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Die Trommeln schlafen nicht

Am Anfang haben sie nur gesungen, texteten sich den Frust von der Seele - den Ärger über ein Leben am Rande der Gesellschaft. Heute sind Ponti, Desmond, Noddy, Jomo, Gee und Bukka einen beachtlichen Schritt weiter: Ihre erste eigene CD ist in den Ladenregalen - regelmäßig stehen sie auf den Bühnen Namibias. "Ongoma" heißt ihre Band (Oshivambo für "Trommel"); ihrem Album verpassten sie den programmatisch-ironischen Titel "The Natives Are Restless": Als die kenianischen Kolonialherren noch auf ihren Veranden thronten, Gin schlürften und aufmerksam in die Dunkelheit horchten, sollen sie den Trommeln gelauscht haben - beunruhigenden Botschaften aus der afrikanischen Nacht. "Die Eingeborenen schlafen nicht", ihr süffisanter Kommentar - "The Natives Are Restless".

Sechs Freunde aus den schlechteren Vierteln von Walvis Bay: Heute machen sie House-Musik - rastlos-medidative Tanzmusik für extatische Stunden, gespielt auf "echten" Instrumenten. "Ongoma" benutzen Djembes, Congas, Marimbas und ihre Stimmbänder - verstärkt durch den gelegentlichen Einsatz von Gitarre, Geige oder Didgeredoo. Auf Computer-Samples verzichten sie gänzlich - der wuchtige, aber organische Klang der Bass-Marimba lässt elektronische Bässe vergleichsweise blass erscheinen. Das Ergebnis ist druckvoll, manchmal wütend und irgendwie ungewöhnlich. "Vermutlich hat's geholfen, dass wir schon wie Brüder waren, als wir kaum krabbeln konnten", ist im Begleitheft zu lesen. Vermutlich.

Aufgewachsen in den ehemaligen Townships bei Walvis Bay schien die Zukunft für Ponti, Desmond, Noddy und die anderen zunächst ziemlich absehbar: Entweder ein Job in der Fischindustrie oder eben kein Job in der Fischindustrie - und in den letzten Jahren wurde die Wahrscheinlichkeit, nicht einmal dort unterzukommen, beständig größer. Was blieb, war die Musik, das ideale Sprachrohr für diejenigen, die sich Gehör verschaffen wollen.

Irgendwann wurde Volker Röder auf die singende Clique aufmerksam: "Ich suchte gerade ein paar Jungs, mit denen ich ein bisschen trommeln kann", erinnert sich der gebürtige Swakopmunder, "mehr war es am Anfang nicht." Röder kaufte einen Satz Trommeln, machte aus der "Boygroup" eine Band. "Ongoma" war geboren und hatte nun auch einen fahrbaren Untersatz: "Er hatte 'nen Kombi", ist dem Booklet zu entnehmen, "endlich hatten wir Räder." Der 42-Jährige übernahm das Band-Management, von den Trommeln zog er sich zurück. "Viele haben es mir nicht abgekauft, dass ich als einziger Weißer mit einer Gruppe von Farbigen auftrete", sagt Röder. "Sie fanden das wohl nicht authentisch."

Eine zeitlang machte die Gruppe fleißig Kilometer, ließ den Hut kreisen und gab Trommelworkshops für Menschen, die sich für den Rhythmus begeistern. "Häufig fragte man uns nach einer CD", sagt Röder, "so kam halt eins zum anderen." Ein Album: das war der Sprung nach vorne, der Beschleuniger, den "Ongoma" brauchte. Für eine Woche gingen sie ins Studio, nahmen in dieser kurzen Zeitspanne zwölf Songs auf. Besonderer Glücksgriff: Als Produzent konnte Barry Van Zyl gewonnen werden, Schlagzeuger in Johnny Cleggs Band "Savuka". Gesungen und gerappt wird auf Englisch, Oshivambo und Nama - den Sound der CD wollen die Musiker möglichst auch live rüberbringen. "What you hear is what you get", ist das Motto der Band.

"Es war die anstrengendste Woche meines Lebens", erinnert sich Ponti und schüttelt nachdenklich den Kopf. "Verdammt viel Arbeit", nickt Noddy, "aber wir haben's geschafft." Zunächst ließ die Band 2000 Exemplare von "The Natives Are Restless" fertigen, die Rechte an den Songs gehören zu hundert Prozent der Band. "Wir führen Gespräche mit Verteilern in Europa", sagt Röder, "da ist der größere Markt für diese Musik." House-Musik mit traditionellen Instrumenten, Weltmusik für die Tanz-Clubs: Bis zu den europäischen Plattenteller ist solche Musik bislang nicht vorgedrungen. Auch eine kleine Tournee ist in Planung: Die Veranstalter eines Festivals im italienischen Bergamo wollen die Band in ihr Programm aufnehmen, weitere Auftritte im südlichen Deutschland sind angedacht. "Es kommt drauf an, ob wir genügend Sponsoren finden", sagt Röder - die Kosten schätzt er auf 140.000 namibische Dollar. Und selbst mit soviel Geld in der Reisekasse müsse man wohl in der ein oder anderen Fußgängerzone spielen.

Mehr noch als früher - als sie noch in Walvis Bay lebten - sind die sechs Musiker zusammengewachsen, teilen Zeit, Musik und Ideen miteinander. Seit dem ersten August wohnen vier von ihnen in einem Windhoeker Appartement - die Miete finanzieren sie aus ihrer Gage. Manchmal ist das leichter, manchmal auch schwieriger: Der Dezember zum Beispiel war ein schlechter Monat, da kann's schonmal knapp werden. "Wenn es Probleme gibt", sagt die neue Wohngemeinschaft, "versuchen wir drüber zu reden". Volker Röder sieht die Band als Chance, als Möglichkeit, dem Leben ein Schnippchen zu schlagen. "Wir müssen uns fragen", sagt er, "ob wir junge Talente vergeuden wollen, oder ob wir etwas aus ihnen machen." Ongoma arbeitet dran, und schon bald kann man ihre Trommeln vielleicht hören - auf all den Veranden dieses Landes.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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