Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
8. Folge
Rennreiter in Südwest
Nach diesem ersten Rennen ging ich nun regelmäßig zu Schulze-Günther nach Claratal in die Lehre und zum Training. Hans, wie ich ihn mit Vornamen nennen durfte, war auf der Farm Claratal als Farmverwalter und Renntrainer angestellt. Der Besitzer, Herr Kurt Schmerenbeck, war zu der Zeit im Internierungslager Andalusien (Südafrika). Seine Frau Amie lebte auf Claratal und führte mit Hans zusammen die Farmerei. Amie war als Tiernärrin bekannt und hatte ungefähr 20 Hunde und die doppelte Anzahl Katzen ständig um sich herum. Da auch ich ein Hundenarr bin, haben wir uns sehr gut verstanden. Ich durfte auch immer meinen damaligen Pointer Moritz mitbringen. Moritz war ein Hühnerdieb, aber darüber später.
Claratal war eine sehr wildreiche Farm und natürlich kam mein Tesching mit. Jeden Morgen wurden die Rennpferde trainiert. Dabei waren auch mehrere junge Pferde, die ich meist reiten musste. Einige von ihnen waren voll Übermut und begannen beim geringsten Anlass zu toben und zu bocken. Wenn man dann mit kurzen Rennbügeln wie ein „Affe“ oben drauf sitzen muss, so dauert es meist nicht lange und man verlässt unfreiwillig den Minisattel, um mit dem harten Sattelplatzboden Bekanntschaft zu schließen. Außer groben Abschürf-ungen und Kopfschmerzen ist mir auf Claratal nie etwas Ernsthaftes passiert. In den ersten Wochen hatte ich Muskelkater. Hans war ein unerbittlicher Lehrer. Mit meinen langen Beinen war es anfangs nicht leicht, das Gleichgewicht im Rennsitz zu halten und mir taten Rücken, Hals- und Oberschenkelmuskeln oft so weh, dass ich kaum noch laufen konnte. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles, man wird topfit. Meine Halsmuskeln waren zu der Zeit dicker als mein Kopf. Wie schön war es doch, jung und gesund zu sein! Zu Hause trainierte ich auf meinen eigenen Rennpferden weiter.
Mit uns auf Claratal trainierte der Pferdejunge Hendrik. Er war Damara, ein ausgezeichneter, sehr kräftiger Pferdejunge, der keine Furcht kannte. Er hat damals viele Clarataler Pferde eingeritten. Morgens trainierten wir die Pferde, nachmittags durfte ich auf Jagd gehen. Alles Wild wurde durch Amie geschützt, ich durfte nur Perl- und Sandhühner schießen. Als Ausnahme, wenn kein Fleisch vorhanden war, durfte ich dann einen Einzelgänger Springbock schießen. Es wimmelte von Duikern und Steinböckchen auf der Farm, aber wehe, hätte ich auch nur eines schief angeguckt. Wie das bei mir so ist, wenn alles strengstens verboten ist, dann zwickt mich der Wildererteufel.
Die Ferien waren wieder einmal zu Ende und am nächsten Tag sollte es früh nach Hause gehen. Ich schoss abends vor der Abfahrt einen kapitalen Steinbock und hängte ihn nachts in der Nähe des Hauses zum Auskühlen an einen Baum. Früh morgens holte ich ihn in mein Zimmer und verstaute ihn in meinem Koffer. Dann ging’s ab nach Hause, dort luden wir die Koffer ab und Hans brachte mich zur Schule. Während ich in der Schule war, hatte meine Mutter die Koffer ausgepackt und den Steinbock entdeckt. Sie dachte, dass das alles legal wäre, rief Hans, der inzwischen wieder nach Claratal gefahren war, an und bedankte sich bei Hans für die Fürsorge während der Ferien und ... „für die Leiche im Koffer“. „Was für eine Leiche im Koffer?“ wollte er wissen. Meine Mutter merkte, dass sie einen groben Fehler gemacht hatte und erklärte ihm, was sie in meinem Koffer gefunden hatte. Er hat Amie nichts gesagt, war aber keineswegs sparsam mit sarkastischen Bemerkungen, wenn wir mal alleine waren.
Es war für mich immer fürchterlich langweilig von der Farm nach Windhoek zu reiten. Der Weg ist durchweg hart und die teuren Rennpferde durften nur Schritt geritten werden. Hendrik war jedes Mal dabei und ließ sich nicht bestechen. Nur eisern Schritt – Mr. Peter! Zur Kontrolle fuhr dann auch noch Hans mit dem Auto vorbei. Wenn mein Hintern vom Schrittreiten zuviel brannte, saß ich ab und führte lieber die Pferde; besser als oben zu sitzen und einzuschlafen. Nach dem Rennen mussten die Pferde dann wieder nach Claratal zurückgebracht werden. Im Großen und Ganzen habe ich bei Hans sehr viel gelernt und die Ferien auf Claratal waren immer wunderschön. Glücklicherweise war Hans mit der damaligen Schulleiterin der DHPS gut bekannt und konnte sie immer mal wieder besänftigen, wenn die Klagen über den Schüler Stark überhand nahmen. Wenn doch bloß die Schularbeiten nicht gewesen wären!
Je älter ich wurde, desto schwerer wurde ich, also hungerte und schwitzte ich. Ich wollte nicht klein beigeben, es nicht wahr haben, dass die Natur wider mich war. Ich hatte keineswegs eine Jockey Statur, war spindeldürr, wurde aber hoffnungslos zu groß und lang. Bei Mutter Kaschke ging ich in den Schwitz-kasten; dazu Hungerkuren, Brooklax (Abführmittel) essen als Nachspeise, mit Mänteln bekleidet im Klein Windhoek Rivier im Sand in der Mittagspause dauerlaufen, nichts half. Ich baute meinen eigenen Schwitzkasten; Ofen unter einem Tisch, alles zugemacht mit Decken und dann saß ich unterm Tisch in meinem eigenen Saft. Ich bekam ein nervöses Herz und Muskelschwund und der behandelnde Arzt, Dr. Waldemar Leitner, warnte mich und sagte, ich müsste mit der Hungerei aufhören. Meine Gesundheit ließ zu wünschen übrig und schweren Herzens sagte ich dem Rennsport ade. Mit ausschlaggebend war auch die Tatsache, dass die Rennen unehrlich geritten wurden. Anfangs ritt jeder, um zu gewinnen, aber dann kamen Buchmacher, Jockeys und Pferde-besitzer aus der Republik Südafrika, mit sehr zweifelhaftem Ruf in unser Land, den meisten war es in der Republik verboten im Rennbetrieb weiterzumachen, also kamen sie mit ihren Spritzen und Dopingmitteln über die Grenze nach Südwest. Die Pferde, die sie mitbrachten, waren „pedigree unknown“ (unbe-kannter Herkunft). Meist waren es in der Republik bekannte Rennpferde gewesen, die dann in Südwest gegen die Pferde der Farmgestüte liefen. Es machte keinen Spaß mehr. Als hiesiger Jockey musste man sich gegen die „Republikaner“ wehren. Die Methoden, die sie oft anwandten, konnten lebensgefährlich sein. Zum Beispiel: illegal kreuzen, des Gegners Pferd beim Aufrücken die Peitsche auf die Nase oder in die Augen schlagen, den Jockey anrempeln oder ihm von hinten die umgekehrte Peitsche unter den Hintern stoßen, des Gegners Sattel-decke festhalten, die Bügel des gegenüberliegenden Reiters hochreißen, um somit diesen Reiter aus dem Sattel zu lüpfen, den neben sich Reitenden „aus Versehen“ die Peitsche durchs Gesicht ziehen, im Rudel einschließen, usw. Dann das Verabreichen von Spritzen, stimulierende oder lähmende. Die Jockeys einigten sich vorher, wer gewinnen sollte, der Wetten wegen. Wer nicht mit-machte, wurde „eingeschlossen“, oder, wie ich soeben schilderte, „behandelt“.
Ich ließ mir das nicht gefallen und nach den Rennen gab es in der Umkleidebude, einem Wellblechraum, Dresche. Aus diesem Grunde ging ich dann zu Kurt Störmer in den Boxklub und lernte boxen. Auch diese Sportart wurde zu einer Leidenschaft bei mir.
Als ich 21 Jahre alt war, bin ich noch einmal mitgeritten. Es war mein allerletztes öffentliches Rennen. Außer mir ritten noch mehrere Schwergewichte. Es war ein 3 200 m langes Hindernisrennen. Ich ritt den Vollbluthengst Lucky Stone der Gräfin Resseguier und konnte das Rennen leicht gewinnen. Dies sollte ein anständiger Abschluss aus der Rennöffentlichkeit sein. Noch heute, nach so vielen Jahren, wenn ich vor dem Fernseher sitze und den Rennen zuschaue, packt es mich und ich reite in Gedanken mit.
Rennreiter in Südwest
Nach diesem ersten Rennen ging ich nun regelmäßig zu Schulze-Günther nach Claratal in die Lehre und zum Training. Hans, wie ich ihn mit Vornamen nennen durfte, war auf der Farm Claratal als Farmverwalter und Renntrainer angestellt. Der Besitzer, Herr Kurt Schmerenbeck, war zu der Zeit im Internierungslager Andalusien (Südafrika). Seine Frau Amie lebte auf Claratal und führte mit Hans zusammen die Farmerei. Amie war als Tiernärrin bekannt und hatte ungefähr 20 Hunde und die doppelte Anzahl Katzen ständig um sich herum. Da auch ich ein Hundenarr bin, haben wir uns sehr gut verstanden. Ich durfte auch immer meinen damaligen Pointer Moritz mitbringen. Moritz war ein Hühnerdieb, aber darüber später.
Claratal war eine sehr wildreiche Farm und natürlich kam mein Tesching mit. Jeden Morgen wurden die Rennpferde trainiert. Dabei waren auch mehrere junge Pferde, die ich meist reiten musste. Einige von ihnen waren voll Übermut und begannen beim geringsten Anlass zu toben und zu bocken. Wenn man dann mit kurzen Rennbügeln wie ein „Affe“ oben drauf sitzen muss, so dauert es meist nicht lange und man verlässt unfreiwillig den Minisattel, um mit dem harten Sattelplatzboden Bekanntschaft zu schließen. Außer groben Abschürf-ungen und Kopfschmerzen ist mir auf Claratal nie etwas Ernsthaftes passiert. In den ersten Wochen hatte ich Muskelkater. Hans war ein unerbittlicher Lehrer. Mit meinen langen Beinen war es anfangs nicht leicht, das Gleichgewicht im Rennsitz zu halten und mir taten Rücken, Hals- und Oberschenkelmuskeln oft so weh, dass ich kaum noch laufen konnte. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles, man wird topfit. Meine Halsmuskeln waren zu der Zeit dicker als mein Kopf. Wie schön war es doch, jung und gesund zu sein! Zu Hause trainierte ich auf meinen eigenen Rennpferden weiter.
Mit uns auf Claratal trainierte der Pferdejunge Hendrik. Er war Damara, ein ausgezeichneter, sehr kräftiger Pferdejunge, der keine Furcht kannte. Er hat damals viele Clarataler Pferde eingeritten. Morgens trainierten wir die Pferde, nachmittags durfte ich auf Jagd gehen. Alles Wild wurde durch Amie geschützt, ich durfte nur Perl- und Sandhühner schießen. Als Ausnahme, wenn kein Fleisch vorhanden war, durfte ich dann einen Einzelgänger Springbock schießen. Es wimmelte von Duikern und Steinböckchen auf der Farm, aber wehe, hätte ich auch nur eines schief angeguckt. Wie das bei mir so ist, wenn alles strengstens verboten ist, dann zwickt mich der Wildererteufel.
Die Ferien waren wieder einmal zu Ende und am nächsten Tag sollte es früh nach Hause gehen. Ich schoss abends vor der Abfahrt einen kapitalen Steinbock und hängte ihn nachts in der Nähe des Hauses zum Auskühlen an einen Baum. Früh morgens holte ich ihn in mein Zimmer und verstaute ihn in meinem Koffer. Dann ging’s ab nach Hause, dort luden wir die Koffer ab und Hans brachte mich zur Schule. Während ich in der Schule war, hatte meine Mutter die Koffer ausgepackt und den Steinbock entdeckt. Sie dachte, dass das alles legal wäre, rief Hans, der inzwischen wieder nach Claratal gefahren war, an und bedankte sich bei Hans für die Fürsorge während der Ferien und ... „für die Leiche im Koffer“. „Was für eine Leiche im Koffer?“ wollte er wissen. Meine Mutter merkte, dass sie einen groben Fehler gemacht hatte und erklärte ihm, was sie in meinem Koffer gefunden hatte. Er hat Amie nichts gesagt, war aber keineswegs sparsam mit sarkastischen Bemerkungen, wenn wir mal alleine waren.
Es war für mich immer fürchterlich langweilig von der Farm nach Windhoek zu reiten. Der Weg ist durchweg hart und die teuren Rennpferde durften nur Schritt geritten werden. Hendrik war jedes Mal dabei und ließ sich nicht bestechen. Nur eisern Schritt – Mr. Peter! Zur Kontrolle fuhr dann auch noch Hans mit dem Auto vorbei. Wenn mein Hintern vom Schrittreiten zuviel brannte, saß ich ab und führte lieber die Pferde; besser als oben zu sitzen und einzuschlafen. Nach dem Rennen mussten die Pferde dann wieder nach Claratal zurückgebracht werden. Im Großen und Ganzen habe ich bei Hans sehr viel gelernt und die Ferien auf Claratal waren immer wunderschön. Glücklicherweise war Hans mit der damaligen Schulleiterin der DHPS gut bekannt und konnte sie immer mal wieder besänftigen, wenn die Klagen über den Schüler Stark überhand nahmen. Wenn doch bloß die Schularbeiten nicht gewesen wären!
Je älter ich wurde, desto schwerer wurde ich, also hungerte und schwitzte ich. Ich wollte nicht klein beigeben, es nicht wahr haben, dass die Natur wider mich war. Ich hatte keineswegs eine Jockey Statur, war spindeldürr, wurde aber hoffnungslos zu groß und lang. Bei Mutter Kaschke ging ich in den Schwitz-kasten; dazu Hungerkuren, Brooklax (Abführmittel) essen als Nachspeise, mit Mänteln bekleidet im Klein Windhoek Rivier im Sand in der Mittagspause dauerlaufen, nichts half. Ich baute meinen eigenen Schwitzkasten; Ofen unter einem Tisch, alles zugemacht mit Decken und dann saß ich unterm Tisch in meinem eigenen Saft. Ich bekam ein nervöses Herz und Muskelschwund und der behandelnde Arzt, Dr. Waldemar Leitner, warnte mich und sagte, ich müsste mit der Hungerei aufhören. Meine Gesundheit ließ zu wünschen übrig und schweren Herzens sagte ich dem Rennsport ade. Mit ausschlaggebend war auch die Tatsache, dass die Rennen unehrlich geritten wurden. Anfangs ritt jeder, um zu gewinnen, aber dann kamen Buchmacher, Jockeys und Pferde-besitzer aus der Republik Südafrika, mit sehr zweifelhaftem Ruf in unser Land, den meisten war es in der Republik verboten im Rennbetrieb weiterzumachen, also kamen sie mit ihren Spritzen und Dopingmitteln über die Grenze nach Südwest. Die Pferde, die sie mitbrachten, waren „pedigree unknown“ (unbe-kannter Herkunft). Meist waren es in der Republik bekannte Rennpferde gewesen, die dann in Südwest gegen die Pferde der Farmgestüte liefen. Es machte keinen Spaß mehr. Als hiesiger Jockey musste man sich gegen die „Republikaner“ wehren. Die Methoden, die sie oft anwandten, konnten lebensgefährlich sein. Zum Beispiel: illegal kreuzen, des Gegners Pferd beim Aufrücken die Peitsche auf die Nase oder in die Augen schlagen, den Jockey anrempeln oder ihm von hinten die umgekehrte Peitsche unter den Hintern stoßen, des Gegners Sattel-decke festhalten, die Bügel des gegenüberliegenden Reiters hochreißen, um somit diesen Reiter aus dem Sattel zu lüpfen, den neben sich Reitenden „aus Versehen“ die Peitsche durchs Gesicht ziehen, im Rudel einschließen, usw. Dann das Verabreichen von Spritzen, stimulierende oder lähmende. Die Jockeys einigten sich vorher, wer gewinnen sollte, der Wetten wegen. Wer nicht mit-machte, wurde „eingeschlossen“, oder, wie ich soeben schilderte, „behandelt“.
Ich ließ mir das nicht gefallen und nach den Rennen gab es in der Umkleidebude, einem Wellblechraum, Dresche. Aus diesem Grunde ging ich dann zu Kurt Störmer in den Boxklub und lernte boxen. Auch diese Sportart wurde zu einer Leidenschaft bei mir.
Als ich 21 Jahre alt war, bin ich noch einmal mitgeritten. Es war mein allerletztes öffentliches Rennen. Außer mir ritten noch mehrere Schwergewichte. Es war ein 3 200 m langes Hindernisrennen. Ich ritt den Vollbluthengst Lucky Stone der Gräfin Resseguier und konnte das Rennen leicht gewinnen. Dies sollte ein anständiger Abschluss aus der Rennöffentlichkeit sein. Noch heute, nach so vielen Jahren, wenn ich vor dem Fernseher sitze und den Rennen zuschaue, packt es mich und ich reite in Gedanken mit.
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Allgemeine Zeitung
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