Die hohe Kunst des Wurzelziehens
Eigentlich ist Gero Diekmann ein besonnener Mensch, jemand, der sich Zeit lässt, um die richtigen Worte zu finden. Jetzt aber, am Ort des "Verbrechens", sprudeln sie geradezu aus ihm heraus: "Eine Kraterlandschaft!", ruft er, "wie auf dem Mond!". Kopfschüttelnd geht er von Loch zu Loch, zuckt ratlos mit den Schultern. "Jahrzehntelang lief das so. Eine unglaubliche Ignoranz, ein mangelndes Bewusstsein für Nachhaltigkeit!" Zwischen den Gruben - die dort sind, wo früher einmal Teufelskrallen wuchsen - liegt ein abgenagter Maiskolben. Diekmann hebt ihn auf. "Hier irgendwo haben sie gehaust", sagt er und zeigt auf das Buschwerk.
"Sie": Das ist eine Gruppe von Teufelskrallen-Räubern, größtenteils aus Okahandja. Wochenlang buddelten sie die wertvollen Heilpflanzen aus dem Boden, verwandelten hektarweise Farmland in Schweizer Käse. Unentdeckt, in sicherem Abstand zur nächsten Straße rissen sie die Gewächse aus der Erde, mitsamt der überlebenswichtigen Mutterwurzel. Die Beute verkauften sie an einen Agenten, einen Zwischenhändler - anschließend ging das Diebesgut ins Ausland.
Der entscheidende Hinweis kam von einem Angestellten. Eilig trommelten Diekmann und sein Nachbar, dem die betroffene Farm gehört, ein kleines Team zusammen, informierten die örtliche Polizei. "Nachts kamen wir, parkten unsere Autos in einiger Entfernung und verfolgten ihre Spuren. Sie saßen gerade ahnungslos am Lagerfeuer ..."
Genau weiß Diekmann nicht, was aus den unerwünschten Besuchern wurde - einige seien für ein paar Monate "in den Bau" gewandert. Verständnis habe er schon für ihr Verhalten, schließlich seien es die Ärmsten der Armen, die sich auf diese Weise ihr Geld verdienten. "Sie sind den Agenten ausgeliefert, "sagt er, "Es gibt in Namibia ein paar Tausend, die graben. Und 15 bis 20 Agenten, die die Teams irgendwo im Busch absetzen und die Ware anschließend abholen."
Der Handel mit der Teufelskralle ist ein lukratives Geschäft. Weil der Pflanze geradezu unerhörte Heilkräfte zugeschrieben werden, verkaufen sich die Produkte aus den bis zu ein Meter langen Wurzeln wie warme Semmeln: Als Tee, als Tabletten, als Dragees - für Mensch, Pferd oder Hund. Vor allem in Europa sitzen die Abnehmer. Teufelskralle, so wird behauptet, hilft gegen Rheuma, Rückenschmerzen, Arthrose oder Verdauungsbeschwerden. Ihren Namen verdankt "Harpagophytum Procumbens" der Saatkapsel bzw. ihren tückischen Dornen: Passt man nicht auf, bohren sie sich in Fleisch und Kleidung.
Das Problem ist, dass die Pflanze meist unsachgemäß geerntet wird. Ein Verbrechen an Mutter Natur, dem Gero Diekmann den Kampf angesagt hat. Zwischen 300 und 400 Tonnen Teufelskralle - etwa sechs bis acht Millionen Pflanzen - werden jährlich aus Namibia ausgeführt. Damit hat das Land einen Weltmarktanteil von etwa 90 Prozent. "Wenn da nicht sachgemäß geerntet wird", sagt Diekmann, "dann hat das wirtschaftliche Konsequenzen". Aus diesem Grund bildet der Rinderzüchter seit vier Jahren selbst Teufelskrallen-Gräber aus, lässt die zertifizierten Arbeiter währen der Erntesaison zwischen März und Oktober auf eigenem und fremdem Farmland graben. Anschließend kauft er die Ernte auf und exportiert sie nach Europa.
Einer der vielen Arbeiter, die ihr Handwerk bei Diekmann gelernt haben, ist Sylvanus Hanghombe. Behende schwingt er draußen im Veld die Hacke, durchwühlt den Boden nach den wertvollen Wurzeln. Besondere Herausforderung: Die in der Mitte liegende Mutterwurzel, Herz und Seele der Pflanze, darf unter keinen Umständen beschädigt werden. Nur sie Sie garantiert das Überleben der Teufelskralle und eine nächste Ernte nach drei bis vier Jahren Schonungszeit.
Nachdem Sylvanus die Wurzeln aus dem Boden geholt hat, verschließt er das Loch und steckt einen Stock in den Boden. Daran befestigt er ein farbiges Band, das eindeutig belegt, dass er - und kein anderer - dieser Pflanze zu Leibe gerückt ist. Auf diese Weise kann Diekmann später einschätzen, wie vorsichtig gearbeitet wurde, wie gut sein Konzept der "Nachhaltigkeit" funktioniert. Mit Sylvanus ist er dieses Mal allerdings nur mäßig zufrieden: "Er war nicht sehr sorgfältig", sagt er auf dem Rückweg zum Farmhaus. "Dort, wo er geerntet hat, sind zwei von zehn Pflanzen kaputt. Ideal wäre eine Überlebensquote von 90 Prozent."
Natürlich hat das Ausbildungsprogamm seinen Preis - eine Investition, die sich an anderer Stelle wieder auszahlt: Weil Diekmann auf Nachhaltigkeit achtet, darf er seine Exportware - getrocknete Wurzelscheiben oder fertige Medikamente - als "Bioware" bezeichnen. Und weil Bioprodukte für mehr Geld über den Ladentisch gehen als unsachgemäß geerntete Ware, profitieren auch seine Angestellten: "Das ist der soziale Aspekt des Ecoso-Konzeptes", sagt Diekmann. "Wenn die Erntearbeiter für einen Agenten tätig sind, dann besteht die Gefahr der Ausbeutung. Die Arbeit ist hart und die Ware wird in vielen Fällen schlecht bezahlt."
Obwohl Diekmann auf seiner 12 500 Hektar großen Farm inzwischen auch eine Teufelskrallen-Plantage betreibt, kann er auf die Agenten-Ware noch nicht verzichten: Bislang stammen 50 Prozent seiner Exportware aus konventionellem Ernte, aus den Händen oft wenig naturbewusster Zwischenhändler. "Ich habe trotzdem ein gutes Gefühl", sagt Diekmann: "Auf diesem Wege versuche ich, Einfluss auf die Agenten auszuüben. Ich will ihnen zeigen, wie man die Pflanzen schützen kann."
Sein Einfluss auf die Teufelskrallen-Käufer im fernen Europa hält sich allerdings in Grenzen. Immer noch kaufen diese vor allem die preisgünstigere Ware von anderen namibischen Exporteuren, scheren sich wenig um den Schutz der Wunderpflanze. Gerade mit deutschen Abnehmern habe Diekmann lange Verhandlungen geführt - letztendendlich ohne Erfolg.
Ein allmähliches Umdenken will der Farmer trotzdem beobachtet haben: "Schon seit den 60ern wird Teufelskralle angebaut", sagt er. "Erst jetzt, seit drei oder vier Jahren, fängt man an, ein bisschen darüber nachzudenken."
Informationen unter www.ecoso.net.
"Sie": Das ist eine Gruppe von Teufelskrallen-Räubern, größtenteils aus Okahandja. Wochenlang buddelten sie die wertvollen Heilpflanzen aus dem Boden, verwandelten hektarweise Farmland in Schweizer Käse. Unentdeckt, in sicherem Abstand zur nächsten Straße rissen sie die Gewächse aus der Erde, mitsamt der überlebenswichtigen Mutterwurzel. Die Beute verkauften sie an einen Agenten, einen Zwischenhändler - anschließend ging das Diebesgut ins Ausland.
Der entscheidende Hinweis kam von einem Angestellten. Eilig trommelten Diekmann und sein Nachbar, dem die betroffene Farm gehört, ein kleines Team zusammen, informierten die örtliche Polizei. "Nachts kamen wir, parkten unsere Autos in einiger Entfernung und verfolgten ihre Spuren. Sie saßen gerade ahnungslos am Lagerfeuer ..."
Genau weiß Diekmann nicht, was aus den unerwünschten Besuchern wurde - einige seien für ein paar Monate "in den Bau" gewandert. Verständnis habe er schon für ihr Verhalten, schließlich seien es die Ärmsten der Armen, die sich auf diese Weise ihr Geld verdienten. "Sie sind den Agenten ausgeliefert, "sagt er, "Es gibt in Namibia ein paar Tausend, die graben. Und 15 bis 20 Agenten, die die Teams irgendwo im Busch absetzen und die Ware anschließend abholen."
Der Handel mit der Teufelskralle ist ein lukratives Geschäft. Weil der Pflanze geradezu unerhörte Heilkräfte zugeschrieben werden, verkaufen sich die Produkte aus den bis zu ein Meter langen Wurzeln wie warme Semmeln: Als Tee, als Tabletten, als Dragees - für Mensch, Pferd oder Hund. Vor allem in Europa sitzen die Abnehmer. Teufelskralle, so wird behauptet, hilft gegen Rheuma, Rückenschmerzen, Arthrose oder Verdauungsbeschwerden. Ihren Namen verdankt "Harpagophytum Procumbens" der Saatkapsel bzw. ihren tückischen Dornen: Passt man nicht auf, bohren sie sich in Fleisch und Kleidung.
Das Problem ist, dass die Pflanze meist unsachgemäß geerntet wird. Ein Verbrechen an Mutter Natur, dem Gero Diekmann den Kampf angesagt hat. Zwischen 300 und 400 Tonnen Teufelskralle - etwa sechs bis acht Millionen Pflanzen - werden jährlich aus Namibia ausgeführt. Damit hat das Land einen Weltmarktanteil von etwa 90 Prozent. "Wenn da nicht sachgemäß geerntet wird", sagt Diekmann, "dann hat das wirtschaftliche Konsequenzen". Aus diesem Grund bildet der Rinderzüchter seit vier Jahren selbst Teufelskrallen-Gräber aus, lässt die zertifizierten Arbeiter währen der Erntesaison zwischen März und Oktober auf eigenem und fremdem Farmland graben. Anschließend kauft er die Ernte auf und exportiert sie nach Europa.
Einer der vielen Arbeiter, die ihr Handwerk bei Diekmann gelernt haben, ist Sylvanus Hanghombe. Behende schwingt er draußen im Veld die Hacke, durchwühlt den Boden nach den wertvollen Wurzeln. Besondere Herausforderung: Die in der Mitte liegende Mutterwurzel, Herz und Seele der Pflanze, darf unter keinen Umständen beschädigt werden. Nur sie Sie garantiert das Überleben der Teufelskralle und eine nächste Ernte nach drei bis vier Jahren Schonungszeit.
Nachdem Sylvanus die Wurzeln aus dem Boden geholt hat, verschließt er das Loch und steckt einen Stock in den Boden. Daran befestigt er ein farbiges Band, das eindeutig belegt, dass er - und kein anderer - dieser Pflanze zu Leibe gerückt ist. Auf diese Weise kann Diekmann später einschätzen, wie vorsichtig gearbeitet wurde, wie gut sein Konzept der "Nachhaltigkeit" funktioniert. Mit Sylvanus ist er dieses Mal allerdings nur mäßig zufrieden: "Er war nicht sehr sorgfältig", sagt er auf dem Rückweg zum Farmhaus. "Dort, wo er geerntet hat, sind zwei von zehn Pflanzen kaputt. Ideal wäre eine Überlebensquote von 90 Prozent."
Natürlich hat das Ausbildungsprogamm seinen Preis - eine Investition, die sich an anderer Stelle wieder auszahlt: Weil Diekmann auf Nachhaltigkeit achtet, darf er seine Exportware - getrocknete Wurzelscheiben oder fertige Medikamente - als "Bioware" bezeichnen. Und weil Bioprodukte für mehr Geld über den Ladentisch gehen als unsachgemäß geerntete Ware, profitieren auch seine Angestellten: "Das ist der soziale Aspekt des Ecoso-Konzeptes", sagt Diekmann. "Wenn die Erntearbeiter für einen Agenten tätig sind, dann besteht die Gefahr der Ausbeutung. Die Arbeit ist hart und die Ware wird in vielen Fällen schlecht bezahlt."
Obwohl Diekmann auf seiner 12 500 Hektar großen Farm inzwischen auch eine Teufelskrallen-Plantage betreibt, kann er auf die Agenten-Ware noch nicht verzichten: Bislang stammen 50 Prozent seiner Exportware aus konventionellem Ernte, aus den Händen oft wenig naturbewusster Zwischenhändler. "Ich habe trotzdem ein gutes Gefühl", sagt Diekmann: "Auf diesem Wege versuche ich, Einfluss auf die Agenten auszuüben. Ich will ihnen zeigen, wie man die Pflanzen schützen kann."
Sein Einfluss auf die Teufelskrallen-Käufer im fernen Europa hält sich allerdings in Grenzen. Immer noch kaufen diese vor allem die preisgünstigere Ware von anderen namibischen Exporteuren, scheren sich wenig um den Schutz der Wunderpflanze. Gerade mit deutschen Abnehmern habe Diekmann lange Verhandlungen geführt - letztendendlich ohne Erfolg.
Ein allmähliches Umdenken will der Farmer trotzdem beobachtet haben: "Schon seit den 60ern wird Teufelskralle angebaut", sagt er. "Erst jetzt, seit drei oder vier Jahren, fängt man an, ein bisschen darüber nachzudenken."
Informationen unter www.ecoso.net.
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Allgemeine Zeitung
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