Die Guanoinsel auf Bird Rock (4. Folge)
Das Lebenswerk eines Mannes, der durch Fleiß, Ausdauer und den Glauben an seine Idee endlich zum Erfolg gelangt
DER SELTSAMSTE VOGELTISCH DER WELT
Die Entstehung der ersten künstlichen Guanoinsel – Kapitel 2 (Teil 1/3)
Es war im Jahre 1923, als Adolf Winter zum ersten Mal mit dem Zug von Swakopmund nach Walvis Bay fuhr und einen Felsen im Meer bemerkte, der übersät war mit Hunderttausenden von Vögeln. Es war gerade Ebbe, und das flache Felseneiland hob sich etwa einen halben Meter aus dem Wasser heraus. Während der Rückfahrt einige Stunden später war alles verschwunden, nur die Wellen tobten aber dem untergetauchten Felsen. Da er beruflich in Walvis Bay zu tun hatte, konnte er in den folgenden Jahren fast täglich dieses Phänomen beobachten, und er überlegte, wie er den wertvollen Guano, der immer wieder durch die Flut weggespült wurde, retten konnte. So entstand die Idee einer Plattform, die den Seevögeln einen sicheren Zufluchtsort bieten konnte, wo sie sich ansiedeln und nisten konnten.
Es gab aber noch andere außer ihm, die diesen Gedanken verfolgten. So pachtete 1925 Herr Offen diesen Felsen, der Bird Rock, also Vogelfels, genannt wurde, von der sudafrikanischen Eisenbahn-und Hafenbehörde (S.A.R.&H.). Als Versuch ließ er einen Betonpfeiler in die Mitte des Felsens setzen, aber schon am nächsten Tag hatte das Meer ihn wieder fortgerissen. Also mußten andere Wege gefunden werden, um der Gewalt des Wassers Herr zu werden. Winter glaubte, die Lösung des Problems gefunden zu haben, und bot Offen an, einen kleinen Tisch nach seiner Idee auf Bird Rock zu bauen. Dieser jedoch lehnte das Angebot mit der Begründung ab, daß sein Berater, scheinbar ein Ingenieur, die Errichtung jeglicher Konstruktion auf diesem Felsen der starken Brandung wegen für unmöglich halte. Als Winter ein Jahr später sein Angebot wiederholte, lautete die Antwort, er sei kein Narr und wolle sich nicht noch mehr vor den Leuten blamieren.
Als 1930 die Pachtzeit abgelaufen war, griff Winter dann selber zu. Da dieses Unternehmen recht kostspielig werden wurde und er keinerlei Vermögen besaß, versuchte er, Partner dafür zu gewinnen. Die Folge aber war nur der Spott der Swakopmunder Gesellschaft, den „verrückten Winter“ nannten sie ihn, weil er etwas völlig Aussichtsloses unternehmen wollte und dabei Tausende von Pfundscheinen „ins Wasser warf“. Winter aber verfolgte sein Ziel unbeirrt weiter. Zuerst ermittelte er die Druckkraft und den Hochwasserstand des Wassers, und auch den Untergrund untersuchte er genauestens. Nach vielen Berechnungen unzähligen Arbeitsstunden in seiner Werkstatt entstand im März 1930 dann der erste Tisch. Er war 4 x 4 m groß, 3 m hoch und stand auf vier Beinen. Als die Konstruktion fertig aufgestellt war, setzte Adolf Winter sich auf eine Düne und beobachtete gespannt das weitere Geschehen. Schon nach fünf Minuten ließen sich die ersten Vögel darauf nieder - sie also hatten größeres Vertrauen in Winters Schöpfung als die Menschen! Schon bald war die Plattform mit Vögeln bevölkert. Die erste Flut kam und ging - die Insel hielt der Brandung stand! Nach einigen bangen Wochen des Wartens stand sie noch immer, und somit war der Beweis für Winters geniale Idee erbracht.
Dieser erste Versuchstisch stand aber nicht auf Bird Rock, sondern auf einem vorgelagerten Felsen in Küstennähe. Zwei Monate nach diesem ersten Erfolg baute Winter dann eine größere Plattform für Bird Rock. Nun sah die Guanogewinnung schon vielversprechender aus, und es boten sich zwei Herren unter vielen Versprechungen als Partner an. Diese erwiesen sich aber bald als eine schlechte Wahl, denn sie verursachten viel Ärger, und Winter mußte fast alle Unkosten selber tragen.
Im Jahre 1931 erhielt er eine Erbschaft aus Amerika in Halle von US$ 800. Mit diesem Geld bestellte er sogleich Eisenpfahle aus Deutschland, mit besonderer Spezifikation. Um eine schnelle Zersetzung durch das Meer zu verhindern, ließ er sie aus einer Chrom-Eisen-Kupfer-Legierung herstellen. Zur gleichen Zeit überflutete das Kuiseb-Rivier Walvis Bay, und er konnte für £ 400 beschädigtes Holz kaufen. Da er aber kein Geld besaß, mußte er eine Hypothek auf seine zwei Grundstücke aufnehmen. Mit diesem Material konnte er dann im August seine Plattform auf 1 600 qm vergrößern.
Stück für Stück baute er weiter. Mit jeder jährlichen Guanoernte fügte er der Insel ein paar hundert Quadratmeter Boden hinzu, bis sie 1937 3 300 qm maß. Dies war damals recht riskant, denn die Wirtschaftslage im Lande war von Trockenheit gezeichnet, und auch in anderen Ländern herrschten Wirtschaftskrisen. Außerdem stellten sich die Leute dem Unternehmen noch immer ablehnend gegenüber, selbst der Bürgermeister bespöttelte ihn. Die Folgen waren schwerwiegend: er verlor seinen Kredit, und seine Hypothek wurde gestrichen. Nun mußte er Geld unter teuren Bedingungen leihen und auch Personal seiner Tischlerei entlassen. Da er dem Bankrott nahe war, nahm seine Frau eine Stellung als Verkäuferin an. Die Erweiterungen selbst waren lediglich durch den Erlos aus dem Guano möglich. Nur sein unerschütterlicher Glaube an dieses Projekt ließen ihn alle Schicksalsschlage ertragen.
Schließlich, im Jahre 1938, fand Winter einen zahlungsunfähigen Interessenten, der mit seinem Geld in das Unternehmen einstieg. Im Dezember desselben Jahres bekam der Partner eine Schiffsladung schwedischen Holzes, und mit einem Teil dieser Fracht konnte Winter dann die Plattform zwei Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf ihre heutige Größe bringen, nämlich 17 000 qm.
Für Winter folgten aber wieder schwere Zeiten, in denen er hart um seine Insel kämpfen mußte. Endlich im Jahre 1943 waren sämtliche Schulden getilgt und alle anderen Hindernisse aus dem Wege geräumt, so daß Winter nach 14 Jahren schwerer Arbeit zum ersten Mal einen Profit aus der Guanoernte von Bird Rock verzeichnen konnte und somit endlich die Früchte seiner genialen Erfindung ernten durfte.
So steht seit 1939 zwischen Swakopmund und Walvis Bay der „größte Tisch der Welt“ auf etwa tausend Beinen! Dieses erstaunliche Lebenswerk Adolf Winters ließ nun alle höhnenden Spötter verstummen, und es war ihm eine Genugtuung, seine Idee durch Erfolg gekrönt zu sehen. Diese erste künstliche Vogelinsel hat etliche Interessenten angelockt und viele, vor allem deutsche Zeitungen und Illustrierte haben von diesem Riesentisch, seinen Bewohnern und seinem Erfinder erzählt. Auch in einigen wissenschaftlichen Abhandlungen wird von ihr und ihrer Entstehung berichtet.
Bestimmt hatte manch einer es Winter gerne nachgemacht, aber es gibt an der ganzen südlichen Westküste Afrikas keinen gleich günstigen Untergrundfelsen, der den Bau einer Vogelplattform gestatten würde. So ist Bird Rock bis zum heutigen Tage die einzige künstliche, im Ozean stehende Guanoinsel der Welt geblieben! Und die Lösung des Problems? Gebe den Wellen den geringsten Widerstand!
Die Entstehung der ersten künstlichen Guanoinsel – Kapitel 2 (Teil 1/3)
Es war im Jahre 1923, als Adolf Winter zum ersten Mal mit dem Zug von Swakopmund nach Walvis Bay fuhr und einen Felsen im Meer bemerkte, der übersät war mit Hunderttausenden von Vögeln. Es war gerade Ebbe, und das flache Felseneiland hob sich etwa einen halben Meter aus dem Wasser heraus. Während der Rückfahrt einige Stunden später war alles verschwunden, nur die Wellen tobten aber dem untergetauchten Felsen. Da er beruflich in Walvis Bay zu tun hatte, konnte er in den folgenden Jahren fast täglich dieses Phänomen beobachten, und er überlegte, wie er den wertvollen Guano, der immer wieder durch die Flut weggespült wurde, retten konnte. So entstand die Idee einer Plattform, die den Seevögeln einen sicheren Zufluchtsort bieten konnte, wo sie sich ansiedeln und nisten konnten.
Es gab aber noch andere außer ihm, die diesen Gedanken verfolgten. So pachtete 1925 Herr Offen diesen Felsen, der Bird Rock, also Vogelfels, genannt wurde, von der sudafrikanischen Eisenbahn-und Hafenbehörde (S.A.R.&H.). Als Versuch ließ er einen Betonpfeiler in die Mitte des Felsens setzen, aber schon am nächsten Tag hatte das Meer ihn wieder fortgerissen. Also mußten andere Wege gefunden werden, um der Gewalt des Wassers Herr zu werden. Winter glaubte, die Lösung des Problems gefunden zu haben, und bot Offen an, einen kleinen Tisch nach seiner Idee auf Bird Rock zu bauen. Dieser jedoch lehnte das Angebot mit der Begründung ab, daß sein Berater, scheinbar ein Ingenieur, die Errichtung jeglicher Konstruktion auf diesem Felsen der starken Brandung wegen für unmöglich halte. Als Winter ein Jahr später sein Angebot wiederholte, lautete die Antwort, er sei kein Narr und wolle sich nicht noch mehr vor den Leuten blamieren.
Als 1930 die Pachtzeit abgelaufen war, griff Winter dann selber zu. Da dieses Unternehmen recht kostspielig werden wurde und er keinerlei Vermögen besaß, versuchte er, Partner dafür zu gewinnen. Die Folge aber war nur der Spott der Swakopmunder Gesellschaft, den „verrückten Winter“ nannten sie ihn, weil er etwas völlig Aussichtsloses unternehmen wollte und dabei Tausende von Pfundscheinen „ins Wasser warf“. Winter aber verfolgte sein Ziel unbeirrt weiter. Zuerst ermittelte er die Druckkraft und den Hochwasserstand des Wassers, und auch den Untergrund untersuchte er genauestens. Nach vielen Berechnungen unzähligen Arbeitsstunden in seiner Werkstatt entstand im März 1930 dann der erste Tisch. Er war 4 x 4 m groß, 3 m hoch und stand auf vier Beinen. Als die Konstruktion fertig aufgestellt war, setzte Adolf Winter sich auf eine Düne und beobachtete gespannt das weitere Geschehen. Schon nach fünf Minuten ließen sich die ersten Vögel darauf nieder - sie also hatten größeres Vertrauen in Winters Schöpfung als die Menschen! Schon bald war die Plattform mit Vögeln bevölkert. Die erste Flut kam und ging - die Insel hielt der Brandung stand! Nach einigen bangen Wochen des Wartens stand sie noch immer, und somit war der Beweis für Winters geniale Idee erbracht.
Dieser erste Versuchstisch stand aber nicht auf Bird Rock, sondern auf einem vorgelagerten Felsen in Küstennähe. Zwei Monate nach diesem ersten Erfolg baute Winter dann eine größere Plattform für Bird Rock. Nun sah die Guanogewinnung schon vielversprechender aus, und es boten sich zwei Herren unter vielen Versprechungen als Partner an. Diese erwiesen sich aber bald als eine schlechte Wahl, denn sie verursachten viel Ärger, und Winter mußte fast alle Unkosten selber tragen.
Im Jahre 1931 erhielt er eine Erbschaft aus Amerika in Halle von US$ 800. Mit diesem Geld bestellte er sogleich Eisenpfahle aus Deutschland, mit besonderer Spezifikation. Um eine schnelle Zersetzung durch das Meer zu verhindern, ließ er sie aus einer Chrom-Eisen-Kupfer-Legierung herstellen. Zur gleichen Zeit überflutete das Kuiseb-Rivier Walvis Bay, und er konnte für £ 400 beschädigtes Holz kaufen. Da er aber kein Geld besaß, mußte er eine Hypothek auf seine zwei Grundstücke aufnehmen. Mit diesem Material konnte er dann im August seine Plattform auf 1 600 qm vergrößern.
Stück für Stück baute er weiter. Mit jeder jährlichen Guanoernte fügte er der Insel ein paar hundert Quadratmeter Boden hinzu, bis sie 1937 3 300 qm maß. Dies war damals recht riskant, denn die Wirtschaftslage im Lande war von Trockenheit gezeichnet, und auch in anderen Ländern herrschten Wirtschaftskrisen. Außerdem stellten sich die Leute dem Unternehmen noch immer ablehnend gegenüber, selbst der Bürgermeister bespöttelte ihn. Die Folgen waren schwerwiegend: er verlor seinen Kredit, und seine Hypothek wurde gestrichen. Nun mußte er Geld unter teuren Bedingungen leihen und auch Personal seiner Tischlerei entlassen. Da er dem Bankrott nahe war, nahm seine Frau eine Stellung als Verkäuferin an. Die Erweiterungen selbst waren lediglich durch den Erlos aus dem Guano möglich. Nur sein unerschütterlicher Glaube an dieses Projekt ließen ihn alle Schicksalsschlage ertragen.
Schließlich, im Jahre 1938, fand Winter einen zahlungsunfähigen Interessenten, der mit seinem Geld in das Unternehmen einstieg. Im Dezember desselben Jahres bekam der Partner eine Schiffsladung schwedischen Holzes, und mit einem Teil dieser Fracht konnte Winter dann die Plattform zwei Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf ihre heutige Größe bringen, nämlich 17 000 qm.
Für Winter folgten aber wieder schwere Zeiten, in denen er hart um seine Insel kämpfen mußte. Endlich im Jahre 1943 waren sämtliche Schulden getilgt und alle anderen Hindernisse aus dem Wege geräumt, so daß Winter nach 14 Jahren schwerer Arbeit zum ersten Mal einen Profit aus der Guanoernte von Bird Rock verzeichnen konnte und somit endlich die Früchte seiner genialen Erfindung ernten durfte.
So steht seit 1939 zwischen Swakopmund und Walvis Bay der „größte Tisch der Welt“ auf etwa tausend Beinen! Dieses erstaunliche Lebenswerk Adolf Winters ließ nun alle höhnenden Spötter verstummen, und es war ihm eine Genugtuung, seine Idee durch Erfolg gekrönt zu sehen. Diese erste künstliche Vogelinsel hat etliche Interessenten angelockt und viele, vor allem deutsche Zeitungen und Illustrierte haben von diesem Riesentisch, seinen Bewohnern und seinem Erfinder erzählt. Auch in einigen wissenschaftlichen Abhandlungen wird von ihr und ihrer Entstehung berichtet.
Bestimmt hatte manch einer es Winter gerne nachgemacht, aber es gibt an der ganzen südlichen Westküste Afrikas keinen gleich günstigen Untergrundfelsen, der den Bau einer Vogelplattform gestatten würde. So ist Bird Rock bis zum heutigen Tage die einzige künstliche, im Ozean stehende Guanoinsel der Welt geblieben! Und die Lösung des Problems? Gebe den Wellen den geringsten Widerstand!
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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