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Die geheimen Familienoberhäupter

Wie Hauswirtschaftslehre Emanzipation vorantreibt
WAZon-Redakteur
Von Caroline Niebisch, Windhoek

Nicolette ist 19 Jahre alt und eine von zwölf Frauen, die aktuell einen Kurs bei Women at Work belegen. Stolz erzählt sie, dass sie dieses Jahr noch ihren 20. Geburtstag feiern wird. In ihrem zarten Alter ist sie schon sehr viel weiter als viele andere ihrer Altersgenossen, denn Nicolette hat konkrete Ziele: sie möchte Erfahrungen sammeln, sich Wissen aneignen und dieses später an ihre Freunde und Verwandten weitergeben. Als Teil der derzeitigen Hauswirtschafts-Klasse am Women at Work-Zentrum lernt sie fleißig, um nach zwei Monaten ein Diplom in ihren Händen halten zu können. Ein einzelnes Stück Papier, mit dem für die junge Frau viele Wünsche und Hoffnungen verbunden sind. Denn das Women at Work-Diplom soll ihr den Weg ins Arbeitsleben ebnen, da es dem zukünftigen Arbeitgeber bestätigt, dass Nicolette eine professionelle Ausbildung genossen hat. Etwas, das absolut nicht jede berufstätige Frau in Namibia vorweisen kann; etwas, das zeigt, dass die junge Frau, die sich bewirbt, den Biss hatte, zwei Monate lang zu lernen und jede Woche einen Test zu schreiben – gefolgt von einem Examen am Ende des Kurses. Nicolette ist sich dieser Tatsache sehr bewusst; weiß, dass eine junge Frau wie sie es oftmals nicht leicht hat, eine Beschäftigung zu finden. Arbeitserfahrung könne sie in ihrem Alter jedenfalls noch nicht vorweisen.

Auf die Frage hin, ob ihr die Hauswirtschaft denn wirklich Spaß bereite antwortet sie nur, dass „Bettler nicht wählerisch sein können“. Sie tue dies, um unabhängig zu sein – um nicht mehr nach Geld fragen zu müssen, erklärt Nicolette. Und außerdem habe sie Spaß daran, zu kochen und mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten. Sie sei sehr zufrieden, so wie es ist.

Tatsächlich seien dies beinahe alle ihrer Schülerinnen, bestätigt Pat Sivertsen. Sivertsen ist die Managerin der Women at Work-Organisation und kümmert sich hauptsächlich um die Finanzierung der Organisation, die auf Spenden angewiesen ist. Zwar berechnet Women at Work 1500 N$ pro Kursteilnehmerin, jedoch decke dies nicht alle Kosten ab. In den Kursen werde gekocht und geputzt, das schlucke Geld, so Sivertsen. „Die viele Praxis kostet“, sagt sie, nichtsdestotrotz wolle man die Preise nicht erhöhen, damit der Kurs zugänglich bleibe – die Teilnehmerinnen können nicht noch mehr finanzielle Belastung benötigen, so die Managerin. Viele von ihnen werden zwar finanziert, einige zahlen aber auch selbst. Die Rechnung müsse man jedoch nicht auf einen Schlag begleichen, betont sie. Neben Hauswirtschafts-Kursen bietet das Women at Work-Zentrum zudem einen zweiwöchigen Kellner-Kurs und einen Abendkurs im Nähen an. Das seit 2009 in Windhoek existierende Zentrum möchte verschiedene Angebote bieten, um möglichst viele Talente zu fördern. Zu arbeiten sei wichtig für die Frauen, damit diese sich entwickeln können, so Sivertsen.
Sivertsen selbst war früher Kursleiterin, bis sie die Stelle als Managerin der Organisation übernahm. Ihren Lehrerposten übernahm Viola Dimulunde, die wiederum einst Kursteilnehmerin war. Auch sie wollte etwas in ihren Händen halten, das Perspektive verleiht und die Chancen auf einen Job verbessert, sagt sie rückblickend. Heute Lehrerin sein zu dürfen, erfülle sie mit Stolz – es sei immer ihr Traum gewesen, zu unterrichten und anderen zu helfen. Pro Jahr betreut sie sechs Klassen für je zwei Monate – täglich von 8 bis 16 Uhr. „Morgens beginnen wir mit der Theorie, also zum Beispiel wie man Rezepte liest und Sachen abwiegt. Am Nachmittag beschäftigen wir uns dann mit der Praxis“, erklärt Dimulunde. Zudem gebe es einen Kompetenz-Block, bei dem die Stärken und Schwächen der Teilnehmerinnen identifiziert werden und erläutert wird, was Arbeitgeber von ihren Angestellten erwarten. Die Frauen beeindrucken Dimulunde: Sie alle wollen folgende Generationen ermutigen, Initiativen zu ergreifen. Von 18- bis Anfang 60-Jährigen – alle Altersklassen seien vertreten und voller Enthusiasmus.

Auch Foibe ist eine von Dimulundes Schülerinnen. Sie möchte nicht mehr abhängig sein, sondern sich selbst um ihre vier Kinder und zwei Enkelkinder kümmern können. Die 39-Jährige sei dafür extra aus ihrem Heimatdorf im Norden Namibias angereist, dort gebe es nur wenige Jobchancen, erzählt sie weiter. Ihr gefalle der Unterricht sehr, die Erfahrungen, die sie macht, würden ihr später auf jeden Fall zu Nutze kommen, da ist sich Foibe sicher. Heutzutage könne man sich nicht mehr auf Männer verlassen, man müsse als Frau selbst die Initiative ergreifen. Auch ihr Wunsch sei es, das Bild der Frau umzukrempeln: nicht mehr nur als Hausfrau und Mutter wahrgenommen zu werden – Stichwort: Frauen an die Macht. Oft höre sie, wenn sie eigentlich schlafen sollte, Frauen in ihrer Nachbarschaft schreien – sie werden misshandelt, meint Foibe. Frauen, die sich trotzdem nicht von ihren Ehemännern und Lebensgefährten trennen – auf Grund von finanzieller Abhängigkeit. „Das ist einfach furchtbar und nicht richtig, es muss sich ändern“, sagt Foibe. Dabei sei der Kurs ein Schritt in die richtige Richtung, wohin der Weg führe, zeige sich mit der Zeit.

Diese Ansicht teilt auch Sivertsen: „Man muss klein anfangen. Auch ein Leben zu verändern hilft dabei, eine Veränderung des Großen und Ganzen herbeizuführen.“ Die Arbeit erfülle sie mit viel Freude und auch Stolz. Der Moment, in dem die Frauen ihr Diplom überreicht bekommen, sei jedes Mal aufs Neue sehr besonders – für die Frauen ändere sich ab diesem Zeitpunkt vieles. Denn, so fährt sie fort, 80 Prozent der Teilnehmerinnen finden nach den Kursen eine feste Anstellung und generieren Einkommen. Viele dieser Frauen beweisen sich in der darauffolgenden Zeit und werden befördert. Der Berufseinstieg wird dabei nicht nur durch das erhaltene Diplom erleichtert, sondern auch, weil die Organisation mit Partnern zusammenarbeitet, die das Können der Absolventinnen sehr schätzen. Während junge Frauen wegen mangelnder Berufserfahrung zu Women at Work kommen, stehen ältere Teilnehmerinnen oft vor einem anderen Problem. Viele von ihnen wurden von ihrem Partner verlassen und sind nun auf sich alleine gestellt – haben allerdings nach wie vor eine Familie zu versorgen. „Heutzutage sind die Frauen die geheimen Familienoberhäupter“, so Sivertsen. „Auf die Männer ist kein Verlass: sie setzen Kinder in die Welt und verschwinden dann manchmal schnell, manchmal auch langsamer, wieder aus dem Leben der Familie.“ Somit bleibe die Frau mit all der Verantwortung zurück, ohne stetiges Einkommen vorweisen zu können. Und oftmals sogar ohne eine abgeschlossene Schulausbildung.

Foibe und Nicolette erhalten beide viel Rückhalt aus ihren Familien, sagen sie. Und auch ihre Lehrerin Viola Dimulunde wird laut eigener Aussage unterstützt. „Männer sehen die Notwendigkeit, dass auch Frauen arbeiten gehen sollten“, sagt sie. Und außerdem nehme es eine Last von ihren Schultern. „Ich möchte ein Vorbild sein. Eigentlich fühle ich mich aber schon so“, gesteht sie selbstbewusst. Jeden Tag zeige sie ihren eigenen Töchtern, dass harte Arbeit Früchte trägt. Dimulunde versuche sie zu motivieren, selbst große Träume zu haben. Ihre älteste Tochter wolle Ärztin werden, meint sie schmunzelnd. Zu träumen sei wichtig – so habe man Hoffnung. Und auch Dimulunde hofft, dass ihre Kinder einmal ein besseres Leben haben werden als sie.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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