Die Verantwortung aus der Vergangenheit zu lernen (Teil 2)
Betr.: Versöhnung durch Benennung, Heilung und Überwindung der Folgen des Kolonialismus
Das Gefühl der kulturellen Überlegenheit und die damit einhergehenden rassistischen Vorurteile prägen leider immer noch etliche der deutschsprachigen Namibier. Dieses Überlegenheitsgefühl gilt es zu relativieren. Kolonisierung war eine Angelegenheit der Männer. So gibt Karen Smidt in ihrer Dissertation über die Frauen in Deutsch-Südwestafrika folgende Zahlen an: „1881 lebten in Deutsch- Südwestafrika 246 weiße Männer, davon 112 Deutsche. Ihre Zahl stieg auf 2804, davon 2173 Deutsche, im Jahre 1903 und auf 8530, davon 7336 deutsche Männer, im Jahre 1913 an. Die Zahl in der Kolonie lebenden Frauen war den gesamten Zeitraum über erheblich geringer. 1891 lebten in Deutsch-Südwestafrika 59 weiße Frauen, allesamt Ehefrauen von weißen Kolonisten vor Ort. 1913 waren es 3058 europäische Frauen, davon 2522 Deutsche, von denen wiederum 1793 verheiratet waren. 900 Frauen waren ledig oder verwitwet. Das zahlenmäßige Ungleichgewicht vergrößerte sich mit Ausbruch der Kolonialkriege, als das Deutsche Reich Truppen in die Kolonie verlegte, um die gebeutelte Schutztruppe zu verstärken. Da die deutsche Kolonialregierung verhindern wollte, dass die Soldaten Geschlechtsverkehr mit Frauen der indigenen Völker hatten, richtete sie z.B. ein Bordell in Swakopmund ein, in dem jüdische Frauen als Prostituierte arbeiteten. Deutsche Frauen sollten sich nicht prostituieren, denn sie sollten ja die hehren Wahrer der deutschen Sprache und Kultur bleiben.
Die zahlenmäßige Ungleichheit zwischen deutschen Männern und Frauen in den 30 Jahren deutscher Kolonialherrschaft führte in Deutsch-Südwestafrika zu den sogenannten Rassenmischehen und den Konkubinatsverhältnissen. Beide Verbindungen stellten ein Problem dar, denn die allgemeine Überzeugung der deutschen Kolonisten war: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben!“ Die Zahl der Mischehen war allerdings immer sehr gering und auch marginal und blieb über die Jahre einigermaßen konstant. Laut Smidt waren es 1897 am wenigsten mit 32, ihre Zahl 1909 mit 50 am höchsten. Obendrein gingen die deutschen Männer vor allem Mischehen mit Angehörigen der Rehobother Bastards ein.
Sorgen bereiteten der Kolonialverwaltung vielmehr die Konkubinatsverhältnisse, da die Grenzen zwischen Konkubinat, Prostitution und sexueller Gewalt fließend waren und die Kinder dieser Verhältnisse die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, wenn der deutsche Vater sie offiziell anerkannte. Das scheint zwar fast nie der Fall gewesen zu sein. Dass Kinder gezeugt wurden, belegt der Bezirkshauptmann Viktor Franke in seinen Tagebuchaufzeichnungen, als er von einem „gefälligen Mädchen“ schrieb. Als sie ein Kind erwartete, verstieß Franke seine Konkubine. Einige Jahre später, als das Mädchen ihn mit dem Kind konfrontierte, schrieb Franke in sein Tagebuch: „Nachmittags erscheint, als ich nichts ahnend vor dem Haus sitze, meine - Tochter! Tableu!! Sagt immer frisch drauflos: Vater. Ist ein gut gewachsenes Mädel … Mache die Sache so kurz als möglich u. schenke der Kleinen 2 [?], also das Vierfach, was dereinst die Mutter bekam.“ So wie Franke haben sich wohl die meisten Väter des Kinderproblems durch die Geste des Zahlens entledigt. Über die Zahl der in Konkubinatsatzverhältnissen gezeugten Kinder bestehen leider keine verlässlichen oder offiziellen Zahlen, das Ungleichgewicht zwischen weißen Frauen und Männern in der Kolonie lässt jedoch Rückschlüsse zu.
Die hier kurz skizzierten Sexualverhältnisse sollen nur belegen, dass wir deutschsprachigen Nachfahren der Kolonisten viel enger mit den indigenen Völkern Namibias verbunden sind, als wir es gern wahrhaben. Diese, wenn auch heute weit entfernte Verwandtschaft mit ihnen, erwartet von uns, sie als unsere Schwestern und Brüder zu akzeptieren und dementsprechend zu respektieren.
Der Gesprächskreis deutschsprachiger Namibier möchte mit seinen Aktionen dazu beitragen, in der gemeinsamen Heimat Namibia anzustreben, was Bischof Zephania Kameeta im Vorwort zur Dokumentation des 1. Studienprozesses: „Deutsche evangelische Kirche im kolonialen südlichen Afrika“ betonte:
„Wir müssen uns an die Zeit des Kolonialismus erinnern, aber wir brauchen dazu den Geist der Versöhnung. Die Befreiung unserer Länder kann nur gelingen, wenn Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen zusammenkommen, sich den Schmerz und die Sorgen der anderen anhören und sich die Hand reichen, um die Auswirkungen der Kolonialvergangenheit endlich zu überwinden, die unser Leben noch immer bestimmen.“
Wir sind keine Traumtänzer im Wolkenkuckucksheim und wissen, dass ein steiniger Weg vor uns liegt. Aber wir sind gewillt, gemeinsam den schwierigen Weg der Benennung, der Heilung und der Überwindung von Traumata und Schuld zu gehen, sodass zukünftige Generationen ein geheiltes und versöhntes Leben in Namibia führen können.
Hans-Volker Gretschel, Gesprächskreis deutschsprachiger Namibier.
Die zahlenmäßige Ungleichheit zwischen deutschen Männern und Frauen in den 30 Jahren deutscher Kolonialherrschaft führte in Deutsch-Südwestafrika zu den sogenannten Rassenmischehen und den Konkubinatsverhältnissen. Beide Verbindungen stellten ein Problem dar, denn die allgemeine Überzeugung der deutschen Kolonisten war: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben!“ Die Zahl der Mischehen war allerdings immer sehr gering und auch marginal und blieb über die Jahre einigermaßen konstant. Laut Smidt waren es 1897 am wenigsten mit 32, ihre Zahl 1909 mit 50 am höchsten. Obendrein gingen die deutschen Männer vor allem Mischehen mit Angehörigen der Rehobother Bastards ein.
Sorgen bereiteten der Kolonialverwaltung vielmehr die Konkubinatsverhältnisse, da die Grenzen zwischen Konkubinat, Prostitution und sexueller Gewalt fließend waren und die Kinder dieser Verhältnisse die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, wenn der deutsche Vater sie offiziell anerkannte. Das scheint zwar fast nie der Fall gewesen zu sein. Dass Kinder gezeugt wurden, belegt der Bezirkshauptmann Viktor Franke in seinen Tagebuchaufzeichnungen, als er von einem „gefälligen Mädchen“ schrieb. Als sie ein Kind erwartete, verstieß Franke seine Konkubine. Einige Jahre später, als das Mädchen ihn mit dem Kind konfrontierte, schrieb Franke in sein Tagebuch: „Nachmittags erscheint, als ich nichts ahnend vor dem Haus sitze, meine - Tochter! Tableu!! Sagt immer frisch drauflos: Vater. Ist ein gut gewachsenes Mädel … Mache die Sache so kurz als möglich u. schenke der Kleinen 2 [?], also das Vierfach, was dereinst die Mutter bekam.“ So wie Franke haben sich wohl die meisten Väter des Kinderproblems durch die Geste des Zahlens entledigt. Über die Zahl der in Konkubinatsatzverhältnissen gezeugten Kinder bestehen leider keine verlässlichen oder offiziellen Zahlen, das Ungleichgewicht zwischen weißen Frauen und Männern in der Kolonie lässt jedoch Rückschlüsse zu.
Die hier kurz skizzierten Sexualverhältnisse sollen nur belegen, dass wir deutschsprachigen Nachfahren der Kolonisten viel enger mit den indigenen Völkern Namibias verbunden sind, als wir es gern wahrhaben. Diese, wenn auch heute weit entfernte Verwandtschaft mit ihnen, erwartet von uns, sie als unsere Schwestern und Brüder zu akzeptieren und dementsprechend zu respektieren.
Der Gesprächskreis deutschsprachiger Namibier möchte mit seinen Aktionen dazu beitragen, in der gemeinsamen Heimat Namibia anzustreben, was Bischof Zephania Kameeta im Vorwort zur Dokumentation des 1. Studienprozesses: „Deutsche evangelische Kirche im kolonialen südlichen Afrika“ betonte:
„Wir müssen uns an die Zeit des Kolonialismus erinnern, aber wir brauchen dazu den Geist der Versöhnung. Die Befreiung unserer Länder kann nur gelingen, wenn Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen zusammenkommen, sich den Schmerz und die Sorgen der anderen anhören und sich die Hand reichen, um die Auswirkungen der Kolonialvergangenheit endlich zu überwinden, die unser Leben noch immer bestimmen.“
Wir sind keine Traumtänzer im Wolkenkuckucksheim und wissen, dass ein steiniger Weg vor uns liegt. Aber wir sind gewillt, gemeinsam den schwierigen Weg der Benennung, der Heilung und der Überwindung von Traumata und Schuld zu gehen, sodass zukünftige Generationen ein geheiltes und versöhntes Leben in Namibia führen können.
Hans-Volker Gretschel, Gesprächskreis deutschsprachiger Namibier.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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