Die afrikanischen Länder und der Fußball – Keine gute Kombination
Vor fast 30 Jahren wagte der brasilianische Fußballstar Pelé eine kühne Prognose: spätestens 2006, prophezeite Pelé nach dem starken Auftritt von Kamerun bei der WM 1990 in Italien, werde ein Team aus Afrika Fußball-Weltmeister werden, womöglich sogar schon etwas eher. Seitdem ist viel Wasser den Kongo hinabgeflossen, aber Afrika wartet noch immer vergeblich darauf, dass eines seiner Teams zumindest ins Halbfinale gelangt. Denn bislang war immer spätestens im Viertelfinale Schluss – für Kamerun 1990 gegen England, für den Senegal 2002 gegen die Türkei und für Ghana 2010 im Elfmeterschießen gegen Uruguay.
Auch bei der gegenwärtigen WM in Russland hat es erwartungsgemäß keine Trendwende gegeben. Nachdem die drei nordafrikanischen Vertreter Marokko, Tunesien und Ägypten ihre ersten beiden Spiele ausnahmslos verloren und sich damit bereits frühzeitig verabschiedet hatten, unterlagen dann auch noch Nigeria und Senegal in ihren letztem Spiel gegen Argentinien und Kolumbien und müssen deshalb nun auch vorzeitig abreisen. Kein einziges Team aus Afrika hat damit auch nur die Vorrunde überstanden. „Es geht eindeutig abwärts“, diagnostiziert der langjährige nigerianische Stürmer Peter Odemwingie, der bei den letzten beiden Weltmeisterschaften dabei war und diesmal für die BBC aus Russland kommentiert. „Nigeria hatte 1994 sein wohl bestes Team. 1996 haben wir dann sogar bei der Olympiade gewonnen und dazu Brasilien und Argentinien geschlagen. Damals dachte ich: jetzt werden wir auch bald Weltmeister, genau wie Pelé prophezeite.“
Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Dass der Kontinent nicht nur wirtschaftlich sondern auch sportlich kaum vorankommt, liegt vor allem daran, dass in fast allen afrikanischen Fußballverbänden seit Jahrzehnten die Korruption blüht und das ohnehin schmale Budget fast überall in den Taschen der Funktionärsriege verschwindet. Wie tief die Korruption auf dem Kontinent auch im Sport verankert ist, hat gerade erst ein Reporter aufgedeckt, der den Präsidenten des Fußballverbandes von Ghana bei der Annahme einer Schmiergeldzahlung von 65000 Dollar verdeckt filmte. Fast noch ernüchternder ist, dass von rund 100 westafrikanischen Fußballfunktionären nur drei das ihnen illegal offerierte Geld ablehnten.
Im fußballverrückten Ghana reagierte man diesmal sofort: Alle Spiele im Land wurden bis auf weiteres ausgesetzt und der seit langem miserabel gemanagte Fußballverband zerschlagen. Kein Wunder, dass die Zuschauer bei solchen Zuständen kaum noch Lust haben, in die Stadien zu kommen. Viele Clubs spielen in Ghana inzwischen vor fast leeren Tribünen. In Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, wird mittlerweile sogar über eine gänzlich neue Nutzung des Stadions nachgedacht, weil man mit Beerdigungsfeiern hier mehr Geld als mit dem Ausrichten von Fußballspielen verdient.
„Bei den großen Teams hat sich zudem eine spürbare Arroganz breit gemacht“, sagt der bekannte südafrikanische Sportjournalist Mark Gleeson. „Anders als früher sind viele in Europa beschäftigte Starkicker nicht mehr stolz darauf, ins eigene Nationalteam berufen zu werden, was auf die Qualität schlägt.“ Schließlich spielen etwa 80 Prozent der afrikanischen Fußballtalente im Ausland. Der oft beklagte „brain drain“, also die Abwanderung der fähigsten Unternehmer, Schriftsteller und Ärzte ins Ausland, lässt sich auch im Fußball beobachten. Geformt wurden praktisch alle afrikanischen Stars wie George Weah, Sammy Kuffour oder Didier Drogba in Europa – und nicht in ihren Heimatländern.
„Mehr als an allem anderen mangelt es in Afrika an einem vernünftigen Umfeld jenseits des Fußballplatzes“, sagt Experte Gleeson. In Nigeria aber auch anderswo brauchen Trainer und Funktionäre für eine erfolgreiche Karriere oft politische Kontakte, nicht selten bis hinauf zum Präsidenten. Mancherorts reden die Staatschefs sogar ganz offen in die Mannschaftsaufstellung hinein. Als sich Kamerun 1990 auf die Fußball-WM in Italien vorbereitete, forderte Präsident Paul Biya den Fußballverband seines Landes ganz unverblümt dazu auf, einen damals bereits 38 Jahre alten Spieler in den Kader zu berufen: Roger Milla, der sich nach einer langen Karriere bereits auf La Réunion zur Ruhe gesetzt hatte.
Der Fußball-Opa war schnell überredet – und machte die WM 1990 mit seinen vier Toren und dem danach stets um die Eckfahne aufgeführten Lambada-Tänzchen zur großen Roger-Milla-Show. „Meine Teilnahme war der Wunsch unseres Präsidenten, der damit aber nur aussprach, was das ganze Volk fühlte“, kommentierte Milla die ungewöhnliche Form seiner Berufung später mit der ihm eigenen Bescheidenheit. Als Präsident Biya sein persönliches Sommermärchen von 1990 vier Jahre später wiederholen wollte und den nunmehr 42-jährigen Milla erneut reaktivierte, ging die Sache hingegen gründlich daneben. Zwar schoss Milla noch einmal ein Tor. Allerdings war es nur der Ehrentreffer beim 1:6 gegen Russland.
„Der Missbrauch fußballerischer Ressourcen ist in Afrika weit verbreitet und wird seinen Teams noch lange zu schaffen machen“, befürchtet Gleeson. Und ein afrikanischer Weltmeister wie ihn Pelé einst versprach? Der sei trotz vieler Talente derzeit weit und breit nicht in Sicht.
Wolfgang Drechsler
Auch bei der gegenwärtigen WM in Russland hat es erwartungsgemäß keine Trendwende gegeben. Nachdem die drei nordafrikanischen Vertreter Marokko, Tunesien und Ägypten ihre ersten beiden Spiele ausnahmslos verloren und sich damit bereits frühzeitig verabschiedet hatten, unterlagen dann auch noch Nigeria und Senegal in ihren letztem Spiel gegen Argentinien und Kolumbien und müssen deshalb nun auch vorzeitig abreisen. Kein einziges Team aus Afrika hat damit auch nur die Vorrunde überstanden. „Es geht eindeutig abwärts“, diagnostiziert der langjährige nigerianische Stürmer Peter Odemwingie, der bei den letzten beiden Weltmeisterschaften dabei war und diesmal für die BBC aus Russland kommentiert. „Nigeria hatte 1994 sein wohl bestes Team. 1996 haben wir dann sogar bei der Olympiade gewonnen und dazu Brasilien und Argentinien geschlagen. Damals dachte ich: jetzt werden wir auch bald Weltmeister, genau wie Pelé prophezeite.“
Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Dass der Kontinent nicht nur wirtschaftlich sondern auch sportlich kaum vorankommt, liegt vor allem daran, dass in fast allen afrikanischen Fußballverbänden seit Jahrzehnten die Korruption blüht und das ohnehin schmale Budget fast überall in den Taschen der Funktionärsriege verschwindet. Wie tief die Korruption auf dem Kontinent auch im Sport verankert ist, hat gerade erst ein Reporter aufgedeckt, der den Präsidenten des Fußballverbandes von Ghana bei der Annahme einer Schmiergeldzahlung von 65000 Dollar verdeckt filmte. Fast noch ernüchternder ist, dass von rund 100 westafrikanischen Fußballfunktionären nur drei das ihnen illegal offerierte Geld ablehnten.
Im fußballverrückten Ghana reagierte man diesmal sofort: Alle Spiele im Land wurden bis auf weiteres ausgesetzt und der seit langem miserabel gemanagte Fußballverband zerschlagen. Kein Wunder, dass die Zuschauer bei solchen Zuständen kaum noch Lust haben, in die Stadien zu kommen. Viele Clubs spielen in Ghana inzwischen vor fast leeren Tribünen. In Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, wird mittlerweile sogar über eine gänzlich neue Nutzung des Stadions nachgedacht, weil man mit Beerdigungsfeiern hier mehr Geld als mit dem Ausrichten von Fußballspielen verdient.
„Bei den großen Teams hat sich zudem eine spürbare Arroganz breit gemacht“, sagt der bekannte südafrikanische Sportjournalist Mark Gleeson. „Anders als früher sind viele in Europa beschäftigte Starkicker nicht mehr stolz darauf, ins eigene Nationalteam berufen zu werden, was auf die Qualität schlägt.“ Schließlich spielen etwa 80 Prozent der afrikanischen Fußballtalente im Ausland. Der oft beklagte „brain drain“, also die Abwanderung der fähigsten Unternehmer, Schriftsteller und Ärzte ins Ausland, lässt sich auch im Fußball beobachten. Geformt wurden praktisch alle afrikanischen Stars wie George Weah, Sammy Kuffour oder Didier Drogba in Europa – und nicht in ihren Heimatländern.
„Mehr als an allem anderen mangelt es in Afrika an einem vernünftigen Umfeld jenseits des Fußballplatzes“, sagt Experte Gleeson. In Nigeria aber auch anderswo brauchen Trainer und Funktionäre für eine erfolgreiche Karriere oft politische Kontakte, nicht selten bis hinauf zum Präsidenten. Mancherorts reden die Staatschefs sogar ganz offen in die Mannschaftsaufstellung hinein. Als sich Kamerun 1990 auf die Fußball-WM in Italien vorbereitete, forderte Präsident Paul Biya den Fußballverband seines Landes ganz unverblümt dazu auf, einen damals bereits 38 Jahre alten Spieler in den Kader zu berufen: Roger Milla, der sich nach einer langen Karriere bereits auf La Réunion zur Ruhe gesetzt hatte.
Der Fußball-Opa war schnell überredet – und machte die WM 1990 mit seinen vier Toren und dem danach stets um die Eckfahne aufgeführten Lambada-Tänzchen zur großen Roger-Milla-Show. „Meine Teilnahme war der Wunsch unseres Präsidenten, der damit aber nur aussprach, was das ganze Volk fühlte“, kommentierte Milla die ungewöhnliche Form seiner Berufung später mit der ihm eigenen Bescheidenheit. Als Präsident Biya sein persönliches Sommermärchen von 1990 vier Jahre später wiederholen wollte und den nunmehr 42-jährigen Milla erneut reaktivierte, ging die Sache hingegen gründlich daneben. Zwar schoss Milla noch einmal ein Tor. Allerdings war es nur der Ehrentreffer beim 1:6 gegen Russland.
„Der Missbrauch fußballerischer Ressourcen ist in Afrika weit verbreitet und wird seinen Teams noch lange zu schaffen machen“, befürchtet Gleeson. Und ein afrikanischer Weltmeister wie ihn Pelé einst versprach? Der sei trotz vieler Talente derzeit weit und breit nicht in Sicht.
Wolfgang Drechsler
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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