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Die Hilltop Boys gegen das Verbrechen

Was kann die Eros-Nachbarschaftswache? Eindrücke von einer nächtlichen Patroullie
WAZon-Redakteur
Von Robert Hofmann, Windhoek

Pechschwarz ist der Himmel, aus dem kühle Regentropfen auf mich fallen, während ich auf Patrick Ohle und Rolf Böringer warte. Um 21 Uhr wollen sie mich am Parkplatz Kuisebstraße/Ecke Nelson-Mandela-Avenue in Eros einsammeln. Als sie um zehn nach neun da sind, bin ich bereits durchnässt und mir ist kalt. „Heute wird es eine ruhige Nacht“, sagt Patrick gleich zu Anfang. Er hat Recht.

Böringer und Ohle fahren jeden Mittwochabend zwischen 21 und 23 Uhr für die Eros-Nachbarschaftswache durch Eros und Eros-Park in Windhoek und passen auf. „Die Hauptaufgabe der Nachbarschaftswache ist es, das Bewusstsein und Wachsamkeit für Kriminalität zu erhöhen, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und diese sowie andere Sicherheitsorganisationen darin zu unterstützen, Kriminalität zu mindern sowie Sicherheit und Schutz der Anwohner und Besucher der Stadtteile zu verstärken.“

Im Auto läuft die Patrouillen-Playlist der beiden. Deutsche Schlager. Grob erklärt Ohle mir zu einer Techno-Schlager-Version von Roland Kaisers „Dich zu lieben“, was mich erwartet. „Wir fahren jetzt die Straßen ab und gucken, ob uns etwas Verdächtiges auffällt. Außerdem kontrollieren wir die Zäune am Rand des Wohngebiets, die die Grenze zum Busch oder Rivieren schließen. Von da kommen die nämlich meistens rein.“ „Die“, das sind die Einbrecher, die Räuber. „Wir hatten hier auch schon mal eine versuchte Vergewaltigung“, erzählt Ohle. „Die Polizei hat dann sofort Straßensperren nach Katutura errichtet und alle kontrolliert, die durchkamen. Was aber daraus geworden ist, weiß ich nicht. Wir geben sowas nur weiter.“

Seit dreieinhalb Jahren sind Ohle und Böringer dabei. Sie sind organisiert in der Untergruppe der „Hilltop Boys“, ein Freundeskreis, der gemeinsam der Nachbarschaftswache beigetreten ist.

Über 1000 Leute dabei

Insgesamt sind knapp über tausend Personen mehr oder weniger fester Teil der Eros-Nachbarschaftswache. Organisiert sind die über verschiedene WhatsApp-Gruppen. Es gibt eine für die Leute, die mit der Polizei in Verbindung stehen, in dem Fall für den Vorsitzenden Deon Obbes, eine für die, die ihre Hunde mitnehmen - die ebenfalls besondere Hundemarken erhalten - , eine für einzelne kleinere Gruppen, die sich untereinander koordinieren - wie die Hilltop Boys -, schließlich eine große, in der jeder schreiben kann, worauf andere achten sollen, was sie beobachtet oder erlebt haben. Hier finden sich Fotos erschlagener Schlangen, Sachbeschädigungen, verdächtige Fahrzeuge oder Gegenstände und grobkörnige Fotos von Menschen, die verdächtig durch Eros geschlichen sind - meistens schlecht gekleidete Schwarze.

„Ich meine das gar nicht rassistisch“, sagt Ohle. „Ganz ehrlich, wenn ich arm wäre, arbeits- und perspektivlos, bliebe mir doch auch nichts anderes übrig, als kriminell zu werden.“ Und tatsächlich ist es eher eine Frage des Gefälles zwischen Arm und Reich als zwischen den Hautfarben, denn in Eros wohnen keineswegs nur Weiße. Hier wohnt, wer einen gutbezahlten Job hat. Regierungsangestellte genauso wie Handwerker oder Journalisten. „Wir wollen einfach nur gucken, dass niemandem etwas passiert und es hier sicher ist“, sagt Ohle.

Ein Zaun als Grenze

Wir machen gerade eine Pause auf einem Aussichtspunkt, von dem aus man über ganz Eros blicken kann. Es donnert und blitzt über uns und es ist geradezu kalt für Windhoek. Es hat dann etwas von „Der König der Löwen“, wenn Ohle mit einer Bewegung des Arms bedeutet, was alles zu dem Gebiet gehört, das er jeden Mittwoch zwei Stunden kontrolliert. „Siehst du die Lichter da vorne? Von dort bis da hinten, wo das Auto gerade lang fährt, das ist der Bereich, in dem wir patrouillieren. Die Olof-Palme-Straße bis zur Metjestraße bildet dabei die Grenze im Osten, die Metjestraße bis zur Uhlandstraße die Grenze im Süden, Uhlandstraße bis Robert-Mugabe-Avenue und diese entlang bildet die Ostgrenze. Die Nordgrenze ist nicht ganz klar definiert, die ist offen in Richtung Busch. Dort steht deswegen ein rasierklingenscharfer Zaun, um potenzielle Kriminelle abzuschrecken. „500000 Namibia-Dollar haben wir von der Nachbarschaftswache dafür gezahlt“, sagt Ohle.

An drei, vier Stellen stehen Zäune, die das Emblem der Wache tragen. An vielen Stellen zeigt Ohle, wo der Zaun bereits geflickt werden musste. „Immer wieder schneiden die Stücke raus, um da reinzukommen. Wenn wir das sehen, machen wir die Löcher sofort wieder zu - wer weiß, vielleicht schneiden wir damit ja jemandem den Fluchtweg ab.“

Der Zaun steht seit gut drei Monaten. Ein lokales Unternehmen hat maßgeblich an der Errichtung mitgewirkt. Aber auch der Stadtverwaltung fällt hier ein Stück Verantwortung zu. Schließlich ist es nicht selbstverständlich, dass eine private Initiative ohne Weiteres auf unbebautem Gebiet Zäune errichten darf. So ist der Zaun auch als Symbol der Zusammenarbeit zwischen offiziellen Stellen und Nachbarschaftswache zu verstehen.

Alles auf freiwilliger Basis

Finanziert wird die Nachbarschaftswache durch Spenden. Die kommen auf freiwilliger Basis, genau wie die Bereitschaft, Patrouille zu fahren. Niemand verdient Geld hierbei. „Wenn wir Gebühren nehmen würden, wer weiß, was wir uns dann alles leisten könnten“, sagt Ohle. Seinen Beitrag entrichtet er durch die Patrouille. „Ich will dabei natürlich auch mein Viertel besser kennenlernen. Denn wenn du weißt, was los ist, lebst du selbst auch sicherer.“ Außerdem fördere die Nachbarschaftswachse das Gemeinschaftsgefühl der Anwohner.

Als die Nachbarschaftswachen vor etwa vier Jahren in Okahandja entstanden, nahm war die Kriminalität auf einem hohen Stand. Die Polizei war überfordert, weswegen die Bürger die Sache notgedrungen selbst in die Hand nahmen. Das Konzept ging auf. Die Kriminalität in Okahandja ging zurück. Bald schwappte die Idee über nach Swakopmund, wo viele Anwohner Ferienhäuser besaßen. Auch hier ging die Kriminalität zurück. So war es nur logisch, dass auch in Windhoek Nachbarschaftswachen entstanden.

Nach anfänglicher Skepsis akzeptierte die Polizei bald die Hilfe aus der Bevölkerung. Schließlich hatte sie zu wenig Leute, zu wenig Autos, zu wenig Sprit - warum nicht die wohlhabenden Leute selbst rumfahren, Ausschau halten lassen und somit nur rausfahren zu müssen, wenn wirklich etwas passiert war. Die Strafverfolgung blieb bei der Polizei, nur die Streife wurde ausgelagert. Ein fairer Deal. Deshalb stehen Nachbarschaftswachen heute auch in ständigem Kontakt mit der Polizei. Wer auf Patrouille ist, weiß, welcher Polizist zu der Zeit draußen und ansprechbar ist.

Mittwochabend ist es Sergeant Davids. „Sergeant Davids hat gerade unten beim Roof of Africa ein paar gekriegt“, sagt Ohle. Wir fahren hin. Davids unterhält sich gerade mit einem ziemlich klein wirkenden Verdächtigen. Verschüchtert steht er da und beantwortet die Fragen des Polizisten, in dessen Wagen bereits zwei Leute eingesperrt sind. „Das Nummernschild von dem kenne ich“, sagt Ohle. Der hat schon mal Ärger gemacht. Das sagt er auch Davids. Wir machen ein Foto, dann fahren wir weiter.

„Man kennt irgendwann die Autos, die hier so rumstehen. So weiß man auch sofort, wenn etwas nicht stimmt“, erklärt Ohle. Nur selten passiere wirklich etwas Kriminelles, sagt er, aber die Eros-Nachbarschaftswache ist auch nicht nur dafür da. „Einmal hatten wir hier einen tollwütigen Kudu.“ Auch bei Wasserschäden, ausgesperrten Hunden oder offenstehenden Toren schreitet sie ein, „denn jedes offene Tor ist im Prinzip eine Einladung, gerade bei älteren Bewohnern“, sagt Ohle. Bei ihm, erzählt er, „standen sie schon zweimal im Schlafzimmer“. Er habe dann seine Pistole durchgeladen. Dadurch habe er sie vertrieben. Seine Waffe nimmt er auf Patrouille nicht mit. „Das bringt dich nur in Versuchung. Wenn du eine Waffe ziehst, musst du auch schießen. Das will ich nicht. Wir sind nicht die Polizei.“

Ein verdächtiges Auto

Auf der Olof-Palme-Straße steht kurz vor Ende der Schicht ein verdächtiges Auto. Ein junger Mann sitzt darin und telefoniert. „Wir fahren jetzt mal um den Block. Wenn wir wiederkommen und der immer noch hier steht, müssen wir was machen“, sagt Ohle. Wir fahren also weiter, langsam, fast in Schrittgeschwindigkeit. Immer wieder muss der dicke Bakkie Autos vorbeilassen. Es wird spannend. Jetzt zeigt sich, woraus die Männer der Nachbarschaftswache gemacht sind. Denn das Auto steht noch da. Langsam fahren wir heran, wenden, damit Ohles Seite auf der Fahrerseite des anderen ist. Ohle bedeutet dem Mann, sein Fenster aufzumachen und macht das gleiche.

„Was machst du hier?“, fragt Ohle. Der andere scheint verunsichert. Was will der Mann, scheint er sich zu fragen. „Ich stehe hier nur.“ „Wartest du auf jemanden?“, fragt Ohle. „Nein“, sagt der andere, „ich wohne hier“. Das muss reichen. Mehr kann Ohle nicht tun, wenn er nicht die Polizei rufen möchte. Aber er glaubt dem Mann auch. „Und wenn er wirklich was anderes plant, hat er jetzt zumindest das Gefühl, dass er beobachtet wird“, erklärt er. Die Kriminalität nimmt seit Jahren ab, durch den Bau des Zauns sei auch noch einmal ein Rückgang zu verzeichnen, sagt Ohle.

Die Nachbarschaftswache hat nicht viel zu tun an diesem Abend. Als das Schlagermobil mich um 23 Uhr Zuhause absetzt, ist nichts Aufregenderes passiert, als ein parkender Wagen mit einem telefonierenden Menschen darin. Aber es regnet immer noch.

„Manchmal sehen wir Tiere, ich bin ein großer Tierfreund“, erzählt Ohle. Einmal sogar einen Schakal. „Wenn wir Tiere sehen, melden wir das nicht. Wir stellen uns einfach in die Nähe und beobachten die Tiere.“ Dass sich die beiden das leisten können, beweist bereits, dass das Konzept der Eros-Nachbarschaftswache aufgeht.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-24

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