Der Rahmen schreitet fort, die Kulisse nicht
In Swakopmund, das is die Weltstadt von Bürgerbaas Juuso Kambueshe, behaupten die Leut´, se könnten vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Aber es gibt im südlichen Afrika noch eine Kommune mit kolonialem Anstrich, die Tsoaxhaobmund in dem Witterungsanspruch übertrifft: Grahamstown.
Die relativ kleine Provinzstadt der östlichen Kapprovinz ist ja in der Hauptsache eine Gründung britischer Siedler in Reinkultur, nachdem das Empire nach dem Krim-Krieg in der fernen Vorgeschichte des 19. Jahrhunderts - als die Deutschen noch keine eigenes Reich und keine Einigung unter ihren Königen und Fürsten hatten - arbeitslose Soldaten untergerbracht hat, denen zur Seite noch etwas armes Volk aus England mit Frauen und Kindern nachgeschickt wurde, damit sie im Ostkap möglichst heimisch werden sollten: die 1820 Settlers (Siedler - and all that). Außerdem und vor allem sollten die Siedler eine Bastion gegen die anbrandenden Xhosa des Ostkaps bilden, damit die britische Kapkolonie im Übrigen in Frieden leben konnte.
So entstand in Grahamstown über 150 Jahre eine englische Heimat, komplett mit stief Kirchen, Schulen in bester Tradition, mit einer Universität und einer eigenen Zeitung, gegr. 1869. Der koloniale Ursprung lässt sich recht gut mit Swakopmund vergleichen, aber die namibisch-deutsche Kommune hatte lediglich 25 reine Gründerjahre, derweil die Briten in Grahamstown über 150 Jahre ungetrübte „Arten- und Kulturpflege“ vornehmen konnten, so dass man die Stadt äußerlich unbeschadet und vor allem glatt und übergangslos irgendwo in die englische Parklandschaft verpflanzen könnte, ohne schwarze Wohnviertel der Apartheidszeit und ohne Squatterviertel der vergangenen 30 Jahre, versteht sich.
Abgesehen vom schwarzen Küchenpersonal und der marginalen Afrikaner-Buren-Gemeinschaft und außer der wechselnden Universitätsgemeinde sind die hellhäutigen Grahamstowner also immer unter sich geblieben. Dafür hatten sie sich übrigens viel Platz gegönnt. Mindestens zwei Straßen sind derart breit angelegt, dass ein Sechzehn-Spänner Ochsenwagen iesie darauf wenden kann oder konnte. Marginale Buren? Etwa 15 Jahre nach der Gründung von Grahamstown haben die wenigen Afrikaans-Sprechenden der Stadt so gegen 1835, darunter der prominente Trekführer Piet Retief, mos sowieso ihre Wagen gepackt und sind aus dem englischen Verwaltungsbereich der Kapkolonie weit ins Landesinnere abgehauen. Nun waren die Grahamstowner erst recht unter sich - abgesehen vom Dienstpersonal . Wenn Du willst kannst Du heute noch in Piet Retiefs Store an der High Street auf breiten Gelbholzdielen Kapwein oder Kaffee trinken und ein Karru-Hammelragout verspeisen.
Und heute?
Die Siedlernachfahren der Grahamstowner sind heute 2013 gar nich mehr unter sich, weil das schon deswegen nich möglich is, weil se wie Retief fast alle fortgezogen sind. Viktorianischen Giebel erinnern vielleicht noch an das eine oder andere Traditionsgeschäft, aber im Ladeninnern triffst Du als Geschäftsleute Chinesen und Pakistanis oder eben landesübliche südafrikanische Ladenketten an, die die beträchtliche Kaufkraft der Xhosa abschöpfen, aber keine hellhäutigen Grahamstowner mehr, British settler stock is gone. Gone with the wind.
Wie in Lüderitzbucht und Keetmanshoop zeugen historische Bauten noch von Aufbruch und Gründerjahren, aber die Leut´, die dazu gehören, sind huka woanders. Witterung, Jahreszeiten - meinetwegen vier an einem Tag - und das Ambiente der Gebäude geben der Stadt noch ein Flair, von dem sie lange leben wird. Mit dem Unterschied, dass ihre neuen zugezogenen Bewohner keine Kulturträger der Gründerjahre und ihrer Tradition sein können oder wollen.
Die Kulisse steht und bröckelt, aber die Zeit schreitet fort.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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