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Die bessere Alternative

Erde empfängt den Schlag der Harke. Dumpf klingt es. Als ob eine Faust im steten Rhythmus von außen auf eine blecherne Tonne donnert. Leere, helle Krumen fliegen weg als das Metall den Boden trifft. In jede Hautfalte, jede Kerbe in Hand und Fuß legt sich ein Hauch braunen Erdenstaubes. Ein Feld. Dazwischen kniehoch, zart grüne Maispflanzen. Sie wachsen. Wie an einer Perlenschnur sind sie entlang eines Wasserschlauches aufgefädelt. Dort nur, ganz nah am lebensnotwendigen Quell, gedeihen sie. Vorsichtig, fast zärtlich harken die Männer und Frauen das Unkraut zwischen den einzelnen gut mannshoh auseinanderstehenden Pflänzchen aus der Erde. Zu wertvoll ist Hab und Gut im braunen Grund, als dass sie es verletzen wollten. Das Feld von Drimiopsis. Mais, Kohl, Tomaten suchen sich den Weg in die Glut der Sonne in der Omaheke-Region. Nahrung. Für mehr als 60 Familien die bessere Alternative. Vor allem viele San-Familien zieht es nach Drimiopsis.

"Wenn die Dürre kommt, kommen die Menschen hierher", sagt Morgan Simata, der das Settlement-Camp Drimiopsis leitet. Woher die Frauen und Männer mit ihren Kindern kommen, weiß er nicht. "Von überall", so viel sei aber sicher. Manchmal vier oder fünf neue Familien pro Monat. Die ersten Pflaster für das Camp wurden 1991 gelegt, jetzt gibt es mehr als 40 steinerne Häuser, über 20 Familien leben in Wellblechhütten am Ende der langen Sandstraße in die grüne Savanne, und es gibt zwei Schulen. Unterstützt wird Drimiopsis von der Regierung - alle Samen für die Feldbestellung werden kostenlos geliefert - , der katholischen Kirche und auch Unicef, von wo allein jährlich 70000 US-Dollar in die Omaheke-Region fließen - vor allem zur Finanzierung von Schulbildung für San-Kinder und zur Aids-Aufklärung.


Der Platz unter dem großen Kameldornbaum füllt sich. Kleine orangefarbene Plastikstühlchen aus einem Guss gepresst, wie sie die Kleinen im Kindergarten haben, reihen sich an zehn gepolsterte Sessel, wer schnell ist, findet einen Platz im Schatten. Die restlichen Menschen haben ihren an der Sonne. "Hallo, mein Name ist Aids, kennst Du mich?", singen die Mädchen und Buben des St. Ceverino Jimenz-Malla-Kindergartens. Das Ding mit Namen Aids sei kein Witz, singen die Kinder, ganz laut und deutlich. "Und wenn Du mich nicht willst, dann sag ,Nein" zu Sex", endet das Lied. Applaus. Gerhard Jebbes ist da nicht so zurückhaltend wie das freundliche Kinderlied. "Wer Aids hat, verreckt", sagt er. Der junge Mann von CBRP "Community based resaurce persons" reißt die Arme in die Höhe, dass er beinahe das Mikrofon vor seiner Nase wegfegt und schreit sein Publikum an. Beinahe klingt er so, als ob er mit steigender Lautstärke selbst leichter Glauben könnte, was er sagt: "Wir werden Aids besiegen. Aids wird sterben", brüllt er. Kein Applaus.


Die beiden Schulen in Drimiopsis sind vielleicht so etwas wie das Herz der Siedlung. Zumindest aber die Hoffnung. Insgesamt gehen beinahe 1000 Schüler in die Grund- und Oberschule. Mathe, Physik, Afrikaans, Englisch, Geschichte oder Sozial - und Gesundheitskunde stehen auf dem Stundenplan. Die flachen langen und sehr schmalen dunkelrot gestrichenen Gebäude reihen sich in rechten Winkeln aneinander, dass sie einen großen Innenhof ergeben. Die Türen zu den Klassenzimmern stehen weit offen. 30 Grad, die Sonne steht senkrecht. In einem Siedlungsprojekt für San-Familien müssen ja auch viele San-Kinder zur Schule gehen. Der Direktor der Grundschule, Isak Shauapla Ueifete, legt die Arme vor seinen Körper und blickt in die Ferne, als ob dort irgendwo die Zahlen stünden. "Nicht so viele", sagt er zögerlich. Die würden eben im Laufe eines Schuljahres wieder aussteigen. Die Kinder würden ja gerne in der Schule bleiben, auch wenn sie es halt auch nicht so weit brächten wie andere. Manche hätten aber auch einfach keine Ausdauer zum Lernen und würden zuviel schwänzen, so dass sie nach kurzer Zeit dem Unterreicht eh nicht mehr folgen könnten. Und sie könnten ja oft nicht mal Afrikaans sprechen, sondern nur ihre eigen Muttersprache. Hinzu komme, dass die Eltern eben nicht darauf achten würden, weil sie selbst gar nicht wüssten, wozu ihre Kinder denn Schulbildung bräuchten, wo sie doch eh nur mit ihren Händen zu schaffen hätten. "Wir tun alles, damit die Kinder hier zur Schule gehen können", sagt er. Was das ist, verrät er nicht.


Tresia James ist zwölf Jahre alt und geht in die fünfte Klasse. Seit 1996 lebt sie in Drimiopsis, nicht aber ihre Eltern. "Die arbeiten in Gobabis", sagt sie und zwirbelt verlegen mit ihren zarten kleinen Fingerchen in ihren kurzen Dreadlocks. So im Mittelpunkt war sie wohl noch nicht oft gestanden. Sie gehe gerne in die Schule sagt sie, besonders Mathe und Naturwisenschaften seien toll. "Ich möchte später selbst Lehrer werden, um andere zu unterrichten", weiß sie. Anders als ihre Freundin Nadine trägt sie keine Schuluniform. Fast kein San-Kind trage eine, sagt der Direktor der Grundschule. Das sei aber kein Problem. Der Direktor der High-School, Johnny Isaacs, flüstert hinter vorgehaltener Hand zu einem Kollegen:"Das ist schon ein Problem. Denn die Kinder werden deshalb diskriminiert, von Mitschülern und Lehrern, die ihnen einfach nichts zutrauen. Und wer wochenlang in den selben Klamotten und mit einem stets hungrigen Bauch zur Schule kommt, der kann gar nicht durchhalten." Die schulische Arbeit mit San-Kindern kennt Isaacs nur vom Erzählen. In der High-School gibt es keine.


Am Ende wachsen die Wellblechhütten. Glänzendes Metall, rostrot, grasgrün und sonnengelb gestrichene Platten sind ineinander verschachtelt. "Kein Durchgang" steht an einem klapprigen Gartentörchen. Entlang des Weges schlängeln sich Wasserleitungen von Hochbehältern zu jeder Hütte. An Wasserhähnen stehen vier, manachmal fünf gefüllte Wasserkanister mit keinen Hähnen daran. Der Sand macht den Tritt weich. Schuhe braucht man in diesen Tagen nicht. Wenn es regnet oder kälter wird in den Winternächten, sieht das sicher anders aus. Neugier. Kleine kluge Augen verfolgen jeden Schritt und wollen durchaus gefragt werden.


Balon Themba hat seinen Schulrucksack auf den Schultern und grinst. "Ich hab ja nicht viel Zeit jetzt", sagt er. Nur eine Stunde, dann gehe er zum Lernen wieder in die Schule. Jetzt gucke er nach seinen Geschwistern Mita, Ronnie und Steven. "Unsere Mutter ist krank. Unser Vater arbeitet", sagt Balon. Arzt will er werden, deshalb arbeite er hart in Mathe und Naturwissenschaften. Manchmal würde er gerne am Abend noch lesen, aber ohne Strom gehe das halt nicht. Und sonst, Freunde treffen, zusammen spielen? "Ach ja, das machen wir schon, Fußball halt", sagt der 15-Jährige.


Drei Hütten weiter wuselt es im sandigen Garten. Gleich an die zehn kleine Jungs und Mädchen springen laut lachend und sich gegenseitig fangend um die Chefin des Hauses herum. Magdalena Skrywer thront fast ein bisschen zwischen all den Kindern. Ihr Gesicht erzählt von ihren Jahren, wie alt sie ist, weiß sie nicht und die Suche nach ihrem Pass in ihrer blauen Kladde von Namibia Meat Board verläuft ergebnislos. Magdalena sitzt vor dem offenen Feuer und untersucht einen mit einem weißen Deckel fast verschlossenen Eimer. Teig quillt immer wieder hervor - Magdalena ist am Brotbacken. Viel Brot muss sie backen, denn sie ist die Oma des halben Viertels. Ihre eigenen Enkel hat sie in der Obhut, wo die Eltern sind, weiß sie manchmal, und wer sonst kein Zuhause hat, kommt halt auch zu Magdalena. Ein privates Mini-Waisenhaus. "Einer muss doch danach gucken, dass die KInder sauber und satt sind und dass sie zur Schule gehen", sagt sie. Keine Widerrede.

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Allgemeine Zeitung 2024-11-05

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