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Der Osten des Kongo scheint undurchdringlich politisch verworren

Keine andere Region in Afrika ist so konfliktreich und politisch verworren wie der Ostkongo: Zu zahlreich sind die verfeindeten Milizen, zu grausam die Verbrechen, die hier im Dunkel des Regenwaldes begangen werden. Zehntausende wurden in den letzten Jahren getötet, mehr als hunderttausend Frauen vergewaltigt. Seit dem Ausbruch des ersten Kongokrieges im Jahre 1998 sollen bis zu fünf Millionen Menschen an dessen Folgen gestorben sein - und mit jedem Jahr werden es mehr, denn keine Lösung ist in Sicht.

Die Eroberung von Goma, der mit 400000 Einwohnern größten Stadt in der Region, durch eine Rebellengruppe mit dem Namen M23 ist nur eine weitere Episode in dieser ewigen Wiederkehr des Krieges. Wie so oft steht auch hinter dem jüngsten Konflikt eine komplizierte Geschichte: Seinen Ursprung hat der Konflikt im April dieses Jahres. Damals desertierte der kongolesische General Bosco Ntaganda mit vielen seiner Soldaten aus der kongolesischen Armee und formierte seine eigene Rebellengruppe. In gewisser Weise kehrte der auch als "Terminator" bekannte Ntaganda damit zu seinen Wurzeln zurück: Bis Anfang 2009 hatte er nämlich bereits auf Seiten einer eng mit dem kongolesischen Nachbarland Ruanda verbundenen Rebellengruppe gegen die kongolesische Zentralregierung in Kinshasa gekämpft. Am 23. März 2009 (deshalb auch der Name M23 für die Rebellen) hatte Ntaganda sich damals jedoch plötzlich von seinen ruandischen Waffenbrüdern abgewendet - und seine eigenen Frieden mit dem kongolesischen Regime um Joseph Kabila in Kinshasa geschlossen, das ihn dafür prompt zum General ernannte und ihm viele Freiheiten gab. Auch Ntagandas rund 5000 Kämpfer waren damals in die kongolesische Armee absorbiert worden.

Wie so oft im Kongo wendeten sich die Dinge jedoch bald wieder: Unzufrieden mit der Behandlung durch Kabila zog sich Ntaganda vor einem halben Jahr aus der kongolesischen Armee zurück und begann in der Region einen neuen Raubzug - zu einem Zeitpunkt als Kongos Staatschef Kabila gerade öffentlich die Verhaftung und Überstellung Ntagandas an den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag erwog.

Was die genauen Gründe für den Bruch zwischen beiden waren, ist bis heute umstritten: Einige Beobachter glauben, dass es Ntaganda und seinen Soldaten um die Ausbeutung von Coltan- und Goldvorkommen in der Region geht, also um eine rein persönliche Bereicherung. Bei Coltan handelt es sich um ein weltweit besonders begehrtes Erz, das für die Herstellung von Handys und Spielkonsolen benutzt und im Kongo besonders leicht gewonnen wird. Auch Ruanda soll nach UNO-Angaben in diesen Handel involviert sein und die Rebellen bei der Ausbeutung und dem Schmuggel des Rohstoffs aktiv unterstützen, was dessen Regierung allerdings vehement abstreitet.

Durch geschickt geschlossene Allianzen mit anderen bewaffneten Gruppen in der Region sind die Rebellen der M23 inzwischen derart erstarkt, dass nicht einmal die in der Region stationierte UN-Friedenstruppe mit ihren 17000 Soldaten in der Lage war, den Vormarsch der Rebellen und die Einnahme der Provinzhauptstadt Goma zu verhindern. Ein Grund für das Erstarken der Rebellen und die Apathie der lokalen Bevölkerung liegt darin, dass die staatliche Autorität der kongolesischen Zentralregierung im Osten des Landes allenfalls auf dem Papier existiert. Seit Jahren verspricht das Kabila-Regime im fast 2000km entfernten Kinshasa den Menschen im Osten mehr Mitsprache, ohne dass irgendetwas passiert wäre. Es gibt in der Region weder Entwicklung noch Sicherheit - und entsprechend desillusioniert reagieren die Menschen nicht nur auf das Vorrücken der Rebellen sondern mehr noch auf das korrupte Kabila-Regime, das die Reichtümer der Region lieber an zahlungskräftige ausländische Lizenznehmer verscherbelt, statt die Einnahmen daraus in den Aufbau der Region zu stecken.

Symptomatisch für die Vernachlässigung der Region ist auch, dass es über 50 Jahre nach der Unabhängigkeit des Kongo von Belgien unmöglich ist, den Osten des Landes auf einer StraÃ?e von Kinshasa zu erreichen. Und selbst die Fluglinien gelten als extrem unsicher. Die fehlende infrastrukturelle Anbindung macht es Kabila und seinen Schergen fast unmöglich, irgendeine Form der Kontrolle über seine Ostprovinzen Nord und Südkivu auszuüben. Für Ruanda, das gleich nebenan liegt, ist das von den Rebellen eroberte Goma schon deshalb extrem wichtig, weil es als Pufferzone gegen die Hutu-Rebellen fungiert, die sich hier 1994 nach dem von ihnen in Ruanda verübten Völkermord gegen die Tutsi versteckt haben. Goma liegt nur knapp zwei Autostunden von Ruandas Hauptstadt Kigali entfernt. Solange diese Hutu-Miliz, die auch unter dem Namen Interahamwe bekannt ist, eine Bedrohung für Ruanda sind, dürfte dessen Präsident Paul Kagame im Ostkongo weiter mitmischen und sich dabei auch von der Androhung internationaler Sanktionen kaum beeindrucken lassen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-17

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