Die Geister, die wir riefen
Der künstlerische Dokumentarfilm "Yellow Cake" (www.yellowcake-derfilm.de) des deutschen Regisseurs Joachim Tschirner zeigt die Anfänge des Uranabbaus und reist von der Wismut, ein Tarnname für den vor der Wende drittgrößten Uranerzbergbau der Welt in Sachsen und Thüringen, zu den heutigen größten Uranminen in Namibia, Kanada und Australien. Der Filmtitel bezeichnet beschönigend das zitronengelbe, pulverförmige Gemisch von Uranverbindungen, das in der runden Trommel aussieht, wie ein etwas zu gelb geratener Rahmkuchen.
Er wurde vergangenen Dienstag als Auftakt der Filmreihe "Uranium Film Features" im Goethe-Zentrum und dem Habitat Center in Katutura ausgestrahlt. Gemeinsam mit dem Swakopmund Hotel und Entertainment Center werden diese drei Veranstaltungsorte bis Ende Mai mit Filmen aus verschiedenen Ländern über den Uranabbau informieren. Die nächste Dokumentation "Poisonous Legacy of Uranium" (Das giftige Erbe des Urans), die kommenden Donnerstag, den 5. April um 18 Uhr, im Habitat Center präsentiert wird, zeigt die Folgen der Urangewinnung in Gabun und Niger.
Dass das Thema Uranabbau in Namibia viele Menschen beschäftigt, zeigen die vollen Stuhlreihen bei der Afrika Premiere. Die knapp zweistündige Dokumentation nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in Bergbauschächte und die Einöden des Tagebaus. Bei unschuldigen Spieluhrklängen fahren überdimensionale Riesentrucks uranhaltiges Gestein durch die Wüste, nachdem Staubfontänen auf Knopfdruck der namibischen Sprengmeisterin aus dem Felsmassiv geschossen kamen, die die Sonne verdunkelten. Der Zuschauer begleitet einen ostdeutschen ehemaligen Wismut-Arbeiter zum Arzt und starrt mit ihm auf die Röntgenaufnahme seiner Lunge, auf der ein golfballgroßer Schatten zu sehen ist, der dort nicht hingehört.
Die Stimme aus dem Off liefert in melancholischem Tonfall Zahlen, Fakten und Vergleiche, die es kaum schaffen, das Erbe des Abbaus eines radioaktiven Materials mit einer Halbwertszeit von 4468 Milliarden Jahren fassbar zu machen. Manager und Vorsitzende der Bergbaugesellschaften in verschiedenen Ländern reden von Investitionen in die Sicherheit und Gesundheit ihrer Arbeitskräfte, der sauberen Energiegewinnung, den volkswirtschaftlichen Vorteilen und die Ungefährlichkeit des Uranabbaus, der funktioniere wie die Gewinnung eines jeden anderen Rohstoffes. Unter dem Schild der Rössing-Mine steht "Our goal is zero accidents." (Unser Ziel ist absolute Sicherheit).
Die Arbeiter dagegen schweigen oft. Auf die Frage, ob sie die Strahlenbelastungsgrenze für ihren Körper kenne, schaut eine junge Ovambo-Frau, die in der Rössing-Mine bei Swakopmund arbeitet, lange zur Seite bis sie antwortet: "Nicht wirklich". Am nächsten Tag sitzt sie beim Friseur, lässt sich die Haare einflechten und die Nägel lackieren. Sie verdient mehr als die durchschnittliche Bevölkerung und ist glücklich, dank der Frauenquote als eine von 1300 Arbeitern in der Mine Geld eine feste Anstellung zu haben. Ohne die könnte sie sich ihr Studium - Sicherheitsmanagement - nicht finanzieren.
"Ich möchte nicht von oben herab schauen und den Zeigefinger erheben", sagt Joachim Tschirner, der Regisseur und Leiter der deutschen Filmproduktionsgesellschaft Umweltfim. "Der Film soll zeigen, warum die Welt so ist, wie sie ist." Letztendlich, sagt er, geht es immer ums Geld - nicht um eine andere Energiegewinnung und auch nicht in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen. "Wenn die Gewinne privatisiert, die Risiken jedoch sozialisiert werden, ist das nicht richtig", sagt der stämmige dunkelhaarige Mann mit dem silbergrauen Bart.
Er sei nicht als Umweltaktivist geboren worden, sagt der 64-Jährige. Aufgewachsen in Wittenberge in Brandenburg sei er oft schweißgebadet nachts aufgewacht aus Angst vor dem Kalten Krieg. In diesem Klima sei die Vision von der friedlichen Nutzung der Atomkraft wie ein Hoffnungsschimmer am Horizont aufgetaucht. "Doch unsere Unschuld haben wir von Anfang an verloren", sagt Tschirner, "es war nie möglich, die Risiken und die Folgen unter Kontrolle zu halten."
"Der Uranabbau in Namibia wird schon bald einen gewaltigen Effekt auf den Tourismus haben", sagt Klaus von Ludwiger, der seit 14 Jahren in der Tourismusbranche tätig ist. "Ich habe schon jetzt Freunde aus dem deutschsprachigen Raum, die hier keinen Urlaub mehr machen wollen." Welchen Einfluss die verstrahlten Partikel auf die Vegetation hätten, die die Ostwinde von der Rössing-Mine ins Landesinnere tragen, würde ihn interessieren. Oder die Gefahr verstrahlter Seen für Pelikane, die von Walvis Bay nach Etosha ziehen. "Die Natur ist doch unsere größte Ressource, es ist höchste Zeit aufzuwachen," sagt der Namibier.
"Ich arbeite in Walvis Bay, da ist jeder zweite in irgendeiner Form bei der Rössing-Mine beschäftigt", erzählt Cornelius Lätzsch aus Süddeutschland, der als Freiwilliger im Land arbeitet. "Da ist es verständlich, dass die Haltung gegenüber Atomkraft positiver ist, als in Deutschland." Gerade deshalb sei es wichtig, solche Filme der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Auch Charlotte Reith, die für sechs Monate beim NTN beschäftigt ist, findet dies ein wichtiges Thema. "Es kann nicht sein, dass Deutschland die Verantwortung der Stromproduktion auf Länder wie Namibia abwälzt. Hier sind noch weniger Steuergelder zur Beseitigung des radioaktiven Mülls vorhanden als in Deutschland."
"Die Frage, die hinter diesen ganzen Diskussionen steht, ist am Ende eine lebensphilosophische", sagt Tschirner nachdenklich, "dürfen wir alles, was wir können? Das muss jeder für sich selbst beantworten." In Johann Wolfgang von Goethes Gedicht "Der Zauberlehrling" klagt der Zauberschüler: "Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los." Ihn rettet am Ende sein Lehrmeister. Es ist die Frage, ob dieser immer zur Stelle ist.
Julia Kohl
Er wurde vergangenen Dienstag als Auftakt der Filmreihe "Uranium Film Features" im Goethe-Zentrum und dem Habitat Center in Katutura ausgestrahlt. Gemeinsam mit dem Swakopmund Hotel und Entertainment Center werden diese drei Veranstaltungsorte bis Ende Mai mit Filmen aus verschiedenen Ländern über den Uranabbau informieren. Die nächste Dokumentation "Poisonous Legacy of Uranium" (Das giftige Erbe des Urans), die kommenden Donnerstag, den 5. April um 18 Uhr, im Habitat Center präsentiert wird, zeigt die Folgen der Urangewinnung in Gabun und Niger.
Dass das Thema Uranabbau in Namibia viele Menschen beschäftigt, zeigen die vollen Stuhlreihen bei der Afrika Premiere. Die knapp zweistündige Dokumentation nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in Bergbauschächte und die Einöden des Tagebaus. Bei unschuldigen Spieluhrklängen fahren überdimensionale Riesentrucks uranhaltiges Gestein durch die Wüste, nachdem Staubfontänen auf Knopfdruck der namibischen Sprengmeisterin aus dem Felsmassiv geschossen kamen, die die Sonne verdunkelten. Der Zuschauer begleitet einen ostdeutschen ehemaligen Wismut-Arbeiter zum Arzt und starrt mit ihm auf die Röntgenaufnahme seiner Lunge, auf der ein golfballgroßer Schatten zu sehen ist, der dort nicht hingehört.
Die Stimme aus dem Off liefert in melancholischem Tonfall Zahlen, Fakten und Vergleiche, die es kaum schaffen, das Erbe des Abbaus eines radioaktiven Materials mit einer Halbwertszeit von 4468 Milliarden Jahren fassbar zu machen. Manager und Vorsitzende der Bergbaugesellschaften in verschiedenen Ländern reden von Investitionen in die Sicherheit und Gesundheit ihrer Arbeitskräfte, der sauberen Energiegewinnung, den volkswirtschaftlichen Vorteilen und die Ungefährlichkeit des Uranabbaus, der funktioniere wie die Gewinnung eines jeden anderen Rohstoffes. Unter dem Schild der Rössing-Mine steht "Our goal is zero accidents." (Unser Ziel ist absolute Sicherheit).
Die Arbeiter dagegen schweigen oft. Auf die Frage, ob sie die Strahlenbelastungsgrenze für ihren Körper kenne, schaut eine junge Ovambo-Frau, die in der Rössing-Mine bei Swakopmund arbeitet, lange zur Seite bis sie antwortet: "Nicht wirklich". Am nächsten Tag sitzt sie beim Friseur, lässt sich die Haare einflechten und die Nägel lackieren. Sie verdient mehr als die durchschnittliche Bevölkerung und ist glücklich, dank der Frauenquote als eine von 1300 Arbeitern in der Mine Geld eine feste Anstellung zu haben. Ohne die könnte sie sich ihr Studium - Sicherheitsmanagement - nicht finanzieren.
"Ich möchte nicht von oben herab schauen und den Zeigefinger erheben", sagt Joachim Tschirner, der Regisseur und Leiter der deutschen Filmproduktionsgesellschaft Umweltfim. "Der Film soll zeigen, warum die Welt so ist, wie sie ist." Letztendlich, sagt er, geht es immer ums Geld - nicht um eine andere Energiegewinnung und auch nicht in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen. "Wenn die Gewinne privatisiert, die Risiken jedoch sozialisiert werden, ist das nicht richtig", sagt der stämmige dunkelhaarige Mann mit dem silbergrauen Bart.
Er sei nicht als Umweltaktivist geboren worden, sagt der 64-Jährige. Aufgewachsen in Wittenberge in Brandenburg sei er oft schweißgebadet nachts aufgewacht aus Angst vor dem Kalten Krieg. In diesem Klima sei die Vision von der friedlichen Nutzung der Atomkraft wie ein Hoffnungsschimmer am Horizont aufgetaucht. "Doch unsere Unschuld haben wir von Anfang an verloren", sagt Tschirner, "es war nie möglich, die Risiken und die Folgen unter Kontrolle zu halten."
"Der Uranabbau in Namibia wird schon bald einen gewaltigen Effekt auf den Tourismus haben", sagt Klaus von Ludwiger, der seit 14 Jahren in der Tourismusbranche tätig ist. "Ich habe schon jetzt Freunde aus dem deutschsprachigen Raum, die hier keinen Urlaub mehr machen wollen." Welchen Einfluss die verstrahlten Partikel auf die Vegetation hätten, die die Ostwinde von der Rössing-Mine ins Landesinnere tragen, würde ihn interessieren. Oder die Gefahr verstrahlter Seen für Pelikane, die von Walvis Bay nach Etosha ziehen. "Die Natur ist doch unsere größte Ressource, es ist höchste Zeit aufzuwachen," sagt der Namibier.
"Ich arbeite in Walvis Bay, da ist jeder zweite in irgendeiner Form bei der Rössing-Mine beschäftigt", erzählt Cornelius Lätzsch aus Süddeutschland, der als Freiwilliger im Land arbeitet. "Da ist es verständlich, dass die Haltung gegenüber Atomkraft positiver ist, als in Deutschland." Gerade deshalb sei es wichtig, solche Filme der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Auch Charlotte Reith, die für sechs Monate beim NTN beschäftigt ist, findet dies ein wichtiges Thema. "Es kann nicht sein, dass Deutschland die Verantwortung der Stromproduktion auf Länder wie Namibia abwälzt. Hier sind noch weniger Steuergelder zur Beseitigung des radioaktiven Mülls vorhanden als in Deutschland."
"Die Frage, die hinter diesen ganzen Diskussionen steht, ist am Ende eine lebensphilosophische", sagt Tschirner nachdenklich, "dürfen wir alles, was wir können? Das muss jeder für sich selbst beantworten." In Johann Wolfgang von Goethes Gedicht "Der Zauberlehrling" klagt der Zauberschüler: "Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los." Ihn rettet am Ende sein Lehrmeister. Es ist die Frage, ob dieser immer zur Stelle ist.
Julia Kohl
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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