiel hat mich Präsident Nujoma zum Vorsitzenden der German - Namibian Friendship Association gemacht, deren Schirmherr er ist.
Der Vorsitzende der Gesellschaft war vorher Werner List. Und nach dessen Tod im letzten Jahr war sie ohne Leitung. Ich habe gerne zugesagt. Dann ist da noch das Engagement bei der Hegegmeinschaft im Erongo ...
AZ: Dessen Ehrenpräsident Sie sind.
H. Nestroy: ...richtig. Das ist ein sehr ehrgeiziges Projekt, dem ich mich eher mehr als weniger widmen will. Deshalb haben wir dort seit kurzem ein Haus auf der Farm eines Freundes. In gewisser Weise schließt sich hier auch ein Kreis, denn meinen ersten Urlaub in Namibia habe ich 1980 im Erongo verbracht, damals noch zur Jagd.
AZ: Worum geht es bei der Hegegemeinschaft im Erongo genau?
H. Nestroy: Zu der Entscheidung, die Hegegemeinschaft zu gründen, haben zwei Entwicklungen geführt. Zum einen lohnt sich die Landwirtschaft, besonders die Viehwirtschaft in der Erongo-Region nicht mehr. Dort sind die Niederschläge so gering, dass sich Land- oder Viehwirtschaft ohne die früheren Subventionen aus ökonomischen Gründen einfach nicht rechnet. Andererseits liegt das Erongogebirge für den Tourismus strategisch etwas ungündtig, nämlich zwischen den Hauptattraktionen in dem Dreieck Windhoek - Swakoppmund und dem Brandberg. Es gibt bis jetzt wenig Gründe für Touristen, gezielt die Region anzusteuern, außer vielleicht zur Jagd. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt und Tourismus haben wir deshalb mit der Mehrheit der Farmer dort beschlossen, den Erongo mit einem Gesamtkonzept auf eine höhere Ebene zu bringen und touristisch zu entwickeln.
AZ: Wie wollen Sie das erreichen?
H. Nestroy: Es ist ja schon vieles da. Das Erongogebirge ist eines der schönsten Gebiete in Namibia. Es gibt dort fantastische Granitformationen und eine unglaubliche Fülle an Felsmalereien, die sich durchaus mit denen am Brandberg messen lassen können. Vereinzelt haben Farmer auch schon ehemals dort heimische Tiere angesiedelt, wie Schwarznasenimpalas und Elandantilopen. Wir haben nun vor, auch ein anderes Tier wieder dort anzusiedeln. Die Erongo Mountain Nature Conservancy hat von Beginn an in ihren Statuten festgehalten, dass dort Schwarze Nashörner wieder eingeführt werden sollen. Bereits im nächsten Jahr sollen auf drei zusammen gelegten Farmen die ersten acht Nashörner ausgewildert werden.
Fernziel ist es, das gesamte Erongo Gebirge in ein Nashornschutzgebiet zu verwandeln. Auf den dann über 200000 Hektar wäre die Ansiedelung von bis zu 60 Nashörnern möglich, einer eigenen Zuchtgruppe, die sich ohne die Gefahr der Inzucht selbständig vermehren könnte. Dieses "Erongo Black Rhino Sanctuary of Namibia" wäre ein absolutes Highlight für den Tourismus. Und dafür arbeiten wir.
AZ: Einige ihrer Vorgänger haben ja hin und wieder Probleme mit der deutschen Gemeinschaft in Namibia gehabt. Da gab es einige politische und ideologische Scharmützel und Anfeindungen nach der Unabhängigkeit. Wie sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich?
H. Nestroy: Meine Bilanz ist durchweg positiv, insbesondere was die deutsche Community angeht. Da gab es keine Probleme.
AZ: Auch nicht zum Thema Landreform?
H. Nestroy: Nein, denn es ist doch allen klar, dass es eine Landreform geben muss, sie ist eine politische Notwendigkeit, und es wird sie geben. Die Frage ist lediglich, wie sie durchgeführt wird. Bisher spricht alles dafür, dass die namibische Regierung die Landreform nur im Rahmen der Verfassung und mit angemessenen Entschädigungen durchführen wird. Die Landreform darf nicht dazu führen, dass die Landwirtschaft in Namibia insgesamt Schaden erleidet. Und auch das weiß die Regierung. Ich bin der Überzeugung, die entscheidenden Politiker hier wissen ganz genau, was auf dem Spiel steht. Deutschland ist in diesen Prozess stark eingebunden, wir sind der "major donor" bei der Landreform. Wir wollen helfen und das wird von der Regierung Namibias auch so gewünscht.
AZ: Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung der Nachbarländer zur Entwicklung in Simbabwe? Kann man da nicht den Eindruck gewinnen, Südafrika und auch Namibia heißen die Art und Weise insgeheim gut, wie die Landreform der Regierung Mugabe durchgeführt wurde?
H. Nestroy: Nein. Das müssen Sie eher vom Kulturellen her sehen. Die afrikanische Kultur und die gemeinsame Geschichte der schwarzafrikanischen Völker legen den Regierungen große Zurückhaltung auf, sich öffentlich gegenseitig zu kritisieren. Offene Kritik wie wir sie aus Europa kennen, wie zwischen der englischen und französischen Regierung über den Irak-Krieg, oder jetzt der Disput zwischen der italienischen und deutschen Regierung, sowas gibt es in Afrika kaum. Aber das ist wie gesagt eher ein kulturelles Thema, weniger ein politisches. Ich glaube, die meisten Politiker in der Sadc-Region sehen sehr wohl die Folgen der Entwicklungen in Simbabwe. Und sie stecken da in einem Dilemma.
AZ: Sie waren fünf Jahre vor Ort, sozusagen mitten im Geschehen. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Namibia den gleichen Weg geht wie Simbabwe?
H. Nestroy: Nein, ich bin sehr optimistisch. Sonst hätten wir uns ja gar nicht erst entschieden hierzubleiben. Ich bin überzeugt, die Lage in Namibia wird stabil bleiben. Denn die namibische Regierung hat seit der Unabhängigkeit mit großem Erfolg stets zum Wohle des Landes sehr vernünftig und besonnen gehandelt.
AZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Harald Nestroy, Geboren am 1. Februar 1938 in Breslau
Mit der Familie 1944 von Breslau nach Bad Landeck in Südschlesien vor den anrückenden sowjetischen Truppen geflohen
1948 aus der Sowjetisch besetzten Zone nach Gießen geflohen
1956 Umzug nach Wiesbaden
1957 Abitur in Königsstein bei Frankfurt
1963 Examen in Jura
Berufliche Laufbahn
1964 Eintritt in den Deutschen Auswärtigen Dienst
1967 Tätigkeit im Ministerbüro von Außenminister Willi Brandt
1968 - 71 Deutsche Botschft in Neu Delhi, Indien. Referent für innenpolitische Fragen
1971 - 74 Deutsche Botschaft Bogota, Kolumbien. Kulturattach"
1974 - 79 Auswärtiges Amt Bonn. Südamerika-Referat, anschließend Leiter des Referats Humanitäre Hilfe
1979 - 82 Botschafter in Brazzaville, der damaligen Volksrepublik Kongo
1982 - 85 Generalkonsul in Atlanta (zuständig für sieben Staaten im Südwesten der
USA)
1985 - 89 Botschafter in San Jos", Costa Rica
1989 - 94 Auswärtiges Amt Bonn. Leiter des Referats Westeuropa mit Schwerpunkt Frankreich
1994 - 98 Botschafter in Kuala Lumpur, Malaysia
3. Feb. 1998 - 30. Juni 2003 Botschafter in Windhoek, Namibia.
Hier das letzte Jahr Dean des Diplomatischen Corps.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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