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Die Transnamib-Skiexpedition 2009

Die Faszination des Skifahrens auf Sand Vor vierzehn Jahren machte Werner Niebel seine ersten Schwünge mit Ski an den Sanddünen der Wüste Namib. 2009 kehrte er für eine Durchquerung des
Sandmeeres zurück.
Aus der erleuchteten Unterkunft dringen afrikanische Rhythmen, während ich im Dämmerlicht der hereinbrechenden Nacht auf den Ranger des viel besuchten Wüstencamps Sesriem in Namibia warte. Es taucht ein junger, braun gebrannter, blonder Mann mit untersetzter Figur auf, der sich als Jaques Erasmus vorstellt. Er bringt mich zu einem offenen Geländewagen und zeigt auf die Pritsche. Mindestens zehn Paar Langlaufski liegen darauf. Ganz unten erspähe ich aber ein Paar graue Abfahrtski mit Sicherheitsbindung und tatsächlich auch Plastikabfahrtskischuhe in meiner Größe. Wir sind uns schnell einig über die Leihgebühr für den nächsten Tag.
Morgens, es ist noch dunkel, warte ich in der Schlange mit anderen Fahrzeugen vor dem Tor des Campausganges, welches von einem Posten nur bei Vorzeigen eines Permits geöffnet wird. Kurz darauf ist der Weg frei in den Namib-Naukluft-Park, wie das große Sandmeer der Wüste Namib offiziell bezeichnet wird, das auch ein Naturschutzgebiet ist. Von hier streben fast alle Besucher ins 80 km entfernt liegende, berühmte Sossusvlei, um das Licht-Schattenspiel, welches die Sonne auf den umsäumenden Dünen zaubert, zu erleben. Diese zählen zu den höchsten der Erde.

Ich fiebere aber einem anderen Ziel entgegen. Es ist die "Düne 45" mit ihren steilen Sandflanken, die ich tags zuvor als ideales Terrain für meine ersten Ski- Gleitversuche auf Sand ausgewählt habe. Dort angekommen, presse ich ungeduldig meine Füße in die Skischuhe, schultere die Latten und stapfe die Düne am Grat im weichen Sand mühselig hoch, immer wieder gibt mein Tritt im weichen Sand Kraft raubend nach. Doch mit Anstrengung erreiche den höchsten Punkt und ziehe voller Erwartung die Ski an. Ich fahre vorsichtig schräg in den Hang, setze den Schwung an... aber oje, nichts geht; viel zu langsam und zu weit ausholend gefahren, ich bleibe stecken. Aber erneut steige ich hoch, die steilere Ostseite der Düne ins Visier nehmend. Oben angekommen bringe ich allen Mut auf und stoße direkt in den Hang hinunter. Als ich eine gewisse Geschwindigkeit erreicht habe, reihe ich kurze Schwünge aneinander. Ich komme mit Wedeln in einen Abfahrtsrausch wie im Schnee. Als ich ohne Sturz unten zum Halt komme, stoße ich einen Schrei der Begeisterung aus. "Ski nur im Schnee ist eine fixe Idee", kommt mir in den Sinn. Es ist ein zwar nur wenige Sekunden dauernder Ablauf, aber für Skifahrer zweifellos eine umso interessantere Erfahrung. Vielleicht sogar auch ein Muss für jeden Skifahrer, der sich auf einer Reise durch Namibia befindet. Das war im März 1995, sieben Jahre bevor der professionell betriebene Dünenskilauf in Namibia begann.
"Transnamib Skiexpedition 2009" Vierzehn Jahre später, am 15. März 2009, komme ich mit sechs gut trainierten, und von ihrem Vorhaben überzeugten Menschen, zurück. Wir sind zwei Frauen und vier Männer. Dieses Mal will ich aber nicht einfach nur eine Düne runter fahren, sondern das 36 000 km" großen Sandmeer der Wüste Namib, der ältesten Wüste der Erde, zusammen mit meiner Gruppe durchqueren.
Meine seit 2004 jährlich betriebenen Studien der Verhältnisse und die gesammelten Erfahrungen in der Namib, waren unabdingbar. Sie sollen jetzt bei dieser Expedition zur Anwendung kommen. Dass dies notwendig war, bestätigten inzwischen manche Teilnehmer und werteten ein Vorgehen ohne diese Kenntnis der Verhältnisse als blauäugig.

Ausgerüstet mit Langlauf-Schuppenski oder Tourenski beabsichtigen wir 60 km Wegstrecke durch die Sandnamib bis zu unserem Ziel, das Sossusvlei, zurückzulegen. Im Vorfeld haben wir ausgerechnet, dass wir vier Gehtage benötigen. Meine Studien der Gegebenheiten aus Satellitenaufnahmen zeigten auch, dass wir die Längsdünen quer angehen müssen. Dadurch ergeben sich 10"° bis 15"° flache Anstiege und bis zu 30"° geneigte kurzen Abfahrten. Dank der Ski hoffen wir, im Vergleich zum Gehen, bis zu 30 Prozent Energie einsparen zu können.
Trotz dieser Erleichterung ist uns im Voraus klar geworden, dass wir Unterstützung benötigen. Die kompletten Wasservorräte - das sind drei bis vier Liter pro Tag und Person - plus zusätzlich Ausrüstung und Verpflegung von weiteren 15 Kilogramm bei den extremen Bedingungen der Wüste Namib am Körper zu schleppen, erschien uns als unrealistisch. Zuerst plante ich mit allem Gepäck völlig autark gehen zu können unter Zuhilfenahme einer Pulka pro Person. Aber mit einem solchen Gleitschlitten, wie er im Schnee und Eis zum Einsatz kommt, erachtete ich den Kräfteverschleiß trotzdem als zu groß. Vorangegangene Versuche zeigten mir, dass eine Pulka mit einer Rolle Erfolg versprechender wäre, aber nur bei einer gewissen Festigkeit der Sandoberfläche wegen der Bildung einer hemmenden Bugwelle. Weil die anzutreffenden Sandverhältnisse zu unsicher waren, nahm ich zum Versuch nur eine Rollenpulka in die unbekannte Region mit, sie bewährte sich bestens.
Um das Vorhaben nicht zu gefährden, haben wir letztlich das in der Wüste Namib qualifizierte und konzessionierte Spezialunternehmen für Dünendriving, Uri Adventure, als Unterstützung engagiert.
Fahrt zum StartpunktAber jetzt sind wir hier in Walvis Bay am Atlantik und fahren mit einem offenen Safarifahrzeug für den Personentransport, dem "Uri-Bus", und zwei voll bepackten Geländefahrzeugen zu unserem Abmarschort los. Wir kommen nach Sandwich Harbour, einer zwar natürlichen, aber immer mehr versandenden Lagune, die ein einmaliges Lebensgebiet für Seevögel ist. Weiter geht es entlang an der Küste vorbei an penetrant riechenden Robbenkolonien, bis wir das Wrack der "Eduard Bohlen" erreichen, einem Handelsschiff, das 1909 hier gestrandet ist. Danach Weiterfahrt nach Süden. Bei Meob Bay biegen wir ab, um, weg von der Atlantikküste, im Landesinneren das erste Camp zu beziehen. Bald bricht mitten in der Wüste die Nacht herein. Über uns die Unendlichkeit des Sternenhimmels mit dem "Kreuz des Südens". Im Telemarkstil über die DünenUm fünf Uhr stehen wir auf. Nach Morgenessen und Packen sind wir alle gespannt, wie sich die Ski bewähren würden. Noch in der Dämmerung und der Kühle des Morgens laufen wir los. Der östliche Horizont, zuerst rot gefärbt, wird immer heller bis die Sonne mit ihren ersten Strahlen die höchsten Dünenkämme berührt. In diesem schräg einfallenden Morgenlicht der Sonne präsentieren die Dünen durch Schattenbildung eine derartige Vielfalt von Formen, dass einem fast der Atem stocken will.

Zügig gleite ich mit den Ski über den Sand und spüre keine Anstrengung. Nur das leise gleichmäßig, rhythmische Zischen der Ski über den Sand ist zu hören. Phasen, die den Ski weiter gleiten lassen wie im Schnee, sind aber nicht möglich. Die Ski tragen mich auf dem Sand, ohne einzusinken, ein sehr Kraft sparender Vorteil. Ich genieße die Atmosphäre und die Dünenlandschaft. Dabei fühle mich ungemein wohl und aufgeräumt. Bei den Anstiegen auf die Dünen legen die Teilnehmer oft unterschiedliche Aufstiegsrouten an. Mit Schuppenlanglaufski ist ein direktes Hochsteigen dank der sehr guten Haftung am Sand fast immer möglich. Andere Teilnehmer sind mit Test-Tourenski ausgerüstet, wie sie in den Alpen benutzt werden. Sie müssen, wenn es zu steil wird, in sanften Kehren unproblematisch den Hang bewältigen. Steigfelle sind nicht erforderlich. Die Abfahrt im steilen weichen Sand auf der Ostseite der Dünen geht am besten in Telemarkhaltung in der Falllinie, merken wir mit der Zeit.

Am vierten Tag, dem letzten geplanten Gehtag nehmen wir gegen Mittag zwischen den Dünen in der Ferne eine weiß silbrige Fläche war und einen weißen Felsenberg. Wir rätseln. Das kann nur die Grasebene des Tsauchabtales sein, das vom berühmten Sossusvlei ins östlich liegende Sesriem führt und der Witberg. Als wir näher kommen und auf die höchste erreichbare Düne über dem Tal steigen, bietet sich uns ein schier unfassbarer Anblick: Das ganze Tsauchabtal, von den höchsten Sterndünen der Erde gesäumt, ist mit dichtem, silbrig glänzenden, hüfthohem Gras bedeckt. Solch einen Grasüberfluss habe ich nicht erwartet, denn bei meinen früheren Besuchen ohne Ski war das Tal immer spärlich bewachsen. Doch dieses Jahr ist das Regenjahr 2009.
Verdienter AbschlussBerauscht von diesem Finale steigen wir nach vier Tagen wieder in den "Uri-Bus" ein. Er bringt uns durch das Tsauchabtal auswärts, entlang der riesigen, wie Haifischzähne ins Tal ragenden roten Sterndünen, zum Wüstencamp Sesriem. Als erstes stürmen wir den einzigen Kiosk und fast jeder hält eine - manche brauchen auch zwei - Dosen mit "Windhoek Lager" in der Hand, dem nach deutschem Reinheitsgebot in Namibia gebrauten Bier. Nach dem vielen getrunkenen Wasser an den zurückliegenden Tagen ein unbeschreiblicher Genuss. Gekrönt wird unsere "Transnamib Skiexpedition 2009", die erste Begehung der Namib über die Distanz von 60 km mit Ski, noch mit einem Grillfest. Ich bedaure, dass Jaques Erasmus, einer der Skipioniere in Namibia, nicht mit uns feiern kann, hat doch er mich auf den Geschmack des Skifahrens im Sand gebracht.

Werner Niebel, Deutschland
Info zur SkiexpeditionUm nachzuweisen, dass eine Durchquerung der Sandnamib mit Ski möglich ist, wurde für diese Expedition in dem begangenen Abschnitt von der Naturschutzbehörde in Namibia eine einmalige Genehmigung erteilt.
Für die Zukunft werden von einem deutschen Reiseveranstalter im Rahmen von Namibiareisen in einem anderen, hochinteressanten Bereich der Wüste Namib mehrtägige, das ultimative Wüstenerlebnis versprechende und von einem Guide geführte Skitouren angeboten. Sie sind mit der Naturschutzbehörde abgestimmt und befinden sich im Konzessionsgebiet von Uri Adventures in Walvis Bay. Uri Adventures leistet dabei vollständige logistische Unterstützung. Auskunft erteilt:
Werner Niebel, DSV-Skilehrer und Fotograf, Tel. Deutschland: 0049-7720-812177,
E-Mail: [email protected]

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-21

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