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Der zweite Bienengraf von Namibia

Praktikant Praktikant
Von Alexander Stiehle, Windhoek


Wie kam der Sprössling eines großen deutschen Adelsgeschlechts überhaupt dazu, Imker in Namibia zu werden? Wir schreiben das Jahr 1900: Großvater Hubert Graf zu Bentheim beginnt eine Offizierskarriere im kaiserlichen deutschen Heer. Es ist Adelstradition, dass der Zweitgeborene eine Karriere beim Militär anstrebt, der Erstgeborene bekommt Hab und Gut: Die Bentheims besitzen zwei Schlösser und eine Burg. Doch Hubert wollte den harten Drill bei Militär nicht mitmachen, daher entschied er sich 1904 mit den Schutztruppen nach Namibia zu ziehen. Dort ließ er sich in Otijwarango auf der Farm Hohenfels nieder.

6. Januar 2014, 8 Uhr in Windhoek: Roland Graf zu Bentheim kniet neben seiner Motorsäge: „Wissen Sie, ich bin mit Bienen aufgewachsen. Mein Vater war Hobbyimker, er wurde auch der ,Bienengraf´ genannt. Als er gestorben ist, habe ich seine Ausrüstung übernommen und sein Hobby zu meinem Beruf gemacht.“ Ratternd springt die Motorsäge an. Graf zu Bentheim wurde heute von seinem Nachbarn gerufen, um einen Bienenschwarm aus einem Baum, der in der Auffahrt steht, zu holen. Der Schwarm hat sich in einem Ast eingenistet. Der Plan für heute sieht folgendermaßen aus: Ast absägen und aufbrechen, den Schwarm samt Königin in den Bienenkasten umsiedeln und ihn auf einen seiner zehn Bienenplätze rund um Windhoek bringen.
Langsam frisst sich die Motorsäge durch den Ast, als er abbricht springt er zur Seite, plötzlich summen hunderte von Bienen in der Auffahrt herum. Gut geschützt durch die Bienenmaske, ein weißer Anzug mit Haube, macht sich Graf zu Bentheim ans Werk: Er sägt den Ast mit der Motorsäge auf und schöpft die Bienen mit einem großen Löffel ab, um sie in den Bienenkasten umzusiedeln. „Das wird für die nächsten Tage ihr neues Zuhause. Die Bienenwaben lege ich in den Kasten dazu, dann fühlen sie sich ganz heimisch“, sagt Graf zu Bentheim. Unerschrocken bewegt er sich durch den Bienennebel: „Angst darf man keine haben. Wenn die Bienen das Adrenalin riechen, werden sie aggressiv. Doch Respekt ist sehr wichtig.“


Immer wieder hantiert er mit einem kleinen Räucherapparat herum. Ein beißender Gestank liegt in der Luft. „Ich verbrenne Kuhmist und beräuchere damit die Bienen. Damit schrecke ich sie auf, damit sie in den Bienenkasten fliegen. Außerdem beruhigt es sie. Doch zu viel von dem Rauch kann tödlich für sie sein. Nach guten zwei Stunden ist die Arbeit getan. Nun kommt der Bienenkasten samt Schwarm auf einen der Bienenplätze. Davon gibt es zehn Stück, die sich in einem Umkreis von 50 Kilometern von Windhoek befinden.
„Anfangs habe ich mir die Bienen nur zum Eigenbedarf gehalten, um Honig zu ernten. Dann habe ich immer wieder Aufträge bekommen Bienen umzusiedeln“, erklärt Graf zu Bentheim. „Ich habe erkannt, wie wichtig die Biene ist. Sie ist das wertvollste Tier auf der Welt. Alles, was sie produziert, kann vom Menschen genutzt werden.“ Honig, Wabenhonig, Bienenbrot, Bienenwachs, Kittharz (Harz von Bäumen): Die Biene produziert vieles, was für den Menschen sehr gesund ist. Sogar das Gift kann genutzt werden. Es hilft gegen Herzprobleme, Arthritis und Rheuma. „Es heißt, dass ein Imker niemals Arthritis oder Rheuma bekommt. Immerhin muss man schon öfters einen Stich wegstecken“, sagt Graf zu Bentheim und lacht.


Besonders vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ist die Biene immens wichtig: Acht von zehn Plantagenbäumen werden von Bienen bestäubt. Wenn die Biene aussterben sollte, hätte das gravierende Konsequenzen für die Landwirtschaft. „Selbst der Tourismus in Namibia ist indirekt auf die Biene angewiesen. Sie bestäubt die Büsche. Wenn es keine Büsche mehr geben sollte, dann haben viele Tiere nichts mehr zu fressen und sie sterben. Die Folge: Es kommen keine Touristen mehr, weil es keine Tiere mehr zu beobachten gibt. Eine Kettenreaktion.“
Obwohl die Biene so ungemein wertvoll für unser Ökosystem ist, gibt es viele Menschen, die sie töten: „Die Weißen vergiften die Bienen, die Schwarzen verbrennen sie. Das muss aufhören!“ fordert Graf zu Bentheim. „Es ist äußerst wichtig, die Biene zu schützen. Ein Bienensterben wie in Europa und Nordamerika wäre fatal.“
1972: Ein deutscher Professor importiert für Forschungszwecke die Varroa-Milbe aus China. Die Milbe konnte sich verbreiten, heute wird sie als eine der Ursachen für das Bienensterben gesehen. Allein in der Schweiz sind 2012 die Hälfte aller Bienen gestorben, also rund 100000 Bienenvölker. „Die Milbe befällt die ausgewachsenen Bienen und tötet sie, indem sie die Bienen aussaugt“, erklärt Graf zu Bentheim.
Soweit ist es in Namibia glücklicherweise noch nicht, doch der Bienenschutz steckt noch in den Kinderschuhen. „Ich bin wahrscheinlich der einzige Berufsimker in Namibia“, sagt Graf zu Bentheim, „doch damit die Biene effektiv geschützt werden kann, bräuchte es ca. 1000 Berufsimker“. Der Regierung sei die Problematik gleichgültig. „Ich kann nur wiederholen: Die Biene ist unser wertvollstes Tier, wir tun gut daran, uns dessen bewusst zu sein und sie dementsprechend zu behandeln“, sagt Graf zu Bentheim.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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