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Der Mann, der Beatrix war

Praktikant WAZon
Wenige Worte reichen und unvergessliche TV-Momente mit Hape Kerkeling tauchen bei fast jedem in Deutschland im Kopf auf. „Lecker Mittagessen“ zum Beispiel - mit holländischem Akzent von ihm als vermeintliche Königin Beatrix am Schloss Bellevue gesagt. Oder „Hurz“ - ausgerufen von ihm als angeblicher Neue-Musik-Sänger aus Polen. Oder „Schätzelein“ - gegrunzt von ihm als Zeitungsjournalist Horst Schlämmer. Millionen haben auch Kerkelings Jakobsweg-Bestseller „Ich bin dann mal weg“ gelesen oder vertiefen sich zurzeit in seine Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“.
Der Komiker Hape Kerkeling gehört zu Deutschland wie Heino, Thomas Gottschalk, Herbert Grönemeyer, Angela Merkel oder die Altkanzler Helmut Schmidt oder Kohl. Er scheint eine Institution geworden zu sein. An diesem Dienstag wurde er 50 (genauso übrigens wie Moderator Johannes B. Kerner).
Mit der Showbühne soll jetzt Schluss sein. Das hat er mehrmals betont. „Ich habe viele Pläne, aber nichts Konkretes in der Pipeline“, sagte Kerkeling im „Hörzu“-Interview vor kurzem. „Keinen Film, keinen Bühnenauftritt. Jetzt mache ich wirklich erst mal gar nichts. Irgendwann setze ich mich wieder an den Schreibtisch.“
Er freue sich sehr auf den runden Geburtstag, weil er „ganz glücklich“ auf 30 Jahre Bühnenkarriere zurückblicken könne. Rund um das eigentliche Geburtsdatum wollte Kerkeling demnach verreisen. „Zwei, drei Wochen irgendwohin, wo es warm ist.“
Er mache sich nicht rar, um begehrter zu sein, sagte Kerkeling im März in einem dpa-Interview. „Ich mache mich rar, weil ich mich rarmachen will.“ Im Frühling brachte er das Schlageralbum „Ich lasse mir das Singen nicht verbieten“ heraus, die Erfüllung eines Kindheitstraumes. 2014 war für ihn ein Jahr voller Nostalgie: Anfang Oktober erschienen seine Memoiren, in denen er viel aus seiner Kindheit im Ruhrgebiet erzählt, von seinen prägenden Omas, der bunten Verwandtschaft, lieben Schulfreunden, aber auch bewegenden Begegnungen als Erwachsener, etwa mit dem Dalai Lama.
Am meisten Medienecho fand jedoch der offene Umgang mit einem Ereignis, das passierte, als er acht Jahre alt war: dem Suizid seiner Mutter Margret im Jahr 1973. In Interviews betonte er, er glaube, dass es Betroffenen guttun könne, wenn ein Promi eine Erfahrung wie diese öffentlich mache. Das habe ihm selbst das Beispiel der Moderatorin Sonya Kraus vor ein paar Jahren gezeigt, die im Fernsehen über den Freitod ihres Vaters geredet habe.
Kerkeling sucht nach seinen vielen Fernseh- und Kino-Erfolgen inzwischen mehr und mehr die Rolle des nachdenklichen Schriftstellers, wird zu einem TV-Altmeister. Kerkeling lebt seit einigen Jahren in Berlin (statt früher Düsseldorf), außerdem ist er oft und gern in Italien. Das Land nannte er in einem „Stern“-Interview „unbelastete Zweitheimat“. Zu seinem Privatleben verliert er wenige Worte: In seiner Autobiografie ist diskret von seinem „Freund Henning“ die Rede, mit dem er demnach seit 2010 zusammen ist.
Dass Kerkeling schwul ist, wurde vor 23 Jahren ganz plötzlich öffentlich. Einen Tag nach dessen 27. Geburtstag trat der Schwulenaktivist Rosa von Praunheim bei RTL auf und outete den TV-Liebling gegen dessen Willen als homosexuell.
Etwa ein Jahr nach dem Outing sagte Kerkeling im Magazin „Der Spiegel“: „Sensiblere Naturen als ich hätten sich in einer Kurzschlusshandlung womöglich mit dem Fön in die Badewanne gelegt.“ Doch das Publikum habe „irre normal reagiert“. „Sogar in der tiefsten bayerischen Provinz, wo ich kurz nach dem Outing auf Tournee war, bin ich nie dumm angequatscht worden. Es gibt in unserem Gewerbe so viele Untergrund-Schwule, die teilweise zur Tarnung in die Ehe geflüchtet sind. Ich kann nur jedem raten, sich nicht zu verstellen.“
Kerkeling geht heute offen mit dem Thema um. „Seitdem ich denken kann, denke ich schwul“, heißt es etwa in seiner Autobiografie. „Schwul oder lesbisch zu denken bedeutet für mich, über Kreuz zu denken, vorsichtiger zu denken, aber auch mutiger, großräumiger und schlicht bunter. Es ist mir in die Wiege gelegt worden und nach meiner Überzeugung, auch wenn das einigen nicht in den Kram passen mag, von Gott gewollt.“
Von Gregor Tholl, dpa

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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