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Die Rekonstruktion einer Voraussage

Wer Gedankenlesen und Hellseherei bisher als abergläubischen Blödsinn abgetan hat, der wird sein Weltbild nach einer Begegnung mit Ted Lesley wahrscheinlich revidieren müssen. Was der deutsche Mentalist am Mittwoch in der Redaktion der Allgemeinen Zeitung vorführte, lässt sich mit herkömmlichen Zaubertricks nicht erklären. Lesley sagte die Schlagzeile der Mittwochszeitung voraus und gab weitere Kostproben seiner Kunst des Gedankenlesens.

"Ich denke, er ist wirklich so eine Art Hellseher. Anders kann ich mir das alles nicht erklären", meinte Sylvia Kaschik-Kazmaier nach der kurzen Vorstellung, die Mentalist und Unterhaltungskünstler Ted Lesley am Mittwoch in der Redaktion der Allgemeinen Zeitung gab. "Stell dir mal vor, du bist mit so einem Mann verheiratet! Der kann dich lesen wie ein Buch - nein, danke!", so Kaschik-Kazmaier weiter. Die AZ hatte die Öffentlichkeitsbeauftragte von zwei Windhoeker Einkaufszentren engagiert, damit sie den Prozess von Lesleys Voraussage als unabhängige Außenstehende beobachten und verifizieren kann.


Lesleys Voraussage für die Schlagzeilen von AZ und Republikein vom vergangenen Mittwoch hatten sich als richtig erwiesen. Zudem zeigte der Mentalist weitere von seinen Gedankenlesespielen, die er am heutigen Freitag auch der Öffentlichkeit bei einer Vorstellung im Rahmen der DHPS-Basarshow vorführen will.


Rekonstruieren wir noch einmal:


Mittwoch, 7. August, 10.00 Uhr. Ted Lesley und sein Lehrling Harry Riegel treffen nach vorheriger telefonischer Absprache in der Redaktion der Allgemeinen Zeitung ein. Der Mentalist kommt direkt vom Flieger aus Berlin und leidet noch ein wenig unter Jetlag, meint er. Lesley kramt einen orangefarbenen, gefalteten Zettel aus seiner Jackentasche. "Ich brauche Ihre Unterschrift", sagt er zu mir. Ich kritzele mein Zeichen auf den gefalteten Zettel. Lesley steckt ihn wieder ein.


10.15 Uhr. Sylvia Kaschik-Kazmaier, von uns als unabhängige Beobachterin engagiert, trifft ein. Es kann losgehen. Im Konferenzraum des Republikein stellt Harry Riegel einen schwarzen Karteikasten auf den Tisch. Drinnen ist ein Glasbehälter, Klebeband und ein roter Stift. Lesley kramt zwei gefaltete, orangefarbene Zettel aus seiner Jackentasche und lässt sie in den Glasbehälter fallen. Kaschik-Kazmaier verschließt den Behälter, klebt ihn mit Klebeband zu, tut ihn in den Karteikasten, klebt auch diesen zu und versiegelt alle Klebebänder mit ihrer Unterschrift. Den Kasten nimmt sie mit nach Hause und versichert uns, dass sie ihn bis zum nächsten Treffen in ihrem Heimtresor verschließen wird. Auf einem der Zettel, so Lesley, sollen die Schlagzeilen von AZ und Republikein vom kommenden Mittwoch stehen. Die seien ihm im Traum erschienen. Auf dem anderen Zettel ist eine weitere Voraussage: "Eine Überraschung", meint er geheimnisvoll. "Na, da bin ich ja mal gespannt auf Ihre Voraussage", sage ich zu Lesley. "Ich auch!", meint er. "Das weiß man vorher nie so genau, ob es tatsächlich klappt."


Donnerstag, 8. August. Die AZ berichtet auf Seite 1 von Lesleys Aktion.


Freitag, 9. August. Ein weiterer Artikel über Lesley erscheint in der WAZ on. Am Mittag klingelt das Telefon. Eine ältere Dame will wissen, ob Lesley wirklich hellsehen kann. Ob er ihr dann vielleicht auch sagen könne, wer vor zwei Jahren ihren gesamten Schmuck gestohlen hat. Ich winke ab: "Das bezweifle ich. Wissen Sie, er ist ein Unterhaltungskünstler. Das Ganze wird wahrscheinlich irgendein Zaubertrick sein. Aber fragen Sie ihn doch selbst." "Ach was, für Zauberei habe ich keine Zeit", meint die Anruferin und legt auf.


Mittwoch, 14. August. Die Schlagzeile der AZ lautet "Compion wehrt sich"; auf Seite 1 des Republikein steht "Comav dagvaar Air Namibia-betogers". Keiner in der AZ-Redaktion kann sich vorstellen, dass Lesley diese Schlagzeilen wirklich vorhergesehen haben kann. Man will sich den "Zauberer" heute mal ansehen, das verspricht zumindest ein bisschen Unterhaltung.


9.20 Uhr: Ted Lesley und Harry Riegel treffen zehn Minuten vor dem verabredeten Termin in der AZ-Redaktion ein. Lesley macht einen fahrigen und nervösen Eindruck. Er raucht eine Zigarette, während wir auf Kaschik-Kazmaier warten. Er bestellt ein Glas Wasser. Er lässt sich die Toilette zeigen. Auch Harry Riegel ist unruhig. "Es ist eigentlich erstaunlich, dass ein Mann, der schon fast 30 Jahre in diesem Geschäft ist, vor jedem Auftritt noch so nervös ist", meint er zu mir. In mir regt sich journalistische Sensationslust: Können wir heute einen Scharlatan entlarven?


9.30 Uhr. Sylvia Kaschik-Kazmaier trifft ein, sie bringt den versiegelten Karteikasten mit. Es kann losgehen. Die gesamte AZ-Redaktion schart sich neugierig um den Konferenztisch. Lesley lässt seinen Blick wandern. Er bleibt an AZ-Wirtschaftsredakteur Sven Heussen hängen, der guckt besonders skeptisch. Lesley überreicht ihm einen Packen Spielkarten. "Heben Sie den Packen an irgendeiner Stelle ab und merken Sie sich die Karte", sagt der "Zauberer". "Sie dürfen die Karten hinterher behalten und können dann kontrollieren, dass es nicht etwa doppelte Karten gibt oder sie anderweitig getürkt sind." Die Karten bleiben verdeckt vor Heussen liegen, während Kaschik-Kazmaier die Siegel an dem Karteikasten bricht und den Glasbehälter mit den Zetteln drin öffnet. Sie holt einen der Zettel heraus und gibt ihn AZ-Praktikantin Stephanie Heise. Heise liest vor: "Sie werden Herz 7 wählen! Berlin, den 6.8.2002". Das Gesicht von Wirtschaftsredakteur Sven Heussen verzieht sich zu einem erstaunten Lächeln. "Stimmt, ich hatte die Herz 7 aufgedeckt!" Er blättert ungläubig durch die Karten, vor und wieder zurück. "Wie kann das sein, ich wurde hier doch nicht irgendwie manipuliert?!"


Kaschik-Kazmaier holt den zweiten Zettel aus dem Glasbehälter und reicht ihn auf Anordnung Lesleys mir. Auf der Rückseite erkenne ich meine Unterschrift von vor einer Woche. Ich entfalte den Zettel und lese vor: "Die Schlagzeile der Allgemeinen Zeitung wird lauten: ,Compion verteidigt sich". Die Schlagzeile des Republikein wird die folgenden Worte enthalten: ,betogers`, ,Air", ,Comav". Berlin, 6. August 2002."


Bevor sich die Aufregung legen kann, zieht Lesley einen weiteren Trumpf. An Chefredakteur Eberhard Hofmann gewandt sagt er: "Denken Sie an eine Ihnen bekannte Person. Merken Sie sich den Vornamen und den Wohnort dieser Person und schreiben Sie beide auf diesen Zettel." Hofmann tut, wie ihm geheißen, faltet den Zettel zusammen und Lesley zündet ihn an. Nach ein paar scheinbar irrelevanten Fragen hat Lesley die Lösung: "Ilse aus Windhoek lässt grüßen!"


10.00 Uhr. Die Vorstellung ist beendet. Wir sind sprachlos. "Wir benutzten nur die Hälfte unseres Gehirns", erklärt sich Lesley. "Wenn Sie ein wenig mehr aktivieren, dann können Sie das auch. Man nennt das ,extra sensual perception", ESP. Ich habe mein Können aus einem Talent entwickelt, das ich von meinem Großvater geerbt habe." Auf die Frage, ob er dann nicht doch vielleicht unserer Leserin helfen könne, die nach dem Dieb ihres Schmuckes sucht, meint Lesley mit verschmitztem Lächeln: "Was ich mache, ist reine Unterhaltung. Ich kann in die Zukunft sehen, aber nicht in die Vergangenheit. Und in meine eigene Zukunft schon gar nicht. Ich sehe Leuten auch an, ob sie mir zugetan sind oder nicht; bei anderen versuche ich es gar nicht erst."


Unterhaltsamer Schmu oder tatsächliche Hellseherei? Machen Sie sich ein eigenes Bild: Ted Lesley tritt heute um 16.00 Uhr bei der Basarshow der DHPS in Windhoek auf. Die Vorstellung ist gratis; die Türen der DHPS-Aula werden kurz nach 16.00 Uhr geschlossen, d.h. wer zu spät kommt, muss draußen bleiben.


Kommentare, Erklärungsversuche, Fragen oder sonstige Anmerkungen nimmt WAZ on nach der Vorstellung gerne unter der E-Mail-Adresse [email protected] oder ab Montag unter Tel. 225822 entgegen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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