„Die Weinstube war meine Garage“
Von Benjamin Schaller, Windhoek
Grammophonspieler, schwäbische Kuckucksuhren oder Filmvorführgeräte aus der prädigitalen Ära. Im Ballsaal der früheren Hotelanlage Grüner Kranz in Windhoek stehen allerhand Antiquitäten aus verschiedensten Epochen zum Verkauf. An ausschweifende Tanzabende ist bei diesem Anblick allerdings nur schwerlich zu denken, es sei denn, die Tanzenden schafften es, sich beim Walzer oder Foxtrott geschickt zwischen Standuhren und Kommoden durchzumanövrieren. Dennoch ist der Geist der Vergangenheit, als Kinosaal oder eben Tanzparkett, noch spürbar. Die hohe, holzvertäfelte Decke, gebogene Fenster oder stattliche Kronleuchter. Wandgemälde an beiden Enden des Raumes zeigen leicht bekleidete Frauen, die sich inmitten von Naturmotiven räkeln. „Früher waren sie einmal komplett nackt“, weiß Gerda Diener. „Einigen eher konservativen Gästen ist das aber aufgestoßen. Deshalb haben wir ihnen etwas ,angezogen´, also Kleider übergemalt.“
Die Seniorin kann so einiges zur Geschichte des Grünen Kranzes erzählen, schließlich ist es auch Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte. Ihr Großvater Rudolf Brüshaver war Ende des 19. Jahrhunderts aus Deutschland nach Südwestafrika gekommen. Er arbeitete zunächst im Baugewerbe, bis er sich zum Wechsel in die Gastronomie entschloss und die Hotelanlage aufbaute. Der Ballsaal selbst wurde im Jahr 1906 fertiggestellt. „Für den Bau wurde sehr hochwertiges und teures Material aus Übersee verwendet“, erzählt Gerda Diener. „Trotz ausführlicher Suche im Familienarchiv haben wir bis heute nicht herausfinden können, woher er das Geld dafür eigentlich hatte.“
Nach dem Tod des Großvaters im Jahr 1908 gibt Dieners Großmutter die Ausschanklizenz sechs Jahre später freiwillig ab, der Grüne Kranz wird zur Vollpension umgewandelt. Gerda Diener selbst kommt schließlich in den 20er Jahren zur Welt – wann genau, bleibt ihr Geheimnis. „Alle fragen immer nach meinem Alter. Ich bin so alt wie ich aussehe. Mein genaues Geburtsjahr habe ich vergessen“, witzelt die Frau, deren Auftreten es nicht vermeiden lässt, dass einem die im Grunde überstrapazierte Phrase der „rüstigen Rentnerin“ in den Sinn kommt. Ihre Kindheit und Jugend verbringt sie auf dem Gelände, bereits mit 10 Jahren hilft sie gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester im Familienbetrieb mit, kocht und bedient die Gäste. Ihre Mutter Auguste hatte die Pension lange Jahre allein mit den zwei Töchtern betreiben müssen, da ihr Mann bereits früh verstorben war.
Trotz der harten Arbeit und dem Aufwachsen als Halbwaise kann sie aber auch von freudigen Kindheitserinnerungen berichten. So erinnert sie sich an Streiche, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester einigen Pensionsgästen gespielt hat. „Einmal hat hier ein frisch verheiratetes Ehepaar übernachtet. Denen haben wir eine Glocke an die Unterseite des Bettes gehängt“, berichtet Diener mit einem Grinsen.
Fachkundig erzählt sie zudem zur Geschichte der einzelnen Bauten des Grünen Kranzes. So war ein Teil der heutigen Weinstube früher einmal ihre Garage. Die Verkaufsräume des Weinhandels befinden sich hingegen auf der Stelle eines früheren Stalles. „Aus der Zeit, in der es noch keine Autos gab. Die Farmer, die im Grünen Kranz übernachtet haben, kamen in ihren Ochsenwagen, und die Tiere wurden dann dort untergebracht“, so Diener. Im heute als Antiquitätengeschäft genutzte Ballsaal wurde die Konfirmation von ihr und ihrer Schwester gefeiert. Und auch die frühere Kegelbahn wurde Schauplatz erfreulicher wie unerfreulicher Familiengeschichte. „Dort starb mein Großvater Rudolf. Und ich heiratete dort meinen Ehemann Herbert.“
Vor ihrer Hochzeit hatte Gerda Diener den Grünen Kranz bereits vorläufig verlassen und auf einer Farm gearbeitet. Der Pensionsbetrieb war nach der Hochzeit der Schwester ohnehin schon eingestellt wurden, die früheren Gästezimmer wurden nun als Wohnungen vermietet. Trotzdem kehrte Gerda Diener gemeinsam mit ihrem Mann einige Jahre später zurück. „Eine der Wohnungen war gerade frei geworden, und wir entschlossen, dort zu leben“, begründet sie die Entscheidung. Wie sich herausstellte, sollte sie von langfristiger Dauer sein, schließlich lebt Gerda Diener noch heute in eben jener Wohnung. Ihr Mann hatte Zahnmedizin studiert, der zweite Weltkrieg verwehrte ihm jedoch die Chance, einen Doktortitel anzustreben. Später war er beruflich als Buchführer tätig, letztendlich widmete er sich jedoch seiner Leidenschaft, der Malerei. Herbert Diener malte eine dreistellige Anzahl an Gemälden, hauptsächlich Abbilder der Naturschönheiten des Landes. Einige davon konnte er erfolgreich auf Kunstauktionen versteigern. Nach seinem Tod im Jahr 1983 kaufte Gerda Diener jedoch sämtliche Gemälde ihres Mannes zurück. Sie hängen heute in der Wohnung, die sie sich in fast 30 Ehejahren geteilt hatten.
Der gesamte Grüne Kranz befindet sich heute vollständig im Besitz von Gerda Diener. Gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn Ferdinand machte sie das Gelände zu dem, was es heute ist. Die Geschäftsräume werden neben dem erwähnten Antiquitätenladen, der auch mal als Verkaufssaal für Chevrolets diente, als Café oder Bestattungsunternehmen benutzt. Einige der Räumlichkeiten sind an Privatpersonen vermietet. Auch der Sanitärfachhandel Obeco gehört mit seiner Verkaufshalle zu den Mietern von Gerda Diener. Lediglich ein Gebäude ist so etwas wie das Sorgenkind: Für das frühere Klubhaus des Oldtimerclubs Old Wheelers hat Diener noch keinen neuen Mieter gefunden. „Es gibt eine Bar mit Mobiliar, eine funktionstüchtige Küche, zudem hängt noch ein weiterer Raum dran, der für verschiedene Anlässe genutzt werden könnte. Mir fehlt nur jemand, der etwas daraus machen möchte und Kapital und Motivation mitbringt.“ Alle bisherigen Interessenten hätten nur über jeweils eine der beiden Bedingungen verfügt.
Gerda Diener lässt sich jedoch auf der Suche nach einem neuen Nutzer nicht entmutigen und geht weiterhin beschäftigt ihrem Alltag nach. „Ich stehe jeden Morgen um halb sechs auf. Ab 7 Uhr beginnt die Arbeit, es gibt viel aufzuräumen, im Garten so viel zu harken. Und die Tiere müssen gefüttert werden, wir haben Gänse und Enten.“ Außerdem geht sie mit ihren Hunden spazieren, allerdings nur über das Gelände des Grünen Kranzes. Dort kennt sie sich schließlich bestens aus.
Grammophonspieler, schwäbische Kuckucksuhren oder Filmvorführgeräte aus der prädigitalen Ära. Im Ballsaal der früheren Hotelanlage Grüner Kranz in Windhoek stehen allerhand Antiquitäten aus verschiedensten Epochen zum Verkauf. An ausschweifende Tanzabende ist bei diesem Anblick allerdings nur schwerlich zu denken, es sei denn, die Tanzenden schafften es, sich beim Walzer oder Foxtrott geschickt zwischen Standuhren und Kommoden durchzumanövrieren. Dennoch ist der Geist der Vergangenheit, als Kinosaal oder eben Tanzparkett, noch spürbar. Die hohe, holzvertäfelte Decke, gebogene Fenster oder stattliche Kronleuchter. Wandgemälde an beiden Enden des Raumes zeigen leicht bekleidete Frauen, die sich inmitten von Naturmotiven räkeln. „Früher waren sie einmal komplett nackt“, weiß Gerda Diener. „Einigen eher konservativen Gästen ist das aber aufgestoßen. Deshalb haben wir ihnen etwas ,angezogen´, also Kleider übergemalt.“
Die Seniorin kann so einiges zur Geschichte des Grünen Kranzes erzählen, schließlich ist es auch Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte. Ihr Großvater Rudolf Brüshaver war Ende des 19. Jahrhunderts aus Deutschland nach Südwestafrika gekommen. Er arbeitete zunächst im Baugewerbe, bis er sich zum Wechsel in die Gastronomie entschloss und die Hotelanlage aufbaute. Der Ballsaal selbst wurde im Jahr 1906 fertiggestellt. „Für den Bau wurde sehr hochwertiges und teures Material aus Übersee verwendet“, erzählt Gerda Diener. „Trotz ausführlicher Suche im Familienarchiv haben wir bis heute nicht herausfinden können, woher er das Geld dafür eigentlich hatte.“
Nach dem Tod des Großvaters im Jahr 1908 gibt Dieners Großmutter die Ausschanklizenz sechs Jahre später freiwillig ab, der Grüne Kranz wird zur Vollpension umgewandelt. Gerda Diener selbst kommt schließlich in den 20er Jahren zur Welt – wann genau, bleibt ihr Geheimnis. „Alle fragen immer nach meinem Alter. Ich bin so alt wie ich aussehe. Mein genaues Geburtsjahr habe ich vergessen“, witzelt die Frau, deren Auftreten es nicht vermeiden lässt, dass einem die im Grunde überstrapazierte Phrase der „rüstigen Rentnerin“ in den Sinn kommt. Ihre Kindheit und Jugend verbringt sie auf dem Gelände, bereits mit 10 Jahren hilft sie gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester im Familienbetrieb mit, kocht und bedient die Gäste. Ihre Mutter Auguste hatte die Pension lange Jahre allein mit den zwei Töchtern betreiben müssen, da ihr Mann bereits früh verstorben war.
Trotz der harten Arbeit und dem Aufwachsen als Halbwaise kann sie aber auch von freudigen Kindheitserinnerungen berichten. So erinnert sie sich an Streiche, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester einigen Pensionsgästen gespielt hat. „Einmal hat hier ein frisch verheiratetes Ehepaar übernachtet. Denen haben wir eine Glocke an die Unterseite des Bettes gehängt“, berichtet Diener mit einem Grinsen.
Fachkundig erzählt sie zudem zur Geschichte der einzelnen Bauten des Grünen Kranzes. So war ein Teil der heutigen Weinstube früher einmal ihre Garage. Die Verkaufsräume des Weinhandels befinden sich hingegen auf der Stelle eines früheren Stalles. „Aus der Zeit, in der es noch keine Autos gab. Die Farmer, die im Grünen Kranz übernachtet haben, kamen in ihren Ochsenwagen, und die Tiere wurden dann dort untergebracht“, so Diener. Im heute als Antiquitätengeschäft genutzte Ballsaal wurde die Konfirmation von ihr und ihrer Schwester gefeiert. Und auch die frühere Kegelbahn wurde Schauplatz erfreulicher wie unerfreulicher Familiengeschichte. „Dort starb mein Großvater Rudolf. Und ich heiratete dort meinen Ehemann Herbert.“
Vor ihrer Hochzeit hatte Gerda Diener den Grünen Kranz bereits vorläufig verlassen und auf einer Farm gearbeitet. Der Pensionsbetrieb war nach der Hochzeit der Schwester ohnehin schon eingestellt wurden, die früheren Gästezimmer wurden nun als Wohnungen vermietet. Trotzdem kehrte Gerda Diener gemeinsam mit ihrem Mann einige Jahre später zurück. „Eine der Wohnungen war gerade frei geworden, und wir entschlossen, dort zu leben“, begründet sie die Entscheidung. Wie sich herausstellte, sollte sie von langfristiger Dauer sein, schließlich lebt Gerda Diener noch heute in eben jener Wohnung. Ihr Mann hatte Zahnmedizin studiert, der zweite Weltkrieg verwehrte ihm jedoch die Chance, einen Doktortitel anzustreben. Später war er beruflich als Buchführer tätig, letztendlich widmete er sich jedoch seiner Leidenschaft, der Malerei. Herbert Diener malte eine dreistellige Anzahl an Gemälden, hauptsächlich Abbilder der Naturschönheiten des Landes. Einige davon konnte er erfolgreich auf Kunstauktionen versteigern. Nach seinem Tod im Jahr 1983 kaufte Gerda Diener jedoch sämtliche Gemälde ihres Mannes zurück. Sie hängen heute in der Wohnung, die sie sich in fast 30 Ehejahren geteilt hatten.
Der gesamte Grüne Kranz befindet sich heute vollständig im Besitz von Gerda Diener. Gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn Ferdinand machte sie das Gelände zu dem, was es heute ist. Die Geschäftsräume werden neben dem erwähnten Antiquitätenladen, der auch mal als Verkaufssaal für Chevrolets diente, als Café oder Bestattungsunternehmen benutzt. Einige der Räumlichkeiten sind an Privatpersonen vermietet. Auch der Sanitärfachhandel Obeco gehört mit seiner Verkaufshalle zu den Mietern von Gerda Diener. Lediglich ein Gebäude ist so etwas wie das Sorgenkind: Für das frühere Klubhaus des Oldtimerclubs Old Wheelers hat Diener noch keinen neuen Mieter gefunden. „Es gibt eine Bar mit Mobiliar, eine funktionstüchtige Küche, zudem hängt noch ein weiterer Raum dran, der für verschiedene Anlässe genutzt werden könnte. Mir fehlt nur jemand, der etwas daraus machen möchte und Kapital und Motivation mitbringt.“ Alle bisherigen Interessenten hätten nur über jeweils eine der beiden Bedingungen verfügt.
Gerda Diener lässt sich jedoch auf der Suche nach einem neuen Nutzer nicht entmutigen und geht weiterhin beschäftigt ihrem Alltag nach. „Ich stehe jeden Morgen um halb sechs auf. Ab 7 Uhr beginnt die Arbeit, es gibt viel aufzuräumen, im Garten so viel zu harken. Und die Tiere müssen gefüttert werden, wir haben Gänse und Enten.“ Außerdem geht sie mit ihren Hunden spazieren, allerdings nur über das Gelände des Grünen Kranzes. Dort kennt sie sich schließlich bestens aus.
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Allgemeine Zeitung
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