Die andere „Epidemie" - Waffengewalt in den USA spitzt sich zu
Washington (dpa) - Die Schüsse an diesem heißen Sommerabend sind laut. Und sie fallen auf einer beliebten Ausgehmeile in der US-Hauptstadt Washington. Videos zeigen, wie Menschen in Panik von Restaurant-Terrassen aufspringen, wegrennen, sich verstecken. Ein CNN-Reporter ist zufällig vor Ort, filmt die Szene mit dem Handy. Am Ende spricht die Polizei von zwei Verletzten. Die Täter konnten in einem Auto fliehen. Hubschrauber fliegen noch Stunden später über das Viertel. Immer wieder sind die Sirenen von Polizeiautos zu hören.
Eigentlich ist das kein ungewöhnliches Ereignis in den USA. Dort sterben im Schnitt jeden Tag Dutzende Menschen in Folge von Schusswaffengewalt. Nur wenige Tage zuvor ist in Washington ein sechsjähriges Mädchen aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen worden. Doch es ist der Vorfall auf der beliebten Ausgehmeile mit den zwei Verletzten, der für Wirbel sorgt. Er hat es sogar ins Presse-Briefing des Weißen Hauses geschafft. „Das ist ein ziemlich beliebter Teil der Stadt, in dem viele von uns leben", sagt die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, als sie am nächsten Tag darauf angesprochen wird.
Normalerweise fallen die Schüsse nicht dort, wo viele Menschen aus der Politik oder den Medien leben. Sie sind Alltag in den ärmeren Vierteln, in denen die Kriminalität sowieso schon hoch ist. Doch dieser und andere Vorfälle haben den Fokus auf eine brisante Entwicklung gelenkt: Das Jahr 2020 war mit gut 19 000 Toten das tödlichste Jahr in den USA mit Blick auf Waffengewalt in mindestens zwei Jahrzehnten - Suizide nicht mitgezählt. Das geht aus Daten der Organisation Gun Violence Archive hervor.
Und im Jahr 2021 sind die Zahlen bisher sogar noch drastischer. Der Organisation zufolge sind bisher pro Tag im Schnitt rund 56 Menschen aufgrund von Schusswaffengewalt ums Leben gekommen. Ebenfalls die Suizide nicht mitgerechnet, sind das mehr als 12 000 Todesfälle. Woran liegt das? Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze - eine eindeutige Antwort aber nicht.
Fachleute sehen die Corona-Pandemie als eine Art Brennglas für all die bereits bestehenden Probleme. Geschlossene Schulen, Jobverlust und allgemeine Verzweiflung wurden noch einmal deutlich verschärft. Zugleich blieben während der Pandemie auch soziale Einrichtungen und Projekte auf der Strecke - Institutionen, die in vielen Vierteln einiges auffangen. Einer Analyse des Senders ABC zufolge ereignen sich deutlich mehr als die Hälfte der Vorfälle von Waffengewalt in den ärmsten Bezirken des Landes, in denen das mittlere Haushaltseinkommen 40 000 US-Dollar (rund 34 000 Euro) pro Jahr oder weniger beträgt.
Die Waffenindustrie nutze die Pandemie, um den Verkauf von Waffen zu steigern, warnt Josh Sugarmann. Er ist Direktor des Violence Policy Center, einer Organisation, die zu Waffengewalt forscht und sich für strengere Waffengesetze einsetzt. Der traditionelle Waffenmarkt, der zum großen Teil aus weißen Männern bestehe, sei gesättigt. Diese Industrie nutze das Gefühl der Unsicherheit, um mehr Waffen zu verkaufen. Die Zahl der Waffenverkäufe ist im Jahr 2020 tatsächlich deutlich gestiegen, wie aus Daten des FBI hervorgeht.
Eine andere These ist, dass der Anstieg der Waffengewalt auch mit den Protesten gegen Polizeigewalt nach dem brutalen Tod des US-Amerikaners George Floyd im Mai 2020 zusammenhängt. Die Demonstrationen könnten die Polizei entmutigt und das Vertrauensverhältnis zwischen den Menschen im Land und den Sicherheitskräften weiter zerrüttet haben, so die Theorie. „Die Polizei hat echte Probleme", sagte Präsident Joe Biden jüngst. Es seien nicht alles schlechte Leute, viele von ihnen seien gut. „Wir brauchen mehr Polizisten, nicht weniger Polizisten", so Biden. Aber man brauche eine bürgernahe Polizeiarbeit.
Die These, dass die Proteste die Gewalt verursacht hätten, sei viel zu simpel, schreibt die „Washington Post". Aber es sei schwer von der Hand zu weisen, dass eine weniger inspirierte Polizeiarbeit - etwa aufgrund von Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit oder einer geringeren Moral nach den Sommerprotesten - eine Rolle gespielt haben könnte.
Sugarmann vom Violence Policy Center fordert, den Fokus generell zu verschieben - und weniger auf die Menschen mit den Waffen zu schauen als viel mehr auf die Art der Waffen, die verkauft wird. „Die Waffenindustrie ist nicht statisch", warnt er. „Was sie verkaufen, ist nicht Sicherheit, nicht sportliche Nutzung, sondern tödliche Militarisierung." Die Regierung von Präsident Biden habe dabei schon viele erste gute Schritte gemacht. „Sicherlich kann noch mehr getan werden."
Als «Epidemie» bezeichnete Biden die Waffengewalt in der Vergangenheit. Für die steigenden Zahlen macht er unter anderem Waffenläden verantwortlich, die sich nicht an die Gesetze halten. Ein weiteres Problem seien sogenannte Geisterwaffen. Sie werden aus mehreren Teilen selbst zusammengesetzt und haben in der Regel keine Seriennummern.
Wenn es nach dem Präsident geht, sollten Kriegswaffen wie Sturmgewehre nicht mehr verkauft werden können. „Die Vorstellung, dass irgendjemand (...) 10, 12, 20, 30, 100 Schuss in einem Gewehr braucht - das macht einfach keinen Sinn. Null", so Biden. „Das muss aufhören."
Eigentlich ist das kein ungewöhnliches Ereignis in den USA. Dort sterben im Schnitt jeden Tag Dutzende Menschen in Folge von Schusswaffengewalt. Nur wenige Tage zuvor ist in Washington ein sechsjähriges Mädchen aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen worden. Doch es ist der Vorfall auf der beliebten Ausgehmeile mit den zwei Verletzten, der für Wirbel sorgt. Er hat es sogar ins Presse-Briefing des Weißen Hauses geschafft. „Das ist ein ziemlich beliebter Teil der Stadt, in dem viele von uns leben", sagt die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, als sie am nächsten Tag darauf angesprochen wird.
Normalerweise fallen die Schüsse nicht dort, wo viele Menschen aus der Politik oder den Medien leben. Sie sind Alltag in den ärmeren Vierteln, in denen die Kriminalität sowieso schon hoch ist. Doch dieser und andere Vorfälle haben den Fokus auf eine brisante Entwicklung gelenkt: Das Jahr 2020 war mit gut 19 000 Toten das tödlichste Jahr in den USA mit Blick auf Waffengewalt in mindestens zwei Jahrzehnten - Suizide nicht mitgezählt. Das geht aus Daten der Organisation Gun Violence Archive hervor.
Und im Jahr 2021 sind die Zahlen bisher sogar noch drastischer. Der Organisation zufolge sind bisher pro Tag im Schnitt rund 56 Menschen aufgrund von Schusswaffengewalt ums Leben gekommen. Ebenfalls die Suizide nicht mitgerechnet, sind das mehr als 12 000 Todesfälle. Woran liegt das? Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze - eine eindeutige Antwort aber nicht.
Fachleute sehen die Corona-Pandemie als eine Art Brennglas für all die bereits bestehenden Probleme. Geschlossene Schulen, Jobverlust und allgemeine Verzweiflung wurden noch einmal deutlich verschärft. Zugleich blieben während der Pandemie auch soziale Einrichtungen und Projekte auf der Strecke - Institutionen, die in vielen Vierteln einiges auffangen. Einer Analyse des Senders ABC zufolge ereignen sich deutlich mehr als die Hälfte der Vorfälle von Waffengewalt in den ärmsten Bezirken des Landes, in denen das mittlere Haushaltseinkommen 40 000 US-Dollar (rund 34 000 Euro) pro Jahr oder weniger beträgt.
Die Waffenindustrie nutze die Pandemie, um den Verkauf von Waffen zu steigern, warnt Josh Sugarmann. Er ist Direktor des Violence Policy Center, einer Organisation, die zu Waffengewalt forscht und sich für strengere Waffengesetze einsetzt. Der traditionelle Waffenmarkt, der zum großen Teil aus weißen Männern bestehe, sei gesättigt. Diese Industrie nutze das Gefühl der Unsicherheit, um mehr Waffen zu verkaufen. Die Zahl der Waffenverkäufe ist im Jahr 2020 tatsächlich deutlich gestiegen, wie aus Daten des FBI hervorgeht.
Eine andere These ist, dass der Anstieg der Waffengewalt auch mit den Protesten gegen Polizeigewalt nach dem brutalen Tod des US-Amerikaners George Floyd im Mai 2020 zusammenhängt. Die Demonstrationen könnten die Polizei entmutigt und das Vertrauensverhältnis zwischen den Menschen im Land und den Sicherheitskräften weiter zerrüttet haben, so die Theorie. „Die Polizei hat echte Probleme", sagte Präsident Joe Biden jüngst. Es seien nicht alles schlechte Leute, viele von ihnen seien gut. „Wir brauchen mehr Polizisten, nicht weniger Polizisten", so Biden. Aber man brauche eine bürgernahe Polizeiarbeit.
Die These, dass die Proteste die Gewalt verursacht hätten, sei viel zu simpel, schreibt die „Washington Post". Aber es sei schwer von der Hand zu weisen, dass eine weniger inspirierte Polizeiarbeit - etwa aufgrund von Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit oder einer geringeren Moral nach den Sommerprotesten - eine Rolle gespielt haben könnte.
Sugarmann vom Violence Policy Center fordert, den Fokus generell zu verschieben - und weniger auf die Menschen mit den Waffen zu schauen als viel mehr auf die Art der Waffen, die verkauft wird. „Die Waffenindustrie ist nicht statisch", warnt er. „Was sie verkaufen, ist nicht Sicherheit, nicht sportliche Nutzung, sondern tödliche Militarisierung." Die Regierung von Präsident Biden habe dabei schon viele erste gute Schritte gemacht. „Sicherlich kann noch mehr getan werden."
Als «Epidemie» bezeichnete Biden die Waffengewalt in der Vergangenheit. Für die steigenden Zahlen macht er unter anderem Waffenläden verantwortlich, die sich nicht an die Gesetze halten. Ein weiteres Problem seien sogenannte Geisterwaffen. Sie werden aus mehreren Teilen selbst zusammengesetzt und haben in der Regel keine Seriennummern.
Wenn es nach dem Präsident geht, sollten Kriegswaffen wie Sturmgewehre nicht mehr verkauft werden können. „Die Vorstellung, dass irgendjemand (...) 10, 12, 20, 30, 100 Schuss in einem Gewehr braucht - das macht einfach keinen Sinn. Null", so Biden. „Das muss aufhören."
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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