Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
10. Folge
Die erste und einzige Trunkenheit – Teil 2/2
Da ich mit dem Wurstmachen noch nicht fertig war, wollte ich etwas später nachkommen. Ich sollte das Fleisch mitbringen, die Freunde würden für die Getränke sorgen. Meine Mutter, die von den anderen Getränken nichts wusste, gab mir noch gut gemeint eine Flasche Rotwein mit ... um Glühwein zu machen! So kam ich dann, beladen mit Bratwurst und Rotwein, im Dunkeln bei der Höhle an. Das Feuer brannte schon, auf dem Feuer stand ein großer Kessel, aus dem es herrlich dampfte. Der Rotwein wurde dazugegossen. Wir waren sehr fröhlich und lustig, so eine richtige Halbstarkenparty. Ich hatte einen Mordshunger und Durst, war todmüde von der Schlepperei. Ich langte ordentlich zu, auch aus dem Inhalt des Kessels. Was wirklich in dem Kessel war, habe ich erst viel später erfahren. Wegen der Kälte hatte ich eine dicke Schafpelzjacke an, Gott sei Dank!
Wir saßen alle in der Hocke ums Feuer, als plötzlich alles schwankte. Das Feuer bewegte sich auf und ab, die umsitzenden Freunde sich vor und zurück, die Felswand über mir war mal nah, mal fern. In den Ohren hatte ich ein verdächtiges Sausen. Ich dachte noch: ist das so, wenn man betrunken ist? Als ich aufstehen wollte, hatte ich keine Kraft in den Beinen und fiel der Länge nach mitten ins Feuer. Es war noch einmal gutgegangen. Die Kameraden lachten und grölten. Ich wurde sehr still, denn ich schämte mich. Endlich war es soweit, dass man sich nach Hause verzog. Meine Freunde wollten mich nach Hause bringen, aber es war mir peinlich. Ich lehnte ab mit der Ausrede, dass ich in der Höhle übernachten wolle. Als sie endlich fort waren, sagte ich mir: So, Stark, jetzt musst du nach Hause, koste es was es wolle! Aufrecht zu gehen wie ein normaler Mensch, war nicht möglich, also auf allen Vieren vorwärts. Nun war es so, dass die Höhle ziemlich hoch in einer Felswand gelegen war und man ganz schön klettern musste, um in die Höhle zu gelangen. Als ich nun über den Rand der Höhle im Mondschein nach unten sah, schien der Untergrund nicht allzu weit. Ich dachte bei mir – das Ende kannst du wohl springen. Es schien eine unendlich weite Luftreise bis ich endlich krachend unten in einem Busch landete. Die Puste blieb mir eine Zeitlang weg, als ich endlich wieder atmen konnte, ging die Reise so weiter. Den Betrunkenen behütet ein Schutzengel. In der Fläche, Richtung Haus angekommen, lief der Zaun des Pferdkamps vor dem Haus vorbei. Dieser Zaun musste noch überwunden werden. Mühsam zog ich mich hoch, wie aber auf der anderen Seite wieder runter? Fest entschlossen kletterte ich hoch und ließ mich einfach auf die andere Seite fallen. Gut gedacht, aber in der Praxis nicht immer erfolgreich: Ich blieb wie ein Kudu zwischen dem obersten und folgenden Draht im Zaun hängen. Da lag ich nun auf der anderen Seite auf dem Rücken, linkes Bein frei, das Rechte in den obersten Drähten verklemmt. Der Vollmond lachte mir zwinkernd ins Gesicht, richtig schadenfroh. Ich strampelte und zerrte wie ein Irrer an dem Bein, bis endlich der Schuh nachgab und ich nach vielen Bemühungen das Bein frei hatte. Der geplatzte Schuh blieb als Mahnmal oben hängen. Klopfenden Herzens und auf allen Vieren ging es weiter. Endlich an der Haustür, gedachte ich meiner gestrengen Mutter. Ganz leise öffnete ich die Tür und schlich wie ein verdroschener Köter über die knarrenden Zebrafelle, die ich damals stolz von Narachaams mitgebracht hatte, durchs lange Zimmer auf mein Bett, das an der gegenüberliegenden Wand stand. Endlich konnte ich mich hinlegen – dachte ich!! Alles drehte sich im Kreise. Im Bauch begann ein verdächtiges Rumoren. Die Zunge drückte immer höher gegen den Gaumen. Ich übergebe mich selten, aber dann mit einem Geröhr wie ein Ochse, der vom Löwen gefangen ist. Ich wollte aufrecht aus dem Zimmer rennen, aber Pustekuchen – wie ein gefällter Baum schlug ich hin – und dann war es soweit. Endlich war ich fertig und eine zeitlang erleichtert. Leise, so dachte ich, kroch ich über die Zebrafelle wieder ins Bett. Kaum lag ich im Bett, hörte ich nebenan im Musikzimmer eilige Schritte. Die Tür wurde aufgerissen, jemand roch vernehmlich durch die Nase und sagte dann sehr laut und deutlich: „Du Schwein!“ Danach wurde die Tür wieder zugeknallt. Etwas später wurde dieselbe Tür wieder geöffnet und meine Mutter begab sich wortlos in das gegenüberliegende Badezimmer. Ich hörte nur wie der Wasserhahn von der Badewanne voll aufgedreht wurde. Noch ahnte ich nichts Böses. Dann plötzlich griff eine feste Hand mich in der Dunkelheit am Kragen mit dem Kommentar: „Komm mein Sohn, wir gehen baden!“ Ich folgte ihr willenlos, ich war ja soooo krank! Im Badezimmer musste ich mich ausziehen, ins Bad wurde mir nachgeholfen denn – das Wasser war eiseiskalt! Es war ja Winter! Im Bad musste ich mich selbst sauber schrubben, mit laufenden Kommentaren, die ich in diesem Buch lieber nicht wiedergebe. Endlich durfte ich mich wieder abtrocknen und anziehen und `rein ins Bett, im frischen Schlafanzug. Die Pferdekur hatte geholfen. Die Nacht, die folgte, war schrecklich. Alles kreiste in meinem Kopf und immer wieder musste ich das Zimmer verlassen, um meine Arien draußen zu singen. An Schlaf war nicht zu denken. Als dann der nächste Morgen anbrach, fühlte ich mich ernsthaft krank und tat mir selbst äußerst leid. Ich fühlte mich so elend, dass ich daran dachte, nicht in die Schule zu gehen. Denkste! Ganz entgegen ihrer Gewohnheit kam meine Mutter früh ins Zimmer mit einer Tasse schwarzen, heißem Kaffee und fröhlich rief sie: „Auf, auf mein Jung, sonst kommst du zu spät in die Schule!“ Als ich meine Krankheit vorschützen wollte, kam nur der kurze Kommentar: „Nein, nein, kommt gar nicht in Frage; wer saufen will, muss auch die Folgen wie ein Mann tragen können. Mach bloß schnell, du hast nicht mehr viel Zeit zu verlieren!“ Gnadenlos, ohne weitere Entschuldigungen, musste ich in die Schule! Als ich nach Hause geschickt wurde, sah ich schon von weitem meine Bettlaken auf der Wäsche-leine. Gott sei Dank, dachte ich, die sind wenigstens gewaschen. Denkste, die hingen nur zum Auslüften auf der Leine. Kaum war ich zu Hause, bekam ich meine Anweisungen: All’ die Wäsche, die beschmutzt wurde, musste schön sauber mit der Hand gewaschen werden, das Zimmer ausgeräumt, ausgefegt, mit Wasser und Desinfektionsmitteln und Seife geschrubbt und gewaschen und schließlich natürlich alles wieder eingeräumt werden. Immer wieder kam meine Mutter und hielt Inspektion. Irgendetwas zu umgehen war unmöglich. Bis zum Abend dauerte das Reinemachen, trotz allen Elends. Schon lange erbrach ich nur noch Galle; ich hatte wohl eine handfeste Alkoholvergiftung. Später hörte ich, dass meine Mitgesellen eine Flasche Branntwein mit in den Glühwein gegossen hatten.
Die erste und einzige Trunkenheit – Teil 2/2
Da ich mit dem Wurstmachen noch nicht fertig war, wollte ich etwas später nachkommen. Ich sollte das Fleisch mitbringen, die Freunde würden für die Getränke sorgen. Meine Mutter, die von den anderen Getränken nichts wusste, gab mir noch gut gemeint eine Flasche Rotwein mit ... um Glühwein zu machen! So kam ich dann, beladen mit Bratwurst und Rotwein, im Dunkeln bei der Höhle an. Das Feuer brannte schon, auf dem Feuer stand ein großer Kessel, aus dem es herrlich dampfte. Der Rotwein wurde dazugegossen. Wir waren sehr fröhlich und lustig, so eine richtige Halbstarkenparty. Ich hatte einen Mordshunger und Durst, war todmüde von der Schlepperei. Ich langte ordentlich zu, auch aus dem Inhalt des Kessels. Was wirklich in dem Kessel war, habe ich erst viel später erfahren. Wegen der Kälte hatte ich eine dicke Schafpelzjacke an, Gott sei Dank!
Wir saßen alle in der Hocke ums Feuer, als plötzlich alles schwankte. Das Feuer bewegte sich auf und ab, die umsitzenden Freunde sich vor und zurück, die Felswand über mir war mal nah, mal fern. In den Ohren hatte ich ein verdächtiges Sausen. Ich dachte noch: ist das so, wenn man betrunken ist? Als ich aufstehen wollte, hatte ich keine Kraft in den Beinen und fiel der Länge nach mitten ins Feuer. Es war noch einmal gutgegangen. Die Kameraden lachten und grölten. Ich wurde sehr still, denn ich schämte mich. Endlich war es soweit, dass man sich nach Hause verzog. Meine Freunde wollten mich nach Hause bringen, aber es war mir peinlich. Ich lehnte ab mit der Ausrede, dass ich in der Höhle übernachten wolle. Als sie endlich fort waren, sagte ich mir: So, Stark, jetzt musst du nach Hause, koste es was es wolle! Aufrecht zu gehen wie ein normaler Mensch, war nicht möglich, also auf allen Vieren vorwärts. Nun war es so, dass die Höhle ziemlich hoch in einer Felswand gelegen war und man ganz schön klettern musste, um in die Höhle zu gelangen. Als ich nun über den Rand der Höhle im Mondschein nach unten sah, schien der Untergrund nicht allzu weit. Ich dachte bei mir – das Ende kannst du wohl springen. Es schien eine unendlich weite Luftreise bis ich endlich krachend unten in einem Busch landete. Die Puste blieb mir eine Zeitlang weg, als ich endlich wieder atmen konnte, ging die Reise so weiter. Den Betrunkenen behütet ein Schutzengel. In der Fläche, Richtung Haus angekommen, lief der Zaun des Pferdkamps vor dem Haus vorbei. Dieser Zaun musste noch überwunden werden. Mühsam zog ich mich hoch, wie aber auf der anderen Seite wieder runter? Fest entschlossen kletterte ich hoch und ließ mich einfach auf die andere Seite fallen. Gut gedacht, aber in der Praxis nicht immer erfolgreich: Ich blieb wie ein Kudu zwischen dem obersten und folgenden Draht im Zaun hängen. Da lag ich nun auf der anderen Seite auf dem Rücken, linkes Bein frei, das Rechte in den obersten Drähten verklemmt. Der Vollmond lachte mir zwinkernd ins Gesicht, richtig schadenfroh. Ich strampelte und zerrte wie ein Irrer an dem Bein, bis endlich der Schuh nachgab und ich nach vielen Bemühungen das Bein frei hatte. Der geplatzte Schuh blieb als Mahnmal oben hängen. Klopfenden Herzens und auf allen Vieren ging es weiter. Endlich an der Haustür, gedachte ich meiner gestrengen Mutter. Ganz leise öffnete ich die Tür und schlich wie ein verdroschener Köter über die knarrenden Zebrafelle, die ich damals stolz von Narachaams mitgebracht hatte, durchs lange Zimmer auf mein Bett, das an der gegenüberliegenden Wand stand. Endlich konnte ich mich hinlegen – dachte ich!! Alles drehte sich im Kreise. Im Bauch begann ein verdächtiges Rumoren. Die Zunge drückte immer höher gegen den Gaumen. Ich übergebe mich selten, aber dann mit einem Geröhr wie ein Ochse, der vom Löwen gefangen ist. Ich wollte aufrecht aus dem Zimmer rennen, aber Pustekuchen – wie ein gefällter Baum schlug ich hin – und dann war es soweit. Endlich war ich fertig und eine zeitlang erleichtert. Leise, so dachte ich, kroch ich über die Zebrafelle wieder ins Bett. Kaum lag ich im Bett, hörte ich nebenan im Musikzimmer eilige Schritte. Die Tür wurde aufgerissen, jemand roch vernehmlich durch die Nase und sagte dann sehr laut und deutlich: „Du Schwein!“ Danach wurde die Tür wieder zugeknallt. Etwas später wurde dieselbe Tür wieder geöffnet und meine Mutter begab sich wortlos in das gegenüberliegende Badezimmer. Ich hörte nur wie der Wasserhahn von der Badewanne voll aufgedreht wurde. Noch ahnte ich nichts Böses. Dann plötzlich griff eine feste Hand mich in der Dunkelheit am Kragen mit dem Kommentar: „Komm mein Sohn, wir gehen baden!“ Ich folgte ihr willenlos, ich war ja soooo krank! Im Badezimmer musste ich mich ausziehen, ins Bad wurde mir nachgeholfen denn – das Wasser war eiseiskalt! Es war ja Winter! Im Bad musste ich mich selbst sauber schrubben, mit laufenden Kommentaren, die ich in diesem Buch lieber nicht wiedergebe. Endlich durfte ich mich wieder abtrocknen und anziehen und `rein ins Bett, im frischen Schlafanzug. Die Pferdekur hatte geholfen. Die Nacht, die folgte, war schrecklich. Alles kreiste in meinem Kopf und immer wieder musste ich das Zimmer verlassen, um meine Arien draußen zu singen. An Schlaf war nicht zu denken. Als dann der nächste Morgen anbrach, fühlte ich mich ernsthaft krank und tat mir selbst äußerst leid. Ich fühlte mich so elend, dass ich daran dachte, nicht in die Schule zu gehen. Denkste! Ganz entgegen ihrer Gewohnheit kam meine Mutter früh ins Zimmer mit einer Tasse schwarzen, heißem Kaffee und fröhlich rief sie: „Auf, auf mein Jung, sonst kommst du zu spät in die Schule!“ Als ich meine Krankheit vorschützen wollte, kam nur der kurze Kommentar: „Nein, nein, kommt gar nicht in Frage; wer saufen will, muss auch die Folgen wie ein Mann tragen können. Mach bloß schnell, du hast nicht mehr viel Zeit zu verlieren!“ Gnadenlos, ohne weitere Entschuldigungen, musste ich in die Schule! Als ich nach Hause geschickt wurde, sah ich schon von weitem meine Bettlaken auf der Wäsche-leine. Gott sei Dank, dachte ich, die sind wenigstens gewaschen. Denkste, die hingen nur zum Auslüften auf der Leine. Kaum war ich zu Hause, bekam ich meine Anweisungen: All’ die Wäsche, die beschmutzt wurde, musste schön sauber mit der Hand gewaschen werden, das Zimmer ausgeräumt, ausgefegt, mit Wasser und Desinfektionsmitteln und Seife geschrubbt und gewaschen und schließlich natürlich alles wieder eingeräumt werden. Immer wieder kam meine Mutter und hielt Inspektion. Irgendetwas zu umgehen war unmöglich. Bis zum Abend dauerte das Reinemachen, trotz allen Elends. Schon lange erbrach ich nur noch Galle; ich hatte wohl eine handfeste Alkoholvergiftung. Später hörte ich, dass meine Mitgesellen eine Flasche Branntwein mit in den Glühwein gegossen hatten.
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Allgemeine Zeitung
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