Durchs wilde Buschmannland zu den Sandstrecken des Caprivi
Das Buschmannland und der Kaudom-Nationalpark sind ein noch kaum erschlossenes Gebiet in Namibia und die Heimat einer Vielzahl von Buschmannsippen, die hier in der Kalahari ein mehr oder weniger traditionelles Leben führen. Da eine Infrastruktur kaum vorhanden und das Gebiet nur sehr dünn besiedelt ist, bleibt immer noch genug Raum für eine artenreiche Tiervielfalt. Die hier lebenden Buschleute sind immer noch zu einem gewissen Teil auf Jagen, Sammeln oder Kleinviehzucht angewiesen. Wer Reisen in diese Gebiete unternimmt, ist also gut beraten sich mit einem robusten Allradfahrzeug auszustatten und ausreichend Vorräte an Wasser, Treibstoff und Lebensmittel mitzunehmen, um nicht unfreiwillig selber zum Jäger und Sammler zu werden. Wasser kann man nur an wenigen Tiefbrunnen nachtanken.
Das Abenteuer beginnt:
Die Tour beginnt frühmorgens in Windhoek.Unsere zwei Spezialfahrzeuge der Marke Steyr-Puch halten vor dem Gästehaus, in der die sieben Reiseteilnehmer untergebracht sind. Das eine ist ein Planenfahrzeug und dazu bestimmt, die zusätzlichen 400 Liter Kraftstoff und 200 Liter Wasser aufzunehmen, dazu das gesamte Gepäck, große Kühlboxen mit Essensvorräten und die Safariausrüstung. So ausgestattet können wir ca. zehn Tage ohne weitere Versorgung auskommen. Das zweite Adventure-Mobil ist mit einem festen Aufbau versehen und soll die Safarigäste durch die unwegsamsten Strecken des Buschmann-Landes und des Caprivi-Nationalparks sicher ans Ziel bringen. Nachdem das Gepäck verstaut ist und jeder seinen Platz in unserem "Pinzi" gefunden hat, führt die erste Etappe in das nordwestlich gelegene Siedlungsgebiet der Herero. Bei Otjinene endet die gut ausgebaute Schotterstraße, weiter geht es auf einer holprigen und löchrigen Piste. In der flachen Buschlandschaft sieht man von Zeit zu Zeit kleine Hererosiedlungen und Farmen. Da die Rinder und Ziegen die Straße ungeniert und in voller Breite für sich beanspruchen, müssen die Fahrzeuge oft abgebremst werden um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Aber irgendwann ist auch diese Piste zu Ende. Wir bewegen uns nun auf einer Fahrspur entlang des Eiseb-Trockenflusses nach Osten. Die Fahrgeschwindigkeit ist zwar auf etwa 30 km/h reduziert, aber dafür ist die Landschaft nun wesentlich interessanter. Da der Nachmittag schon weit fortgeschritten ist, beschließen wir einfach eine schöne Stelle für das Camp auszusuchen. Einfach so irgendwo die Zelte aufschlagen, ein Lagerfeuer anzünden und das Fleisch braten, ist für die Besucher aus Übersee ein seltenes Vergnügen.
In der Hauptstadt der Buschmänner:
Bald schon schwenken wir nach Norden ein, die bisher holperige, aber gut befahrbare Fahrspur weicht tiefem Kalaharisand. Mit zugeschalteter Forderachse und reduziertem Luftdruck in den Reifen müssen wir immer wieder die mit Buschwerk bewachsenen Dünen überwinden, die sich wie ein erstarrtes Meer, wellenförmig vor uns ausbreiten. Den ganzen Vormittag arbeiten wir uns die Sanddünen rauf und runter, bis wir Gam erreichen, wo auch wieder eine ordentliche Straße beginnt.
Nach kurzer Fahrt rollen wir in Tsumkwe, einer kleinen Ortschaft ein, die schmeichelhafter Weise als die Hauptstadt des Buschmannlandes bezeichnet wird. Dort findet man inmitten einer Handvoll kleiner Behausungen eine Tankstelle (die fast nie Treibstoff hat), einen Supermarkt mit spartanischem Sortiment, eine Polizeistation, eine Sanitätsstation und eine Schule. Arnold, ein Deutscher der mit einer Buschmannfrau verheiratet ist und zusammen mit seiner Familie viele Jahre im Buschmannland wohnte, hatte uns eingeladen in "seinem alten Haus" zu übernachten. Die zur Einladung beigelegte Routenbeschreibung enthält den Hinweis: "nach der Schule in Tsumkwe links abbiegen, dann noch 25 km Sandpad". Konnte diese kaum sichtbare Fahrspur die betreffende Sandstraße sein? Kaum sind wir 200 Meter der Spur gefolgt, geht es schon los: rechts und links stehen die Büsche eng zusammen, die Fahrspur hat sich in eine kurvenreiche Fahrrinne im weichen Kalaharisand verwandelt. Äste peitschen gegen die Frontscheibe, Dornen kratzen an den Bordwänden, der Sand wird stellenweise so tief, dass der Allradantrieb zugeschaltet werden muss. Ja, so haben wir uns das Buschmannland vorgestellt. Für die 25 km brauchen wir in dem schweren Sandgelände fast eine Stunde Fahrzeit.
Auf einer freien Stelle im dichten Buschland stehen etwa zehn Gras-Hütten, die Wellblechbehausung etwas abseits dürfte die von Arnold sein. Noch bevor wir uns darüber im Klaren sind, wie es jetzt weiter gehen soll, sind unsere Pinzgauer schon von einer lachenden und lärmenden Menge umringt. Groß und Klein, Alt und Jung, Hunde und Hühner, schlichtweg alles was in der Siedlung Beine hat steht um uns herum und redet auf uns ein. Nach einigen erfolglosen Verständigungsversuchen wird ein junger Mann heran geschoben. "Me Daniel", stellt er sich in gebrochenem Englisch vor. Er gibt uns zu verstehen, dass Arnold schon lange weg sei und auch keiner wüsste wann er zurückkommen würde. Das ist allerdings kein Problem für uns, denn wir haben die Erlaubnis in seiner Abwesenheit zu schalten und walten wie es uns beliebt. Begleitet von der gesamten Buschmann-Schar begeben wir uns zu der alten Blechbehausung ihres angeheirateten Sippenmitgliedes. Als wir mit dem Entladen der Fahrzeuge beginnen, haben wir eine aufmerksame Zuschauerschaft, die jeden Handgriff und Gegenstand aufmerksam beobachtet. Die Zelte werden aufgebaut, ein Lagerfeuer entfacht und jeder versucht sich's so bequem wie möglich zu machen. "Hier kommt nur heiße Luft raus", tönt es aus der Dusche. Andreas hat bei seinem Erkundungsgang festgestellt dass die Leitungen zu dem Wassertank für die Sanitäranlagen von den Elefanten herausgerissen wurden. So bequem wird es also doch nicht sein.
"Beware of Elephants, Lions and Hyaena in Camp at night":
Das Tagesziel, Camp Sikereti, ist bereits am frühen Nachmittag erreicht. Das Camp ist menschenleer, weder ein Ranger noch andere Besucher sind in dem weitläufigen Camp zu finden. Als ich mit Johanna zur "Rezeption" gehe, einer Holzhütte mit einem Tisch und Stuhl und einem Gästebuch das noch aus Methusalems Zeiten zu stammen scheint, entdecken wir ein Warnschild. "Das könnte eine Erklärung sein warum hier keiner zu finden ist", sagt sie schmunzelnd und deutet auf das Schild neben dem Eingang. "Warning Danger: Beware of Elephant, Lion & Hyena in Camp at Night" steht zu lesen. Als wir uns in das zerfledderte Gästebuch eintragen, erkennen wir an den vorherigen Eintragungen, dass pro Woche etwa eine Partie den Kaudom-Nationalpark durchquert. Wir können also davon ausgehen, im Moment die einzigen Besucher im Nationalpark zu sein.
Nachdem unser Camp aufgebaut und jeder die lang ersehnte Dusche genommen hat, sind wir bereit für neue Taten. Mit unserem Planen-Pinzi wollen wir am Nachmittag eine Pirschfahrt zu den umliegenden Wasserstellen unternehmen, denn dort ist die Wahrscheinlichkeit für Tierbeobachtungen am größten. Noch bevor wir alle startklar sind, hören wir Motorengeräusch. Ein Fahrzeug der Naturschutzbehörde hält und ein junger Mann steigt aus. Nach einem kurzen Gespräch stellt es sich heraus, dass er für etwa ein Jahr hierher in den Kaudom-Nationalpark versetzt wurde, um die Umrüstung der diversen Wasserstellen auf Solarbetrieb zu bewerkstelligen.
Er gesteht uns, dass ihn in erster Linie die Neugierde nach unseren Fahrzeugen veranlasste bei uns zu halten. Mit großen Augen inspiziert er unsere beiden Fahrzeuge und als ich ihm eröffne, dass alle drei Achsen angetrieben werden können ist er schier aus dem Häuschen. Dann erzählt er, wie oft er mit seinen Kollegen in der letzten Zeit schaufeln, schieben und schwitzen musste, um die eigenen Fahrzeuge bei der täglichen Arbeit durch den Sand zu bewegen. Als wir ihm eröffnen, dass noch eine Pirschfahrt ansteht, lässt er uns wissen, dass heute sein freier Nachmittag sei. Na wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist.
Mehr Elefanten als Fliegen:
Drice, wie er sich mittlerweile vorgestellt hat, ist uns als Begleiter höchst willkommen, schließlich hat man nicht alle Tage einen Naturschutzbeamten als Guide. "Jetzt werde ich euch meine Lieblings-Wasserstelle zeigen", meint er. "Dort gibt es mehr Elefanten als Fliegen". Auf dem Weg zu der Wasserstelle führt uns Drice durch eine Vielzahl von "Omiramba". Die parallel zu den Sanddünen verlaufenden Täler sind mit meterhohem Gras bedeckt. Vereinzelt stehen hohe Bäume, unter denen große Herden von Gnus und Pferdeantilopen weiden. Immer wieder sehen wir Rotten von Warzenschweinen vor uns im Gras verschwinden. "Hier gibt es auch Löwen und Leoparden, also bei so hohem Gras nie aus dem Fahrzeug steigen", warnt uns Drice. Je mehr wir uns der Wasserstelle nähern, desto offensichtlicher wird, dass hier Elefanten nicht mehr weit sein können. Überall liegt Elefantenkot am Boden, Bäume sind umgeknickt, die Äste entrindet. Überdimensionale Fußstapfen führen auf die Wasserstelle zu. Wir erreichen eine Anhöhe und können unseren Augen kaum trauen. Eine Masse von Elefantenleibern suhlt sich im schlammigen Wasser, es herrscht ein Spritzen und Plustern, Plantschen und Schnauben. Ein kleiner Elefant versucht die glitschige Böschung hoch zu kommen, schlittert immer wieder zurück ins Wasser, ein großer Bulle füllt seinen Rüssel und wirft das Wasser über den Kopf auf seinen Rücken. Kleine Elefantengruppen stehen am Ufer, bewerfen sich mit Sand, wälzen sich und scheinen das Elefantenbad so richtig zu genießen.
Nachdem die Elefanten genug gebadet haben, wird die Wasserstelle wieder frei für die anderen Tiere. Es kommen Oryx-Antilopen und Steinböckchen zum Trinken, danach folgen Giraffen und Rappen-Antilopen. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, ein phantastischer Sonnenuntergang schließt dieses einmalige Naturschauspiel ab, uns fällt es schwer von diesem zauberhaften Ort Abschied zu nehmen.
Zurück im Camp werden die Eindrücke noch lange am Lagerfeuer diskutiert. Später gesellt sich auch Drice mit zu uns. Einerseits weil er über Abwechslung und Gesellschaft recht froh ist, ganz besonders aber weil er weiß, dass es bei uns einen großen Vorrat an kaltem Bier gibt. Während wir so am Lagerfeuer sitzen hören wir wie in unmittelbarer Nähe, irgendwo in der Dunkelheit ein Baum umgeknickt wird. "Das ist eine einzelne Elefantenkuh" erklärt Drice, "die treibt sich schon seit zwei Wochen hier in der Gegend herum. Nachts kommt sie oft nahe ans Camp. Es ist besser wenn ihr die ganze Nacht ein Lagerfeuer unterhaltet". Wir sitzen noch lange am Lagerfeuer, nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen nächtlichen Geräusche die uns die Lust auf Schlaf rauben.
Das absolute Nirwana:
Am nächsten Morgen sind wir alle etwas unausgeschlafen, denn nachts wurde noch so mancher Baum umgeknickt und so mancher Schläfer aus seinen Träumen gerissen. Der Einzige, der nicht über Schlafmangel zu klagen hat, ist Andreas. Er hatte seine Schlafstelle auf dem Dach des Pinzgauers aufgeschlagen, wo er sich so sicher wie in Abrahams Schoß fühlte. Nicht ganz zu Unrecht, denn wir fanden eine große Hyänenfährte an der Stelle an der am Vorabend noch unser Müllsack hing. Einige waren erleichtert, dass die Hyäne den Inhalt des Müllsackes und nicht den Inhalt des eigenen Zeltes zur Befriedigung der nächtlichen Naschlust verwendete. Für die nächste Nacht gibt es drei Anmeldungen für die "Pinzgauer-Suite".
Die heutige Etappe zu dem 100 km entfernten Camp Kaudom soll die härteste der ganzen Tour sein, es erwarten uns kilometerweise Tiefsandfelder, verwehte Fahrspuren, umgefallene Bäume und jede Menge Tierwelt. Für den Offroad-Freak die Rosinen im Kuchen, das absolute Nirwana.
Keine 25 km nördlich von Sikereti beginnt es schon, das Nirwana, soweit der Blick der arg verwehten Fahrspur folgen kann, überall nur tiefer Sand. Um den Weg in den Offroad-Himmel zu erleichtern, lassen wir bei allen Reifen kräftig Luft ab. Es beginnt eine höllische Fahrt durch Omurambas, Dünen rauf und Dünen runter. Umgestürzte Bäume, die zu schwer sind um sie aus dem Weg zu räumen, werden mit großem Anlauf umfahren. Als schwierig erweist es sich die zahlreichen Dünen hoch zu kommen. Alle Register unserer technischen Möglichkeiten müssen gezogen werden. Allrad, Untersetzung, Differentialsperren an den Hinterachsen. Immer wieder halten wir an um die umgestürzten Bäume aus der Spur zur räumen. Schon bald sind alle Abenteurer mit einer Staubschicht bedeckt, in die der Schweiß feine Rinnsale gezaubert hat. Der Sand bildet feine Wellen und mit der Zeit haben wir den Eindruck auf hoher See von Welle zu Welle zu schlingern, es ist ein ständiges rauf und runter. Die Tortur wird aber immer wieder mit unerwarteten Wild-Beobachtungen belohnt.
Etwas ermüdet, aber voller interessanter Eindrücke erreichen wir das Camp Kaudom. Hier werden wir von zwei freundlichen Naturschutzbeamten begrüßt, denn Drice hatte uns per Funk avisiert. Leider haben sie eine unerfreuliche Nachricht für uns. Elefanten hatten vor einigen Tagen die Wasserleitung für das Camp aus dem Boden gerissen, im ganzen Camp gab es keine Wasserversorgung mehr. Unser Wasservorrat ist mehr als ausreichend, also können wir auch den Rangern noch einige Liter abgeben. Dafür weisen sie uns den schönsten Platz im ganzen Camp zu, auf einer Anhöhe gelegen, von der ein kilometerweiter Blick in eine weite Ebene möglich ist. Wir müssen zwar auf die dringend benötigte Dusche verzichten, werden aber dafür durch das einmalige Panorama voll entschädigt. Zur Krönung des Abends wird in der heißen Asche des Lagerfeuers "Buschbrot" gebacken. Diese Methode hatten wir bei den Buschmännern abgeguckt und wollten uns nun selber daran versuchen. Nach dem Abendessen sind sich alle einig, dass es das beste Brot war, das jemals auf den Tisch gekommen ist.
Endlich wieder Wasser:
Die letzten 65 km zu der Teerstraße B8 haben es noch mal ins sich. Jeder Kilometer muss erkämpft werden. Aber die Aussicht auf eine heiße Dusche, lässt eine euphorische Stimmung aufkommen. Auf Wunsch aller Tourteilnehmer legen wir die restlichen 80 km Teerstraße im offenen Pinzi zurück. Nach unserer Ankunft bei den Popa-Fällen am Okavangofluss ist Bettina, gefolgt von Johanna, die Erste die in der Dusche verschwindet. Gerüchten zufolge soll sie erst Stunden später wieder zum Vorschein gekommen sein.
Durch den Caprivi-Nationalpark:
Der 32 km breite Caprivi Wildpark erstreckt sich über etwa 180 km von West nach Ost. Er wird im Westen vom Okavango- und im Osten vom Kwando-Fluss begrenzt. Die Nordgrenze des Schutzgebietes ist gleichzeitig die Landesgrenze zu Angola. Nach zwei Tagen Rast an den Popa-Fällen sind wir bereit für neue Taten. Wir überqueren den Okavango bei Divundu und erreichen über den "Golden Highway" den Kwando schon nach wenigen Stunden Fahrzeit. Kurz vor der Kwando-Brücke bei Kongola verlassen wir die Teerstraße und schlagen uns in die Büsche. Ein ehemaliges Camp der südafrikanischen Armee, das jetzt als Stützpunkt für die Ranger in dieser Region umfunktioniert wurde, ist unser erstes Ziel. Versteckt zwischen hohen Bäumen und dichtem Buschwerk ist die Anlage kaum auszumachen und wer die Örtlichkeiten nicht kennt läuft Gefahr daran vorbei zu fahren. Die benötigte Sondergenehmigung für unsere Unternehmungen der nächsten Tage ist nur hier zu bekommen. Nachdem die nötigen Formalitäten erledigt sind, schlagen wir unsere Zelte auf einer Anhöhe, in unmittelbarer Flussnähe auf.
Ein Meer voller Büffel:
Die Aussicht auf die Flussebene ist beeindruckend. Noch sind wir mit dem Entladen der Fahrzeuge beschäftigt als Jan, der auf dem Dachgepäckträger steht um das Gepäck herunter zu reichen ein erstauntes "Wahnsinn, das ist ja irre" ausstößt. Wir blicken in die angegebene Richtung und der Anblick ist wirklich irre. Von unserer erhöhten Position aus sehen wir wie eine riesige Herde Kap-Büffel sich langsam durch die Büsche und das hohe Gras einen Weg zum Flussufer hin bahnt. Wir greifen zu den Ferngläsern, Kameras und Objektiven, denn so eine Szene erlebt man nur einmal im Leben. Immer mehr schwarze Büffelleiber treten auf die Flussebene hinaus, die Ebene ist bedeckt von den Kolossen. Als die ersten das Ufer erreichen und zu saufen beginnen, ist der Strom der Neuankömmlinge immer noch nicht abgerissen. Eine dreiviertel Stunde dauert das Schauspiel, bis der letzte seinen Durst gelöscht hat und wieder in den Büschen verschwunden ist. Die Staubwolke aber, die von den vielen Tausenden von Hufen aufgewirbelt wird, hängt noch viel länger in der Luft und markiert die Migrationsrichtung der gigantischen Büffel-Herde. Nach diesem Erlebnis gibt es keinen der nicht einen neuen Film in die Kamera einlegen muss. Ja, hier in dieser Gegend muss man immer auf eine Überraschung gefasst sein, denn der Caprivi ist für seine Vielzahl an Spezies bekannt. Wie uns die Ranger mitteilten sind gerade in der Nähe von Büffelherden immer einige Rudel von Löwen zu erwarten. Darum hatten sie uns dringend angeraten nachts das Feuer brennen zu lassen, nicht unnötig in der Gegend herum zu spazieren und bloß nicht auf den Gedanken zu kommen außerhalb der Zelte zu schlafen. Einen Rat den wir tunlichst befolgen.
Ein Auto mit Ochsenantrieb:
Die morgendliche Erkundungsfahrt führt uns in ein Gebiet in dem unser Fahrzeug wieder voll zum Einsatz kommen soll. Das Flussufer ist ein wahres Paradies für Tiere. In den weitläufigen Flussebenen findet sich reiche Weide für Riedbock, Impala, Wasserbock, Rappenantilope, um nur einige zu nennen. Die hohen Uferwälder sind das bevorzugte Habitat für Elefanten und Kudus, während die Kap-Büffel das Busch- und Ried-Dickicht bevorzugen. Breite Überschwemmungsstreifen sind die Heimat von Wasservögeln und auf den Sandbänken kann man Krokodile und Flusspferde beobachten. Zunächst müssen wir uns einen Weg durch den tiefen Sand, später dann durch einen seichten Nebenarm suchen. Wir nähern uns einem Steilufer. "Da, habt ihr das gehört", fragt Johanna? "Hört sich an wie ein Schwein", meint Andreas. Als wir die Kante des Steilufers erreichen und hinunter in den Fluss blicken, sehen wir eine zwanzigköpfige Flusspferd-Familie. Abwechselnd tauchen sie ab, kommen nach kurzer Zeit wieder pustend und spritzend hoch, reißen die Mäuler auf und lassen ein lautes Grunzen erschallen. Der Anblick ist wirklich köstlich. Erst nach geraumer Zeit können wir uns davon losreißen und unsere Erkundung weiter fortsetzen. Gerade müssen wir wieder einen schlammigen Nebenarm durchqueren, als sich uns eine äußerst komische Szene darbietet. Ein Pkw ist mit der Hinterachse tief in ein Schlammloch eingesackt und hat sich offensichtlich festgefahren. Drum herum stehen ein gutes Dutzend Einheimischer die laut lamentierend und gestikulierend zwei Ochsen vor das Fahrzeug spannen um mit Ochsenkraft das zu erreichen was mit Pferdestärken nicht mehr zu machen war. Unser Abschleppseil ist schnell zur Hand und noch schneller ist das Fahrzeug aus dem Dreck gezogen .Wie es sich heraus stellte, sollten die vielen Posten der "Game Guards" mit Lebensmitteln versorgt werden, wobei der unachtsame Fahrer beim Zurücksetzten in diesem Schlammloch gelandet war. Von ihm erfahren wir, dass einen halben Kilometer flussabwärts eine große Sandbank zu finden ist, die als bevorzugte "Sonnenwiese" der Krokodile berüchtigt ist. Wir nähern uns der Stelle äußerst vorsichtig, die letzten 100 m legen wir zu Fuß zurück. Da liegen zwei Prachtexemplare, sperren die Mäuler auf und lassen die spitzen Zähne sehen. Als einige Wagemutige noch etwas näher heran schleichen wollen, dreht plötzlich der Wind. Die Reptilien bekommen Witterung, setzen sich langsam in Bewegung und verschwinden im Fluss. Auch für uns ist es an der Zeit zu verschwinden, die Sonne steht schon ziemlich tief und wir wollen noch vor Dunkelheit das Camp erreichen. Es liegt uns nichts ferner als bei Dunkelheit in eine Elefanten- oder Büffelherde zu geraten. Während wir den Heimweg zu unseren Zelten einschlagen, wird uns schmerzlich bewusst, dass morgen schon die Rückfahrt nach Windhoek angetreten werden muss. Eigentlich schade, aber es wird sicherlich bald ein Wiedersehen mit Namibia geben.
Dieter Reisenauer
Outdoor Adventure
Das Abenteuer beginnt:
Die Tour beginnt frühmorgens in Windhoek.Unsere zwei Spezialfahrzeuge der Marke Steyr-Puch halten vor dem Gästehaus, in der die sieben Reiseteilnehmer untergebracht sind. Das eine ist ein Planenfahrzeug und dazu bestimmt, die zusätzlichen 400 Liter Kraftstoff und 200 Liter Wasser aufzunehmen, dazu das gesamte Gepäck, große Kühlboxen mit Essensvorräten und die Safariausrüstung. So ausgestattet können wir ca. zehn Tage ohne weitere Versorgung auskommen. Das zweite Adventure-Mobil ist mit einem festen Aufbau versehen und soll die Safarigäste durch die unwegsamsten Strecken des Buschmann-Landes und des Caprivi-Nationalparks sicher ans Ziel bringen. Nachdem das Gepäck verstaut ist und jeder seinen Platz in unserem "Pinzi" gefunden hat, führt die erste Etappe in das nordwestlich gelegene Siedlungsgebiet der Herero. Bei Otjinene endet die gut ausgebaute Schotterstraße, weiter geht es auf einer holprigen und löchrigen Piste. In der flachen Buschlandschaft sieht man von Zeit zu Zeit kleine Hererosiedlungen und Farmen. Da die Rinder und Ziegen die Straße ungeniert und in voller Breite für sich beanspruchen, müssen die Fahrzeuge oft abgebremst werden um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Aber irgendwann ist auch diese Piste zu Ende. Wir bewegen uns nun auf einer Fahrspur entlang des Eiseb-Trockenflusses nach Osten. Die Fahrgeschwindigkeit ist zwar auf etwa 30 km/h reduziert, aber dafür ist die Landschaft nun wesentlich interessanter. Da der Nachmittag schon weit fortgeschritten ist, beschließen wir einfach eine schöne Stelle für das Camp auszusuchen. Einfach so irgendwo die Zelte aufschlagen, ein Lagerfeuer anzünden und das Fleisch braten, ist für die Besucher aus Übersee ein seltenes Vergnügen.
In der Hauptstadt der Buschmänner:
Bald schon schwenken wir nach Norden ein, die bisher holperige, aber gut befahrbare Fahrspur weicht tiefem Kalaharisand. Mit zugeschalteter Forderachse und reduziertem Luftdruck in den Reifen müssen wir immer wieder die mit Buschwerk bewachsenen Dünen überwinden, die sich wie ein erstarrtes Meer, wellenförmig vor uns ausbreiten. Den ganzen Vormittag arbeiten wir uns die Sanddünen rauf und runter, bis wir Gam erreichen, wo auch wieder eine ordentliche Straße beginnt.
Nach kurzer Fahrt rollen wir in Tsumkwe, einer kleinen Ortschaft ein, die schmeichelhafter Weise als die Hauptstadt des Buschmannlandes bezeichnet wird. Dort findet man inmitten einer Handvoll kleiner Behausungen eine Tankstelle (die fast nie Treibstoff hat), einen Supermarkt mit spartanischem Sortiment, eine Polizeistation, eine Sanitätsstation und eine Schule. Arnold, ein Deutscher der mit einer Buschmannfrau verheiratet ist und zusammen mit seiner Familie viele Jahre im Buschmannland wohnte, hatte uns eingeladen in "seinem alten Haus" zu übernachten. Die zur Einladung beigelegte Routenbeschreibung enthält den Hinweis: "nach der Schule in Tsumkwe links abbiegen, dann noch 25 km Sandpad". Konnte diese kaum sichtbare Fahrspur die betreffende Sandstraße sein? Kaum sind wir 200 Meter der Spur gefolgt, geht es schon los: rechts und links stehen die Büsche eng zusammen, die Fahrspur hat sich in eine kurvenreiche Fahrrinne im weichen Kalaharisand verwandelt. Äste peitschen gegen die Frontscheibe, Dornen kratzen an den Bordwänden, der Sand wird stellenweise so tief, dass der Allradantrieb zugeschaltet werden muss. Ja, so haben wir uns das Buschmannland vorgestellt. Für die 25 km brauchen wir in dem schweren Sandgelände fast eine Stunde Fahrzeit.
Auf einer freien Stelle im dichten Buschland stehen etwa zehn Gras-Hütten, die Wellblechbehausung etwas abseits dürfte die von Arnold sein. Noch bevor wir uns darüber im Klaren sind, wie es jetzt weiter gehen soll, sind unsere Pinzgauer schon von einer lachenden und lärmenden Menge umringt. Groß und Klein, Alt und Jung, Hunde und Hühner, schlichtweg alles was in der Siedlung Beine hat steht um uns herum und redet auf uns ein. Nach einigen erfolglosen Verständigungsversuchen wird ein junger Mann heran geschoben. "Me Daniel", stellt er sich in gebrochenem Englisch vor. Er gibt uns zu verstehen, dass Arnold schon lange weg sei und auch keiner wüsste wann er zurückkommen würde. Das ist allerdings kein Problem für uns, denn wir haben die Erlaubnis in seiner Abwesenheit zu schalten und walten wie es uns beliebt. Begleitet von der gesamten Buschmann-Schar begeben wir uns zu der alten Blechbehausung ihres angeheirateten Sippenmitgliedes. Als wir mit dem Entladen der Fahrzeuge beginnen, haben wir eine aufmerksame Zuschauerschaft, die jeden Handgriff und Gegenstand aufmerksam beobachtet. Die Zelte werden aufgebaut, ein Lagerfeuer entfacht und jeder versucht sich's so bequem wie möglich zu machen. "Hier kommt nur heiße Luft raus", tönt es aus der Dusche. Andreas hat bei seinem Erkundungsgang festgestellt dass die Leitungen zu dem Wassertank für die Sanitäranlagen von den Elefanten herausgerissen wurden. So bequem wird es also doch nicht sein.
"Beware of Elephants, Lions and Hyaena in Camp at night":
Das Tagesziel, Camp Sikereti, ist bereits am frühen Nachmittag erreicht. Das Camp ist menschenleer, weder ein Ranger noch andere Besucher sind in dem weitläufigen Camp zu finden. Als ich mit Johanna zur "Rezeption" gehe, einer Holzhütte mit einem Tisch und Stuhl und einem Gästebuch das noch aus Methusalems Zeiten zu stammen scheint, entdecken wir ein Warnschild. "Das könnte eine Erklärung sein warum hier keiner zu finden ist", sagt sie schmunzelnd und deutet auf das Schild neben dem Eingang. "Warning Danger: Beware of Elephant, Lion & Hyena in Camp at Night" steht zu lesen. Als wir uns in das zerfledderte Gästebuch eintragen, erkennen wir an den vorherigen Eintragungen, dass pro Woche etwa eine Partie den Kaudom-Nationalpark durchquert. Wir können also davon ausgehen, im Moment die einzigen Besucher im Nationalpark zu sein.
Nachdem unser Camp aufgebaut und jeder die lang ersehnte Dusche genommen hat, sind wir bereit für neue Taten. Mit unserem Planen-Pinzi wollen wir am Nachmittag eine Pirschfahrt zu den umliegenden Wasserstellen unternehmen, denn dort ist die Wahrscheinlichkeit für Tierbeobachtungen am größten. Noch bevor wir alle startklar sind, hören wir Motorengeräusch. Ein Fahrzeug der Naturschutzbehörde hält und ein junger Mann steigt aus. Nach einem kurzen Gespräch stellt es sich heraus, dass er für etwa ein Jahr hierher in den Kaudom-Nationalpark versetzt wurde, um die Umrüstung der diversen Wasserstellen auf Solarbetrieb zu bewerkstelligen.
Er gesteht uns, dass ihn in erster Linie die Neugierde nach unseren Fahrzeugen veranlasste bei uns zu halten. Mit großen Augen inspiziert er unsere beiden Fahrzeuge und als ich ihm eröffne, dass alle drei Achsen angetrieben werden können ist er schier aus dem Häuschen. Dann erzählt er, wie oft er mit seinen Kollegen in der letzten Zeit schaufeln, schieben und schwitzen musste, um die eigenen Fahrzeuge bei der täglichen Arbeit durch den Sand zu bewegen. Als wir ihm eröffnen, dass noch eine Pirschfahrt ansteht, lässt er uns wissen, dass heute sein freier Nachmittag sei. Na wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist.
Mehr Elefanten als Fliegen:
Drice, wie er sich mittlerweile vorgestellt hat, ist uns als Begleiter höchst willkommen, schließlich hat man nicht alle Tage einen Naturschutzbeamten als Guide. "Jetzt werde ich euch meine Lieblings-Wasserstelle zeigen", meint er. "Dort gibt es mehr Elefanten als Fliegen". Auf dem Weg zu der Wasserstelle führt uns Drice durch eine Vielzahl von "Omiramba". Die parallel zu den Sanddünen verlaufenden Täler sind mit meterhohem Gras bedeckt. Vereinzelt stehen hohe Bäume, unter denen große Herden von Gnus und Pferdeantilopen weiden. Immer wieder sehen wir Rotten von Warzenschweinen vor uns im Gras verschwinden. "Hier gibt es auch Löwen und Leoparden, also bei so hohem Gras nie aus dem Fahrzeug steigen", warnt uns Drice. Je mehr wir uns der Wasserstelle nähern, desto offensichtlicher wird, dass hier Elefanten nicht mehr weit sein können. Überall liegt Elefantenkot am Boden, Bäume sind umgeknickt, die Äste entrindet. Überdimensionale Fußstapfen führen auf die Wasserstelle zu. Wir erreichen eine Anhöhe und können unseren Augen kaum trauen. Eine Masse von Elefantenleibern suhlt sich im schlammigen Wasser, es herrscht ein Spritzen und Plustern, Plantschen und Schnauben. Ein kleiner Elefant versucht die glitschige Böschung hoch zu kommen, schlittert immer wieder zurück ins Wasser, ein großer Bulle füllt seinen Rüssel und wirft das Wasser über den Kopf auf seinen Rücken. Kleine Elefantengruppen stehen am Ufer, bewerfen sich mit Sand, wälzen sich und scheinen das Elefantenbad so richtig zu genießen.
Nachdem die Elefanten genug gebadet haben, wird die Wasserstelle wieder frei für die anderen Tiere. Es kommen Oryx-Antilopen und Steinböckchen zum Trinken, danach folgen Giraffen und Rappen-Antilopen. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, ein phantastischer Sonnenuntergang schließt dieses einmalige Naturschauspiel ab, uns fällt es schwer von diesem zauberhaften Ort Abschied zu nehmen.
Zurück im Camp werden die Eindrücke noch lange am Lagerfeuer diskutiert. Später gesellt sich auch Drice mit zu uns. Einerseits weil er über Abwechslung und Gesellschaft recht froh ist, ganz besonders aber weil er weiß, dass es bei uns einen großen Vorrat an kaltem Bier gibt. Während wir so am Lagerfeuer sitzen hören wir wie in unmittelbarer Nähe, irgendwo in der Dunkelheit ein Baum umgeknickt wird. "Das ist eine einzelne Elefantenkuh" erklärt Drice, "die treibt sich schon seit zwei Wochen hier in der Gegend herum. Nachts kommt sie oft nahe ans Camp. Es ist besser wenn ihr die ganze Nacht ein Lagerfeuer unterhaltet". Wir sitzen noch lange am Lagerfeuer, nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen nächtlichen Geräusche die uns die Lust auf Schlaf rauben.
Das absolute Nirwana:
Am nächsten Morgen sind wir alle etwas unausgeschlafen, denn nachts wurde noch so mancher Baum umgeknickt und so mancher Schläfer aus seinen Träumen gerissen. Der Einzige, der nicht über Schlafmangel zu klagen hat, ist Andreas. Er hatte seine Schlafstelle auf dem Dach des Pinzgauers aufgeschlagen, wo er sich so sicher wie in Abrahams Schoß fühlte. Nicht ganz zu Unrecht, denn wir fanden eine große Hyänenfährte an der Stelle an der am Vorabend noch unser Müllsack hing. Einige waren erleichtert, dass die Hyäne den Inhalt des Müllsackes und nicht den Inhalt des eigenen Zeltes zur Befriedigung der nächtlichen Naschlust verwendete. Für die nächste Nacht gibt es drei Anmeldungen für die "Pinzgauer-Suite".
Die heutige Etappe zu dem 100 km entfernten Camp Kaudom soll die härteste der ganzen Tour sein, es erwarten uns kilometerweise Tiefsandfelder, verwehte Fahrspuren, umgefallene Bäume und jede Menge Tierwelt. Für den Offroad-Freak die Rosinen im Kuchen, das absolute Nirwana.
Keine 25 km nördlich von Sikereti beginnt es schon, das Nirwana, soweit der Blick der arg verwehten Fahrspur folgen kann, überall nur tiefer Sand. Um den Weg in den Offroad-Himmel zu erleichtern, lassen wir bei allen Reifen kräftig Luft ab. Es beginnt eine höllische Fahrt durch Omurambas, Dünen rauf und Dünen runter. Umgestürzte Bäume, die zu schwer sind um sie aus dem Weg zu räumen, werden mit großem Anlauf umfahren. Als schwierig erweist es sich die zahlreichen Dünen hoch zu kommen. Alle Register unserer technischen Möglichkeiten müssen gezogen werden. Allrad, Untersetzung, Differentialsperren an den Hinterachsen. Immer wieder halten wir an um die umgestürzten Bäume aus der Spur zur räumen. Schon bald sind alle Abenteurer mit einer Staubschicht bedeckt, in die der Schweiß feine Rinnsale gezaubert hat. Der Sand bildet feine Wellen und mit der Zeit haben wir den Eindruck auf hoher See von Welle zu Welle zu schlingern, es ist ein ständiges rauf und runter. Die Tortur wird aber immer wieder mit unerwarteten Wild-Beobachtungen belohnt.
Etwas ermüdet, aber voller interessanter Eindrücke erreichen wir das Camp Kaudom. Hier werden wir von zwei freundlichen Naturschutzbeamten begrüßt, denn Drice hatte uns per Funk avisiert. Leider haben sie eine unerfreuliche Nachricht für uns. Elefanten hatten vor einigen Tagen die Wasserleitung für das Camp aus dem Boden gerissen, im ganzen Camp gab es keine Wasserversorgung mehr. Unser Wasservorrat ist mehr als ausreichend, also können wir auch den Rangern noch einige Liter abgeben. Dafür weisen sie uns den schönsten Platz im ganzen Camp zu, auf einer Anhöhe gelegen, von der ein kilometerweiter Blick in eine weite Ebene möglich ist. Wir müssen zwar auf die dringend benötigte Dusche verzichten, werden aber dafür durch das einmalige Panorama voll entschädigt. Zur Krönung des Abends wird in der heißen Asche des Lagerfeuers "Buschbrot" gebacken. Diese Methode hatten wir bei den Buschmännern abgeguckt und wollten uns nun selber daran versuchen. Nach dem Abendessen sind sich alle einig, dass es das beste Brot war, das jemals auf den Tisch gekommen ist.
Endlich wieder Wasser:
Die letzten 65 km zu der Teerstraße B8 haben es noch mal ins sich. Jeder Kilometer muss erkämpft werden. Aber die Aussicht auf eine heiße Dusche, lässt eine euphorische Stimmung aufkommen. Auf Wunsch aller Tourteilnehmer legen wir die restlichen 80 km Teerstraße im offenen Pinzi zurück. Nach unserer Ankunft bei den Popa-Fällen am Okavangofluss ist Bettina, gefolgt von Johanna, die Erste die in der Dusche verschwindet. Gerüchten zufolge soll sie erst Stunden später wieder zum Vorschein gekommen sein.
Durch den Caprivi-Nationalpark:
Der 32 km breite Caprivi Wildpark erstreckt sich über etwa 180 km von West nach Ost. Er wird im Westen vom Okavango- und im Osten vom Kwando-Fluss begrenzt. Die Nordgrenze des Schutzgebietes ist gleichzeitig die Landesgrenze zu Angola. Nach zwei Tagen Rast an den Popa-Fällen sind wir bereit für neue Taten. Wir überqueren den Okavango bei Divundu und erreichen über den "Golden Highway" den Kwando schon nach wenigen Stunden Fahrzeit. Kurz vor der Kwando-Brücke bei Kongola verlassen wir die Teerstraße und schlagen uns in die Büsche. Ein ehemaliges Camp der südafrikanischen Armee, das jetzt als Stützpunkt für die Ranger in dieser Region umfunktioniert wurde, ist unser erstes Ziel. Versteckt zwischen hohen Bäumen und dichtem Buschwerk ist die Anlage kaum auszumachen und wer die Örtlichkeiten nicht kennt läuft Gefahr daran vorbei zu fahren. Die benötigte Sondergenehmigung für unsere Unternehmungen der nächsten Tage ist nur hier zu bekommen. Nachdem die nötigen Formalitäten erledigt sind, schlagen wir unsere Zelte auf einer Anhöhe, in unmittelbarer Flussnähe auf.
Ein Meer voller Büffel:
Die Aussicht auf die Flussebene ist beeindruckend. Noch sind wir mit dem Entladen der Fahrzeuge beschäftigt als Jan, der auf dem Dachgepäckträger steht um das Gepäck herunter zu reichen ein erstauntes "Wahnsinn, das ist ja irre" ausstößt. Wir blicken in die angegebene Richtung und der Anblick ist wirklich irre. Von unserer erhöhten Position aus sehen wir wie eine riesige Herde Kap-Büffel sich langsam durch die Büsche und das hohe Gras einen Weg zum Flussufer hin bahnt. Wir greifen zu den Ferngläsern, Kameras und Objektiven, denn so eine Szene erlebt man nur einmal im Leben. Immer mehr schwarze Büffelleiber treten auf die Flussebene hinaus, die Ebene ist bedeckt von den Kolossen. Als die ersten das Ufer erreichen und zu saufen beginnen, ist der Strom der Neuankömmlinge immer noch nicht abgerissen. Eine dreiviertel Stunde dauert das Schauspiel, bis der letzte seinen Durst gelöscht hat und wieder in den Büschen verschwunden ist. Die Staubwolke aber, die von den vielen Tausenden von Hufen aufgewirbelt wird, hängt noch viel länger in der Luft und markiert die Migrationsrichtung der gigantischen Büffel-Herde. Nach diesem Erlebnis gibt es keinen der nicht einen neuen Film in die Kamera einlegen muss. Ja, hier in dieser Gegend muss man immer auf eine Überraschung gefasst sein, denn der Caprivi ist für seine Vielzahl an Spezies bekannt. Wie uns die Ranger mitteilten sind gerade in der Nähe von Büffelherden immer einige Rudel von Löwen zu erwarten. Darum hatten sie uns dringend angeraten nachts das Feuer brennen zu lassen, nicht unnötig in der Gegend herum zu spazieren und bloß nicht auf den Gedanken zu kommen außerhalb der Zelte zu schlafen. Einen Rat den wir tunlichst befolgen.
Ein Auto mit Ochsenantrieb:
Die morgendliche Erkundungsfahrt führt uns in ein Gebiet in dem unser Fahrzeug wieder voll zum Einsatz kommen soll. Das Flussufer ist ein wahres Paradies für Tiere. In den weitläufigen Flussebenen findet sich reiche Weide für Riedbock, Impala, Wasserbock, Rappenantilope, um nur einige zu nennen. Die hohen Uferwälder sind das bevorzugte Habitat für Elefanten und Kudus, während die Kap-Büffel das Busch- und Ried-Dickicht bevorzugen. Breite Überschwemmungsstreifen sind die Heimat von Wasservögeln und auf den Sandbänken kann man Krokodile und Flusspferde beobachten. Zunächst müssen wir uns einen Weg durch den tiefen Sand, später dann durch einen seichten Nebenarm suchen. Wir nähern uns einem Steilufer. "Da, habt ihr das gehört", fragt Johanna? "Hört sich an wie ein Schwein", meint Andreas. Als wir die Kante des Steilufers erreichen und hinunter in den Fluss blicken, sehen wir eine zwanzigköpfige Flusspferd-Familie. Abwechselnd tauchen sie ab, kommen nach kurzer Zeit wieder pustend und spritzend hoch, reißen die Mäuler auf und lassen ein lautes Grunzen erschallen. Der Anblick ist wirklich köstlich. Erst nach geraumer Zeit können wir uns davon losreißen und unsere Erkundung weiter fortsetzen. Gerade müssen wir wieder einen schlammigen Nebenarm durchqueren, als sich uns eine äußerst komische Szene darbietet. Ein Pkw ist mit der Hinterachse tief in ein Schlammloch eingesackt und hat sich offensichtlich festgefahren. Drum herum stehen ein gutes Dutzend Einheimischer die laut lamentierend und gestikulierend zwei Ochsen vor das Fahrzeug spannen um mit Ochsenkraft das zu erreichen was mit Pferdestärken nicht mehr zu machen war. Unser Abschleppseil ist schnell zur Hand und noch schneller ist das Fahrzeug aus dem Dreck gezogen .Wie es sich heraus stellte, sollten die vielen Posten der "Game Guards" mit Lebensmitteln versorgt werden, wobei der unachtsame Fahrer beim Zurücksetzten in diesem Schlammloch gelandet war. Von ihm erfahren wir, dass einen halben Kilometer flussabwärts eine große Sandbank zu finden ist, die als bevorzugte "Sonnenwiese" der Krokodile berüchtigt ist. Wir nähern uns der Stelle äußerst vorsichtig, die letzten 100 m legen wir zu Fuß zurück. Da liegen zwei Prachtexemplare, sperren die Mäuler auf und lassen die spitzen Zähne sehen. Als einige Wagemutige noch etwas näher heran schleichen wollen, dreht plötzlich der Wind. Die Reptilien bekommen Witterung, setzen sich langsam in Bewegung und verschwinden im Fluss. Auch für uns ist es an der Zeit zu verschwinden, die Sonne steht schon ziemlich tief und wir wollen noch vor Dunkelheit das Camp erreichen. Es liegt uns nichts ferner als bei Dunkelheit in eine Elefanten- oder Büffelherde zu geraten. Während wir den Heimweg zu unseren Zelten einschlagen, wird uns schmerzlich bewusst, dass morgen schon die Rückfahrt nach Windhoek angetreten werden muss. Eigentlich schade, aber es wird sicherlich bald ein Wiedersehen mit Namibia geben.
Dieter Reisenauer
Outdoor Adventure
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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