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Die Kaktus-Invasion

Gunhild Voigts kämpft gegen die Bedrohung der heimischen Flora durch fremde Kaktusarten
Praktikant WAZon
Von Jessica Bürger, Windhoek

Der höchste Betrag im Sofort-Verkauf von eBay lautet 50 Euro. 50 Euro für eine etwa 34 Zentimeter große Kaktusart mit dem Namen Heliocereus speciosus Selenicereus, besser bekannt unter der „Roten Königin der Nacht“, einer Kaktusart, die nur nachts blüht und das nur zu bestimmten Zeiten im Jahr. Ziemlich viel Geld für ein solch kurzes Vergnügen. Bewohner von Namibia und speziell von Windhoek haben jedoch das große Glück, keinen der Stecklinge über eBay kaufen zu müssen. Denn hier wächst die Königin der Nacht – die kleine Schwester der Roten Königin, mit hellen statt roten Blüten – in der freien Natur. Ihre schlangenartigen Triebe können mehrere Meter lang werden und saugen sich an Bäumen und Steinen in ihrer Umgebung fest, um deren Nährstoffe herauszuziehen. Sie werden in der Medizin gegen Muskelverkrampfungen und Herzrhythmusstörungen eingesetzt und wenn die Blüten der Königin, die bis zu 30 Zentimeter groß werden können, geöffnet sind, riechen sie nach Vanille.

Doch was wirklich wichtig ist, ist ihre Herkunft. Denn die Königin der Nacht ist kein gebürtiger namibischer Staatsbürger. Sie und drei weitere Kakteenarten wurden im Zuge der Entdeckung von Amerika aus Mexiko, Arizona und der Karibik nach Europa und Mitte des 18. Jahrhunderts auch ins heutige Namibia eingeschleppt. Solche sogenannten Neophyten können der Artenvielfalt eines Landes gut tun, wenn sie bestimmte Nischen in der Natur füllen. Es gibt aber auch Arten, die den einheimischen Pflanzen den Lebensraum wegnehmen, Ufer destabilisieren, Bauten gefährden und sogar schädlich für den Menschen sind. Die Königin der Nacht und die anderen eingeschleppten Kakteenarten verhalten sich genauso invasiv und breiten sich seit Jahren ungehindert und in großem Maße aus.

Cactus Clean-Up

Genau das ist auch Gunhild Voigts und ihrem Mann aufgefallen, die daraufhin die Initiative Cactus Clean-Up ins Leben gerufen haben. Die Frau mit den schneeweißen Haaren fährt kaum zehn Minuten durch Windhoek-Eros und zeigt bereits eifrig links und rechts an die Straßenränder. „Hier waren Kakteen, die wir gerodet haben. Und hier auch.“ Und dort. Und dort hinten. Und da oben. Wenn kein direkter Vergleich zwischen dem gerodeten Boden und dem Boden voller Kakteen besteht, ist es schwer vorstellbar, wie die Kakteen den Bäumen jegliches Licht genommen haben. Hier und da sind im Dickicht der Büsche die gefährlichen Kakteen erkennbar, dort, wo Gunhild Voigts und ihre Helfer mit dem Roden aufgehört haben.

„Die Menschen interessieren sich gar nicht dafür, dass vor ihrer Haustür der Kaktus wuchert“, beschwert sie sich. Nach getaner Arbeit von ihr und ihren Helfern ist die Dankbarkeit trotzdem erstaunlich groß. Voigts sucht sich die Arbeiter von den Straßen in Windhoek-Eros. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich, den Arbeitern verspricht sie einen festen Stundenlohn, den sie aus ihren Spenden zieht. Nach getaner Arbeit stellt sie jedem ein Dokument aus, auf dem Arbeitszeit und Entlohnung verzeichnet sind. Es soll den Leuten helfen, eine Festanstellung zu finden.

Voigts ist Goldschmiedin und hatte zuvor in Deutschland Floristin gelernt, bis eine Allergie sie dazu zwang, ihren Beruf aufzugeben. Ihre Liebe zu einer gesunden Flora ist jedoch nie ganz erloschen, so dass sie sich nun darum kümmert, die Kakteen aus Windhoek zu vertreiben. Kein leichtes Unterfangen. „Die Stadt stellt uns immerhin die Container“, erklärt sie. „Wenn diese voll sind, werden sie geleert und wieder an der gleichen Stelle abgestellt.“ Denn die Kakteen sind nicht einfach auszurotten. Ein Jahr nach einer Rodung muss mit neuen Setzlingen gerechnet werden. Die Wurzeln der Kakteen saugen alles Wasser im Boden auf und speichern es im Kaktusstamm oder in den Blättern. Abgesehen davon, dass die Kakteen so allen Pflanzen in der Umgebung die Wasserzufuhr stehlen, können sie mit ihrem internen Wasserspeicher nicht verbrannt werden. Auch die Versuche, die Pflanzen auszutrocknen, sind gescheitert. Noch Monate nach der Rodung können die ausgerupften Kakteen wieder aussprießen. Die neueste Methode ist nun, die Kakteen in eine Baugrube zu werfen und mit Bauschutt zu bedecken. Vielleicht funktioniert diese Erstickungsmethode besser.

Schwer bewaffnete Gurke

Zudem haben Kakteen einen weiteren Vorteil: Ihre Dornen. Manche Arten haben auch nur Wolle oder Filz, doch Stacheln, Borsten und Dornen sind häufiger anzutreffen. Die Azteken benutzen den „Schwiegermuttersessel“ sogar als Folterinstrument und für Menschenopfer. Dabei sieht gerade die größte Kaktusart mit dem Namen „Saguaro“ mit seinen 15 Metern Höhe eigentlich eher einer großen, bewaffneten Gurke ähnlich. Gunhild Voigts hat sich daher ihre Arbeitsmittel etwas umfunktionieren lassen. Eine normale Harke hat einen langen Nagel angeschweißt bekommen, um die herausgezogenen Kakteen aufspießen zu können. Für die kleineren Stücke gibt es Drähte, denen ein Butterdosendeckel übergestreift wurde, um die Hand zu schützen und die Kakteen besser am Eimerrand abstreifen zu können.

Auf diese Art sammeln die Voigts bei vielen Rodungen zwei bis vier Container Kakteen pro Einsatz. Teilweise dauert die Rodung einer Fläche bis zu sieben Wochen und kostet zwischen 1000 N$ und 40000 N$. „Zum Abschluss picknicken wir immer auf den gerodeten Stellen“, erzählt Voigts. Hier und da versucht sie außerdem die gerodeten Stellen mit einheimischen Pflanzen neu zu bepflanzen, damit der Kaktus es schwerer hat, sich auszubreiten. Einmal war sogar die stellvertretende Bürgermeisterin Windhoeks mit ihrer Familie dabei und hat geholfen. Das Bild von ihr und Gunhild Voigts wurde mit vielen anderen Schnappschüssen von Cactus Clean-Ups laminiert. In der Mitte des Plakats prangt eine Karte von Windhoek, rote Kreise zeigen an, wo der Kaktus mal wieder auf dem Vormarsch ist. Der größte Teil liegt im Aloe Trail beim Botanischen Garten. Dort häufen sich sechs der roten Kringel, ebenso wie in der Innenstadt und im Südlichen Industriegebiet.

Das Problem ist jedoch nicht auf Windhoek begrenzt, sondern es ist ein landesweites Phänomen. Voigts erzählt von mehreren Bekannten im ganzen Land, die Probleme mit dem Kaktus auf ihren Farmen haben. Eine Farm ist derart zugewuchert, dass es einem Lebenswerk gleichkäme, sie von den Kakteen zu befreien. Auf einer anderen hatten die Kühe der Farmbesitzerin nach Nahrung gesucht und die Kakteen gefressen. Die Dornen blieben in den Mäulern stecken und die Wunden entzündeten sich.

Im September 2016 gab es dann einen großen Aufruf zum Cactus Clean-Up, das vom Botanischen Garten organisiert wurde. Gut 64 Freiwillige zogen aus und versuchten, möglichst viele Kakteen in Windhoek zu roden. Gunhild Voigts war zu dem Zeitpunkt in Deutschland unterwegs, doch ihre Person ist so stark mit den Clean-Ups verbunden, dass sie sogar für den „Tree Award“ nominiert war. Gewonnen hat sie zwar nicht, aber immerhin eine Auszeichnung bekommen, in der ihre Arbeit in höchsten Tönen gelobt wird. Die Goldschmiedin reagiert jedoch verhalten, wenn sie darauf angesprochen wird und verweist auf ihre Helfer, „die die größte Arbeit beim Cactus Clean-Up machen“. Viele Bewohner Windhoeks mögen die Königin der Nacht wegen ihrer schönen Blüten, auch wenn diese nur selten blüht. Trotzdem müssen Voigts Arbeiter demnächst den Schlauchkaktus ausreißen, damit die invasive Kaktusart nicht noch mehr Platz und Licht wegnimmt.

Wenn Namibia seine eigene Flora behalten möchte, müssen die Kakteen eben ausgerissen werden. Gunhild Voigts schießt ebenfalls noch ein paar Fotos von den offenen Blüten der Königin. Die Triebe reichen tief ins Gebüsch hinein, wo die hellen Blüten in der Dunkelheit eher wie Glühwürmchen aussehen. Doch Voigts bleibt hart. „Wenn wir jetzt nicht alle zusammenarbeiten und den Kaktus vertreiben, können wir aufgeben. Dann wird Windhoek zu einer Kaktuswüste.“

Weitere Informationen gibt es unter: [email protected]

Spenden an: CACTUS CLEAN UP, Bank Windhoek, Kudu Branch 482172, Account 8005224758

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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