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Die Lederschildkröte

Allgemeines: Die Lederschildkröte ist das letzte lebende Mitglied der Familie der Dermochelyidea. Früher umfasste diese Familie eine Vielzahl von Schildkröten. Außer der Lederschildkröte sind jedoch alle anderen Arten der Gattung Dermochelyidea im Laufe der Zeit ausgestorben.

Diese Schildkrötenart weist unter den neuzeitlichen Reptilien eine höchst ungewöhnliche Besonderheit auf. Wie durch Forschung bekannt wurde, sind die Tiere in der Lage ihre Körpertemperatur über der Umgebungstemperatur zu halten. Das ermöglicht der Lederschildkröte das ganzjährige Überleben beispielsweise in den verhältnismäßig kalten Meeresströmungen entlang der Küste Namibias und so sind Lederschildkröten in der Lage (im Vergleich zu anderen Arten von Meeresschildkröten) eben speziell in kältere Regionen der Weltmeere vorzudringen. Allerdings werden an Namibias Küste keine Eier abgelegt.

Vorkommen: Lederschildkröten sind Bewohner aller tropischen und gemäßigten Weltmeere, jedoch ist aufgrund verschiedener Einflüsse speziell die Küstenregion um das Südliche Afrika eines ihrer letzten großen Rückzugsgebiete.

Aussehen: Diese Meeresschildkröte ist die größte Schildkrötenart überhaupt. Sie kann eine Gesamtpanzerlänge von über 2 Metern und ein Gewicht 600 - 800 kg erreichen. Das größte je vermessene Männchen der Art hatte eine Länge von 2,5 m und ein Gewicht von 860 kg. Der dunkle Körper der Tiere ist übersät von mehr oder weniger ausgeprägten Punkten, Strichen und Sprenkeln. Auffallend ist nicht nur der mächtige Kopf der Tiere, sondern auch der Rachen der Lederschildkröten. Er ist mit zahlreichen kleinen verhornten Zotten besetzt, die gut beweglich nach hinten gerichtet sind und wie Ersatzzähne den Fang der Lieblingsnahrung (Quallen) erheblich erleichtern.
Charakteristisch ist der Panzer der Tiere. Er ist nicht wie bei anderen Meeresschildkröten mit Hornplatten bedeckt, sonder weist eine nur von einer Lederhaut überzogene Struktur auf. Auffallend sind dabei mehrere Längsrinnen bzw. Längskiele.

Lebensweise: Lederschildkröten verlassen das Meer nur um Eier zu legen. Die Männchen leben ausschließlich im Wasser und verlassen das nasse Element auch nie. Die Tiere sind gute und behände Schwimmer und in der Lage auch in größere Tiefen (200m und mehr) zu tauchen. Gelegentlich sieht man an sonnigen, nebelfreien Tagen die Schildkröten beim Sonnenbad an der Wasseroberfläche treiben.

Nahrung: Lederschildkröten ernähren sich nahezu ausschließlich von verschiedenen Schwebeorganismen, in erster Linie von den verschiedensten Formen von Quallen. Außerdem werden Mollusken und Echinodermen (Stachelhäuter) und gelegentlich auch mal Krebse genommen. Fische werden vermutlich nur in Ausnahmen erbeutet.


Fortpflanzung: Die Lederschildkröten paaren sich wie andere Arten von Meeresschildkröten auch im Meer. Die Weibchen paaren sich, wenn möglich, mit verschiedensten Männchen. Monogamie ist bei Reptilien sehr selten.
Die schwergewichtigen Weibchen schleppen sich meist während mondheller Nächte an Land zu ihren Nistplätzen und beginnen eine Nisthöhle auszuheben. Meist wird mit den flossenartigen Vorderbeinen zuerst eine Kuhle angelegt und diese dann mit den hinteren Extremitäten sackförmig vertieft. Vorsichtig werden dann darin die Eier (bis zu 150 Stück) platziert, bevor das Gelege fein säuberlich zugescharrt wird. Übrigens kommen auch die Lederschildkrötenweibchen genau an die Strände wieder zurück, an denen sie vor 15 oder mehr Jahren geschlüpft sind. Über dieses Erinnerungsvermögen und die beispiellose Navigation der Meerestiere, um überhaupt an die-
se Plätze wieder zu gelangen, ist Gegenstand vieler Spekulationen und zugleich Grundlage diverser Forschungsarbeiten weltweit. Jahr für Jahr kommen Lederschildkrötenweibchen an die Strände von St. Lucia in Südafrika, um ihre Eier abzulegen. Dieses Schauspiel zieht zudem viele Naturfreunde aus aller Welt an. Leider ist aber auch hier die Anzahl der jährlich gezählten Individuen rückläufig. Große Lederschildkröten sind in der Lage bis zu 7 Gelege im Abstand von 9 oder 10 Tagen abzulegen. Dabei werden an die Tausend Eier während einer Saison abgelegt. Das klingt im ersten Moment viel, aber in der heutigen Zeit überlebt wohl nur ein Jungtier von 100 geschlüpften Individuen!

Die Jungtiere schlüpfen meist schon nach einer Inkubationszeit von 60 - 75 Tagen und sind kaum größer als 6 cm und haben ein durchschnittliches Gewicht von gerade einmal 30 - 40g. Lederschildkrötenbabys gehören zu den schnellstwachsenden Schildkröten überhaupt. Es wurde pro Jahr eine Längenzunahme bei markierten/beobachteten Jungtieren von bis zu 16cm gemessen. Das ist umso erstaunlicher, denn die Hauptnahrung der Tiere (Quallen) besteht bekannter Weise aus bis zu 98% Wasser!

Übrigens können Lederschildkrötenbabys nicht wie andere Arten von Meeresschildkröten künstlich aufgezogen werden - wie das beispielsweise bei der Grünen Meeresschildkröte (Chelonia mydas) erfolgreich praktiziert wird. Die Nahrung und vor allem der Bewegungsdrang sowie der Anspruch an die Wasserqualität der Tiere ist wohl ein Hauptproblem und engt die Möglichkeiten der kontrollierten Zucht und Aufzucht dieser höchst gefährdeten Reptilien in besonderem Maße ein (es gibt schätzungsweise weltweit nur noch 3000 Fortpflanzungs- bzw. legefähige Weibchen!).

Bedrohung: Lederschildkröten haben eine höchst spezialisierte Form der Anpassung an die verschiedensten Refugien der Weltmeere mit unterschiedlichsten Anforderungen an die Lebensweise im Laufe der Evolution gemeistert. Viel zu schnell kommen für diese urweltlichen Reptilien nun oft "Mensch gemachte" Veränderungen und bringen angestammte Lebensgrundregeln der Tiere durcheinander.
Ein Sterben unter den Jahrmillionen alten Wanderern der Weltmeere macht sich breit. Die Gründe sind wieder einmal vielschichtig und erfordern gezielte Untersuchungen.
Allgemein werden Eiablagestrände der Tiere in Hotelanlagen umgewandelt oder sonst wie spekulativ genutzt. Eier werden durch Mensch und Tier gleichermaßen (streunende Hunde, diverse Vögel etc.) geplündert und erwachsene Tiere für den Nahrungserwerb getötet.
Hier an der Küste Namibias wurden einzelne Individuen von Schwertwalen und Haien getötet. Allerdings war das vermutlich immer schon so. Immer gab es Jäger und Gejagte. Nur wenn die einzelnen Faktoren wie

? Absammeln der Eier,
? gezieltes Schlachten der großen Tiere
? Einsatz von Schleppnetzen in denen die Schildkröten sich verfangen und ertrinken,
? Fressen von evtl. höchstbelasteter Nahrung (Quallen sind hervorragende Filtersysteme) und
? im Wasser treibende Plastiktüten, die übrigens für die Tiere wie Quallen aussehen und häufig Darmverschlüsse mit verheerenden Folgen verursachen sowie
? Stress; der die Tiere für Krankheiten anfälliger werden lässt (Herpesvirenproblematik)
zusammen kommen, dann ist das auch für wirkliche Lebenskünstler wie die Lederschildkröten höchst problematisch.

Danksagung: Mein spezieller Dank gilt Herrn Rolf Trossbach (Namibia) und Dr. Eberhard Meyer (Deutschland) für die für den Bericht zur Verfügung gestellten Bilder.

Anmerkung: Bitte helfen Sie mit, gezielt Informationen/Beobachtungen an Lederschildkröten oder auch anderen Arten von Meeresschildkröten hier in Namibia zu sammeln.
In den vergangenen Monaten wurden immer wieder tot angeschwemmte Lederschildkröten an der Küste gefunden. Sollten Sie entsprechende Beobachtungen machen oder bereits gemacht haben, so teilen Sie diese bitte mit und/oder senden ein Foto mit Datum, Fundort etc. ein. Wichtig ist auch zu erfahren, ob die Kadaver Verletzungen etc. (Bissverletzungen, Schiffschrauben, Verlust von Gliedmaßen etc.) aufweisen.

Für entsprechende Informationen sind wir wirklich sehr dankbar!

Alfred Schleicher
Leiter der Fachgruppe Reptilien und Amphibien und Vizepräsident der NWG, stellt diese Artikel, mit freundlicher Unterstützung der NWG ([email protected]), Tourismus Namibia zur Verfügung. Weitere Informationen zur Haltung von Schildkröten oder Reptiliensafaris unter:
Alfred Schleicher, Kidogo Safaris, P.O. Box 30566 Windhoek, Tel. +264-61-24 38 27 / 25 92 97, Fax +264-61-25 92 86,
E-Mail: [email protected],
www.kidogo-safaris.com, www.kidogo-safaris.de

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-24

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