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Die wilden Kerle mit den heißen Öfen

Die Story der Vespa-Jungs beginnt mit derben Flüchen und Blasen an den Füßen, und so endet sie auch. Erste Szene, Handlungsort ist die Wohnung des Motorroller-Fans Johnnie Johnson in Kapstadt, im Winter 1967. Einer seiner Nachbarn ist gerade von einer Wandertour zum Fischfluss-Canyon zurückgekehrt. Mit schmerzenden Gliedern sitzt er in Johnnies Wohnzimmer und schimpft auf das verfluchte Tal. "Beim nächsten Mal", sagt Johnnie scherzhaft, "fahr doch einfach mit meiner Vespa durch den Canyon." - "Mach du das doch, als ob das möglich wäre", schießt es zurück. Der Fehdehandschuh ist geworfen. Und wer wäre Western-Fan Johnnie Johnson, wenn er die Herausforderung nicht annehmen würde?
Johnnie erzählt seinem besten Freund, Graham Nell, von der Idee. Zusammen mit vier anderen Mitgliedern des Kapstädter Vespa-Clubs, Aubrey Jackson, Peter Derrichs, Tony Beckley und Terry Davidson, schmieden sie den Plan, nicht nur die Herausforderung anzunehmen, eine Vespa auf den Boden des 500 Meter tiefen Canyon zu bringen. Sie setzen sich auch in den Kopf, die 80 Kilometer lange Wanderstrecke vom Hauptaussichtpunkt bis Ai-Ais auf ihren Motorrollern zu fahren.
Damit wenigstens eine Vespa sicher ans Ziel kommt, entscheiden sie sich, drei Roller mitzunehmen. Die Gefährte werden canyongerecht frisiert, im Safari-Look als Zebra, Giraffe und Leopard bemalt und auf die Namen Veni, Vidi und Vici getauft: "Ich kam, ich sah, ich siegte."
"Wir wussten, dass unser Vorhaben zu 99 Prozent unmöglich war", sagt Johnnie Johnson. "Aber das eine Prozent war den Versuch wert." 42 Jahre sind seitdem vergangen, Johnnie ist inzwischen 76 Jahre alt. Aber wie er da am vergangenen Wochenende bei der Eröffnung des renovierten Canyon Roadhouse auf einem Barhocker sitzt und Abenteuer seines Lebens erzählt, meint man, einen kleinen Jungen vor sich zu haben.
Johnnie Johnson, Graham Nell und Aubrey Jackson sind die Stars des Abends. Eingeladen hat sie der geschäftsführende Direktor der Gondwana Collection, Mannfred "Manni" Goldbeck. Ihm haben es die drei zu verdanken, dass ihre Geschichte zu neuem Leben erwacht ist. Vor vierzehn Jahren stieß Manni auf einen vergilbten Zeitungsartikel, der am Hauptaussichtspunkt aufgehängt war. In dem Text war von sechs Wagemutigen die Rede, die den Canyon mit Vespas befahren hätten. Der Artikel ließ Manni keine Ruhe, doch erst vor einem Jahr, als die Eröffnung des Roadhouses langsam näher rückte, fand er die Zeit, der Geschichte nachzugehen.
In Kapstadt fragte Manni in einem Motorroller-Geschäft nach dem Vespa-Club, und tatsächlich konnte ihm jemand die Telefonnummer des ehemaligen Vereins-Präsidenten nennen. Der stellte den Kontakt zu Graham Nell her und über ihn fand Manni schließlich auch drei der fünf anderen Expeditionsmitglieder: Zu Johnny Johnson hatte Graham immer noch guten Kontakt, von Aubrey Jackson dachten die beiden, dass er schon tot sei, und erfuhren erst durch Mannis hartnäckige Fragen von seinem Aufenthaltsort. Terry Davidson wäre auch gern zur Jubiläumsfeier ins Canyon Roadhouse gekommen, nachdem ihn die anderen aufgespürt hatten - allerdings arbeitet er und konnte für den Ausflug nach Namibia nicht freinehmen. Die beiden übrigen, Tony Beckley und Peter Derricks, sind verschollen: Der eine wanderte nach Australien aus, der andere ging nach Deutschland, wo er unauffindbar ist.
Die drei verfügbaren Recken sitzen im Roadhouse, und auf dem Fernseher im Informationszentrum läuft der Film, den sie ein Jahr nach ihrem Abenteuer aus Expeditions-Fotos zusammengeschnitten haben. Johnnies Stimme erzählt ihre Geschichte, unterlegt ist das Werk mit dramatischer Musik aus dem Clint-Eastwood-Film "Für eine Handvoll Dollar".
Der Film beginnt mit den Vorbereitungen: Ein halbes Jahr vor Expeditionsstart starten die sechs Freunde hartes körperliches Training, erledigen den Weg zur Arbeit zu Fuß und die Wege in die oberen Stockwerke ohne Fahrstuhl. Am Wochenende proben sie die Praxis: Sie schieben ihre Motorroller steile Straßen, Sanddünen und die steinigen Pfade des Tafelbergs hinauf.
Am 10. Juli 1968 stehen sie ihrem Feind, dem Canyon, zum ersten Mal Auge in Auge gegenüber und verharren in beeindrucktem Entsetzen. Doch dann gibt es kein Zurück mehr: Sie machen sich an den Abstieg, der normalerweise in zwei Stunden zu bewältigen ist. Mit den Vespas brauchen sie zweieinhalb Tage, schwitzen bei 40 Grad in der Mittagssonne, frieren bei 8 Grad in der Nacht, und erleiden Durst, weil sie sich mit ihrem Wasserverbrauch komplett verschätzt haben.
Die Motorroller befördern sie mithilfe von Sicherungsseilen und Winden Steilwände und losen Schotter hinunter, wuchten sie mit Muskelkraft über große Felsbrocken. "You are mad", Ihr seid verrückt, schreibt eine Wandergruppe in den Sand, nachdem sie die Vespa-Expedition überholt hat.
Die größte Katastrophe beim Abstieg ist der Verlust von Veni. Am Rande eines Abgrunds reißt ein Sicherungsseil und die Vespa stürzt in die Tiefe. Sie kann nicht repariert werden, die Männer müssen sie zurücklassen. Die folgenden sechs Tage entwickeln sich zum Albtraum: Zwar schreiben die Männer am 12. Juli Geschichte, als mit Vici die erste Vespa den Grund des Canyons erreicht. Beim Versuch, die Vespas mit einem aufblasbaren Kanu den Fischfluss hinabzuschiffen, fällt jedoch die gesamte Ausrüstung ins Wasser. Wenig später kentert das Schlauchboot erneut und reißt Vici und den mitschwimmenden Aubrey in die Tiefe. Er schafft es gerade noch ans Ufer, die Vespa ist verloren.
Trotz kräftezehrender Bemühungen legt die Expedition keine 2 Kilometer am Tag zurück. Am siebenten Tag, nach äußerster Kraftanstrengung, erliegt schließlich die dritte Vespa dem Staub und Modder und kann ohne Ersatzteile nicht repariert werden. Schweren Herzens lassen die Männer ihren letzten Motorroller zurück. Vor ihnen liegen 16 Kilometer bis zum Notausstieg, sie haben keine Lebensmittel mehr und jeder mehr als 30 Kilo Gepäck. An den Schwefelquellen am Ausstieg angekommen, reißen sie sich die Kleidung vom Körper und baden ihre wunden Füße im Heilwasser - zwei Stunden lang.
"Dieses Abenteuer werde ich mein Leben lang nicht vergessen", sagt Johnnie Johnson, als der Film zu Ende ist. Und ich bin Manni unglaublich dankbar, dass sich jemand heute noch daran erinnert, dass wir vor vier Jahrzehnten einmal Canyon-Boys gewesen sind."

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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