Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
23. Folge
Alltag auf Onguma
Mit meinen Pferden war ich zu einem Turnier gefahren. Einen Tag vor meiner Rückkehr nach Onguma hatte eine Löwin dort ein Rind gerissen. Ich hörte davon erst am Nachmittag jenes Tages. Ich ging zu dem Riss und beschaute mir das Rind. Es war eine einzelne Löwin, die viel Fleisch von dem Rind gefressen hatte. Ihre Spuren führten auf die Nachbarfarm, Vergenoeg. Diese Farm grenzt mit ihrer Nordgrenze auch an Etosha. Nicht weit von der Nordgrenze liegt im Wildreservat eine beständige Quelle, Twee Palms (Zwei Palmen). Dort stehen schon viele, viele Jahre zwei wunderschöne Makalanipalmen, daher der Name. Twee Palms liegt sehr nahe an Ongumas Westgrenze. Damals waren die Farmen noch nicht eingezäunt und der Weg von Namutoni nach Onguma führte direkt an der Wasserstelle vorbei. Das meiste Wild von der Farm Vergenoeg, aber auch von Onguma, schöpfte an dieser Quelle. Da die Löwin sehr viel Fleisch gefressen hatte, war mir klar, dass sie nachts bei Twee Palms Wasser schöpfen würde. Ich beschloss, mich dort anzusetzen und auf die Löwin zu warten. Meine .303 hatte kein Zielfernrohr, deshalb bat ich Herrn Böhme, mir seine 7 mm Mauser mit Nachtglas zu leihen. Er gab sie mir bereitwillig. Das Gewehr hatte einen ellenlangen Kolben und war mir außerordentlich unhandlich, schoss aber sehr genau.
Zufällig war an jenem Abend Familie Böhme zur Geburtstagsfeier des Sergeant le Roux auf Namutoni eingeladen. Frau Ella Böhme fuhr mit dem Jeep dorthin und da der Weg direkt bei den Zwei Palmen entlangführte, nahmen Böhmes mich mit. Ich hatte auch eine Decke mitgenommen, da es nachts sehr kalt wurde. Bei Sonnuntergang setzte ich mich am Fuße einer der beiden Palmen nieder. Glücklicherweise war gerade Vollmond. Erst hatte ich den Palmenstamm als Rückenlehne benutzt. Die Entfernung von mir bis zur Wasserstelle betrug ungefähr 20 Meter. Sehr viele Tiere kamen zum Wasser, hauptsächlich Gnus, Zebras und Giraffen. Zuerst kamen die Nachtflughühner um zu schöpften. Es war eine Stimmung des Friedens. Es wurde immer später. Der Wind stand sehr günstig für mich, noch kein Tier hatte mich entdeckt. Ich legte mich vorsichtig auf den Rücken, um zu lauschen. Sollte ein Löwe kommen, würde alles in Panik mit großem Getöse flüchten, dann war immer noch genügend Zeit mich wieder aufrecht zu setzen. Plötzlich flüchteten Gnus und Zebras mit lautem Warnungsschnauben. Von Richtung Vergenoeg kam eine gelbe Silhouette, die sich beim Näherkommen als große Löwin entpuppte. Das Gewehr war bereits durchgeladen und ich nahm die Löwin im Nachtglas auf. Als sie den Kopf senkte, um zu schöpfen, schoss ich aufs Blatt. Die Löwin sprang in die Luft, brüllte und begann mit einem Höllentanz. Ich wusste, dass die 7 mm ein sehr schnelles, kleinkalibriges Geschoss hatte, also nicht das ideale Gewehr für Löwenjagd. Deshalb verhielt ich mich weiterhin in der sitzenden Position, mucksmäuschenstill. Von Twee Palms aus kann man bis Namutoni sehen. Die Landschaft ist völlig flach. Kurz nach dem Schuss flammten bei Namutoni Lichter auf und ein Auto fuhr in meine Richtung. Wenn man im Wildreservat geschossen hat, hat man automatisch ein schlechtes Gewissen und sieht oft allerlei Gespenster. Als ich die Lichter kurz nach dem Schuss sah, kam in mir die Frage auf, ob die Polizei in Namutoni den Schuss gehört hätte und zu einer Untersuchung käme. Die Löwin hatte sich ausgetobt und hatte sich ausgerechnet in eine der Padfurchen gelegt. Sie lag still auf der Seite, jedoch traute ich dem Frieden nicht, da ich ihre Sterbenslaute noch nicht gehört hatte. Und so war es dann auch – plötzlich richtete sie sich mit wütendem Aufbrüllen auf ihren Vordertatzen auf und fauchte mich boshaft an. Mich durchfuhr ein eisiger Schreck. Als ich nach ihrem Kopf zielte, beschrieb das Zielfernrohr schöne runde Kreise um den Löwenkopf. Das Gewehr war für mich hoffnungslos zu lang, an einen sicheren Schuss war gar nicht zu denken. Die Entfernung betrug ungefähr 15 Meter. Langsam, Schritt für Schritt, das Gesicht der Löwin zugewandt, bewegte ich mich, ohne mich umzudrehen, zu meiner Palme zurück und setzte mich wieder. Die Löwin knurrte und fauchte noch ein paar Mal und ließ den Vorderkörper wieder sinken. Dann lag sie still. Ich zitterte vor Aufregung wie Espenlaub. Hinter mir, von Namutoni, kam das Auto näher. Das Motorengeräusch war unbekannt, es war nicht Ellas Jeep! Da, endlich, hörte ich das Klagen vor mir und die Löwin verendete. Jetzt musste schnellstens gehandelt werden. Erst einmal musste die Löwin aus der Autospur geräumt werden. Ich nahm meine graugrüne Decke, eine günstige Farbe, und warf das Gewehr unter einen mickerigen Strauch, der von Kudus und Gnus vollkommen zerzaust war. Es war ein dürftiger Busch, aber in der Not greift der Ertrinkende nach einem Strohhalm. Dann raste ich zur Löwin und rollte sie aus dem Autoweg, sie lag ungefähr zwei Meter neben dem Weg. Ich warf die Decke über sie und danach fieberhaft Sand auf die Decke in der Hoffnung, dass man den Sandhaufen als Termitenhügel ansehen würde. Ich war noch nicht fertig mit dem Sandhaufen, als die ersten Scheinwerferlichter auf mich fielen. Der Autoweg war sehr holprig, infolgedessen fiel noch kein stetes Licht auf mich. Zum Aufstehen war es auch schon zu spät. Auf allen Vieren, in der Hoffnung als Tier angesehen zu werden, kroch ich zu dem Busch, unter dem das Gewehr lag. Ich ließ mich mit meiner linken Seite auf das Gewehr fallen. Die Bekanntschaft meiner Hüfte mit dem Schiessbügel war deutlich und recht hart. So lag ich nun auf dem Gewehr in der Hoffnung, dass kein auffallendes Blinken des Gewehrlaufs im Mondlicht mich verraten würde.
Das Auto fuhr vom Wege ab zur Quelle hin und hielt ungefähr zehn Schritt vor mir. Ich dachte, man hätte mich gesehen, wie ich auf allen Vieren von der toten Löwin wegkroch. Beinahe wäre ich mit hocherhobenen Händen aufgestanden, harrte aber in meiner Position aus. Aus dem Auto stieg der junge Konstabel, er ging auf ungefähr fünf Schritt an mir vorbei. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und ich dachte, dass der Polizist das hören müsste. Jeden Augenblick erwartete ich seine Stimme: „Hey, staan op!“ (Steh auf!“) Ich sah die Hosenbeine des Polizisten um seine schwarzen Strümpfe schlackern. Er ging jedoch ohne zu stocken an mir vorbei zur Wasserstelle hin. Dort angekommen, rief er zum Auto hin: „Kom, ons gaan swem.“ (Kommt, wir wollen schwimmen gehen) Vom Auto her kamen lachende Frauenstimmen „Jy is mal, man, kom terug.“ (Du bist verrückt, komm zurück.) Ein Chor süßer Engelstimmen hätte mir nicht schöner klingen können. Zum ersten Mal merkte ich, dass es Besucher von der Geburtstagsfeier sein mussten, die wahrscheinlich Wild sehen wollten. Dem Gelächter nach mussten alle gut gebechert haben. Der junge Polizist ging zum Auto und fuhr den Weg zurück. Ein Wunder war geschehen! Noch heute ist es mir ein Rätsel, dass der Polizist mich nicht unter dem dünnen Strauch entdeckt hat. Hatte er zuviel getrunken?
Eine Weile später kamen Böhmes mit dem Jeep angefahren. Ich hielt sie an, wir luden schnell die Löwin auf das Auto und verwischten, so gut es ging, alle Spuren. Frau Böhme lachte herzlich über meine Geschichte mit dem Polizisten. Am nächsten Morgen kam der schwarze Sergeant Anton vorbei, um ein Farmtor in Onguma einzukaufen. Von Zampa erfuhr ich, dass er sich über die Blutspuren im Sand neben dem Weg bei den zwei Palmen gewundert habe, aber dass er nichts Genaues hat feststellen können. An dem Mageninhalt der Löwin konnte ich später feststellen, dass es die richtige Löwin war. Der Magen war voll Rindfleisch und mit Rinderhaaren angefüllt.
Alltag auf Onguma
Mit meinen Pferden war ich zu einem Turnier gefahren. Einen Tag vor meiner Rückkehr nach Onguma hatte eine Löwin dort ein Rind gerissen. Ich hörte davon erst am Nachmittag jenes Tages. Ich ging zu dem Riss und beschaute mir das Rind. Es war eine einzelne Löwin, die viel Fleisch von dem Rind gefressen hatte. Ihre Spuren führten auf die Nachbarfarm, Vergenoeg. Diese Farm grenzt mit ihrer Nordgrenze auch an Etosha. Nicht weit von der Nordgrenze liegt im Wildreservat eine beständige Quelle, Twee Palms (Zwei Palmen). Dort stehen schon viele, viele Jahre zwei wunderschöne Makalanipalmen, daher der Name. Twee Palms liegt sehr nahe an Ongumas Westgrenze. Damals waren die Farmen noch nicht eingezäunt und der Weg von Namutoni nach Onguma führte direkt an der Wasserstelle vorbei. Das meiste Wild von der Farm Vergenoeg, aber auch von Onguma, schöpfte an dieser Quelle. Da die Löwin sehr viel Fleisch gefressen hatte, war mir klar, dass sie nachts bei Twee Palms Wasser schöpfen würde. Ich beschloss, mich dort anzusetzen und auf die Löwin zu warten. Meine .303 hatte kein Zielfernrohr, deshalb bat ich Herrn Böhme, mir seine 7 mm Mauser mit Nachtglas zu leihen. Er gab sie mir bereitwillig. Das Gewehr hatte einen ellenlangen Kolben und war mir außerordentlich unhandlich, schoss aber sehr genau.
Zufällig war an jenem Abend Familie Böhme zur Geburtstagsfeier des Sergeant le Roux auf Namutoni eingeladen. Frau Ella Böhme fuhr mit dem Jeep dorthin und da der Weg direkt bei den Zwei Palmen entlangführte, nahmen Böhmes mich mit. Ich hatte auch eine Decke mitgenommen, da es nachts sehr kalt wurde. Bei Sonnuntergang setzte ich mich am Fuße einer der beiden Palmen nieder. Glücklicherweise war gerade Vollmond. Erst hatte ich den Palmenstamm als Rückenlehne benutzt. Die Entfernung von mir bis zur Wasserstelle betrug ungefähr 20 Meter. Sehr viele Tiere kamen zum Wasser, hauptsächlich Gnus, Zebras und Giraffen. Zuerst kamen die Nachtflughühner um zu schöpften. Es war eine Stimmung des Friedens. Es wurde immer später. Der Wind stand sehr günstig für mich, noch kein Tier hatte mich entdeckt. Ich legte mich vorsichtig auf den Rücken, um zu lauschen. Sollte ein Löwe kommen, würde alles in Panik mit großem Getöse flüchten, dann war immer noch genügend Zeit mich wieder aufrecht zu setzen. Plötzlich flüchteten Gnus und Zebras mit lautem Warnungsschnauben. Von Richtung Vergenoeg kam eine gelbe Silhouette, die sich beim Näherkommen als große Löwin entpuppte. Das Gewehr war bereits durchgeladen und ich nahm die Löwin im Nachtglas auf. Als sie den Kopf senkte, um zu schöpfen, schoss ich aufs Blatt. Die Löwin sprang in die Luft, brüllte und begann mit einem Höllentanz. Ich wusste, dass die 7 mm ein sehr schnelles, kleinkalibriges Geschoss hatte, also nicht das ideale Gewehr für Löwenjagd. Deshalb verhielt ich mich weiterhin in der sitzenden Position, mucksmäuschenstill. Von Twee Palms aus kann man bis Namutoni sehen. Die Landschaft ist völlig flach. Kurz nach dem Schuss flammten bei Namutoni Lichter auf und ein Auto fuhr in meine Richtung. Wenn man im Wildreservat geschossen hat, hat man automatisch ein schlechtes Gewissen und sieht oft allerlei Gespenster. Als ich die Lichter kurz nach dem Schuss sah, kam in mir die Frage auf, ob die Polizei in Namutoni den Schuss gehört hätte und zu einer Untersuchung käme. Die Löwin hatte sich ausgetobt und hatte sich ausgerechnet in eine der Padfurchen gelegt. Sie lag still auf der Seite, jedoch traute ich dem Frieden nicht, da ich ihre Sterbenslaute noch nicht gehört hatte. Und so war es dann auch – plötzlich richtete sie sich mit wütendem Aufbrüllen auf ihren Vordertatzen auf und fauchte mich boshaft an. Mich durchfuhr ein eisiger Schreck. Als ich nach ihrem Kopf zielte, beschrieb das Zielfernrohr schöne runde Kreise um den Löwenkopf. Das Gewehr war für mich hoffnungslos zu lang, an einen sicheren Schuss war gar nicht zu denken. Die Entfernung betrug ungefähr 15 Meter. Langsam, Schritt für Schritt, das Gesicht der Löwin zugewandt, bewegte ich mich, ohne mich umzudrehen, zu meiner Palme zurück und setzte mich wieder. Die Löwin knurrte und fauchte noch ein paar Mal und ließ den Vorderkörper wieder sinken. Dann lag sie still. Ich zitterte vor Aufregung wie Espenlaub. Hinter mir, von Namutoni, kam das Auto näher. Das Motorengeräusch war unbekannt, es war nicht Ellas Jeep! Da, endlich, hörte ich das Klagen vor mir und die Löwin verendete. Jetzt musste schnellstens gehandelt werden. Erst einmal musste die Löwin aus der Autospur geräumt werden. Ich nahm meine graugrüne Decke, eine günstige Farbe, und warf das Gewehr unter einen mickerigen Strauch, der von Kudus und Gnus vollkommen zerzaust war. Es war ein dürftiger Busch, aber in der Not greift der Ertrinkende nach einem Strohhalm. Dann raste ich zur Löwin und rollte sie aus dem Autoweg, sie lag ungefähr zwei Meter neben dem Weg. Ich warf die Decke über sie und danach fieberhaft Sand auf die Decke in der Hoffnung, dass man den Sandhaufen als Termitenhügel ansehen würde. Ich war noch nicht fertig mit dem Sandhaufen, als die ersten Scheinwerferlichter auf mich fielen. Der Autoweg war sehr holprig, infolgedessen fiel noch kein stetes Licht auf mich. Zum Aufstehen war es auch schon zu spät. Auf allen Vieren, in der Hoffnung als Tier angesehen zu werden, kroch ich zu dem Busch, unter dem das Gewehr lag. Ich ließ mich mit meiner linken Seite auf das Gewehr fallen. Die Bekanntschaft meiner Hüfte mit dem Schiessbügel war deutlich und recht hart. So lag ich nun auf dem Gewehr in der Hoffnung, dass kein auffallendes Blinken des Gewehrlaufs im Mondlicht mich verraten würde.
Das Auto fuhr vom Wege ab zur Quelle hin und hielt ungefähr zehn Schritt vor mir. Ich dachte, man hätte mich gesehen, wie ich auf allen Vieren von der toten Löwin wegkroch. Beinahe wäre ich mit hocherhobenen Händen aufgestanden, harrte aber in meiner Position aus. Aus dem Auto stieg der junge Konstabel, er ging auf ungefähr fünf Schritt an mir vorbei. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und ich dachte, dass der Polizist das hören müsste. Jeden Augenblick erwartete ich seine Stimme: „Hey, staan op!“ (Steh auf!“) Ich sah die Hosenbeine des Polizisten um seine schwarzen Strümpfe schlackern. Er ging jedoch ohne zu stocken an mir vorbei zur Wasserstelle hin. Dort angekommen, rief er zum Auto hin: „Kom, ons gaan swem.“ (Kommt, wir wollen schwimmen gehen) Vom Auto her kamen lachende Frauenstimmen „Jy is mal, man, kom terug.“ (Du bist verrückt, komm zurück.) Ein Chor süßer Engelstimmen hätte mir nicht schöner klingen können. Zum ersten Mal merkte ich, dass es Besucher von der Geburtstagsfeier sein mussten, die wahrscheinlich Wild sehen wollten. Dem Gelächter nach mussten alle gut gebechert haben. Der junge Polizist ging zum Auto und fuhr den Weg zurück. Ein Wunder war geschehen! Noch heute ist es mir ein Rätsel, dass der Polizist mich nicht unter dem dünnen Strauch entdeckt hat. Hatte er zuviel getrunken?
Eine Weile später kamen Böhmes mit dem Jeep angefahren. Ich hielt sie an, wir luden schnell die Löwin auf das Auto und verwischten, so gut es ging, alle Spuren. Frau Böhme lachte herzlich über meine Geschichte mit dem Polizisten. Am nächsten Morgen kam der schwarze Sergeant Anton vorbei, um ein Farmtor in Onguma einzukaufen. Von Zampa erfuhr ich, dass er sich über die Blutspuren im Sand neben dem Weg bei den zwei Palmen gewundert habe, aber dass er nichts Genaues hat feststellen können. An dem Mageninhalt der Löwin konnte ich später feststellen, dass es die richtige Löwin war. Der Magen war voll Rindfleisch und mit Rinderhaaren angefüllt.
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Allgemeine Zeitung
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