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Dutzende Protestler verhaftet

Polizei geht gegen #ShutItAllDown-Demonstranten mit Tränengas vor
Erwin Leuschner
Von Erwin Leuschner, Swakopmund/Windhoek

Die landesweiten Demonstrationen unter den Namen #ShutItAllDown und #WeAreTired gewinnen an Fahrt. Am dritten Tag in Folge haben am Samstag geschätzte 400 Personen gegen die ausartende geschlechtsspezifische Gewalt in Namibia demonstriert. Die Polizei hat unterdessen Tränengas und Rauchgranaten gegen die Demonstranten eingesetzt.

Geschäfte gestürmt

„Während die öffentliche Wut und Ablehnung von Gewaltverbrechen gerechtfertigt ist, sind die Demonstrationen nicht nur ungeordnet und rechtswidrig, sondern sie haben auch die Strafverfolgungsbehörden behindert“, teilte Generalmajor Oscar Embubulu am Samstagnachmittag mit. Er bezeichnete die Proteste als illegal, denn die Demonstranten hätten mehrfach den öffentlichen Verkehr zum Erliegen gebracht und mehrere Geschäfte auf eine „randalierende Art und Weise gestürmt“. Die Polizei habe die Demonstranten aufgefordert, dies zu unterlassen, was ignoriert worden sei, weshalb Rauchgranaten und Tränengas eingesetzt worden seien. „Es wurden anschließend 27 Personen festgenommen und befragt (...) 23 Personen wurden wegen Justizbehinderung angeklagt und werden am Montag (heute) dem Gericht vorgeführt“, so Embubulu.

Es gab allerdings mehrere Berichte, dass die Polizei bei den Festnahmen Gewalt angewandt habe - auch gegen Frauen. Zu den festgenommenen Demonstranten gehörten auch drei Journalisten, die zunächst wie der Rest der Demonstranten ins Windhoeker Zentralgefängnis gebracht und später ohne Anklage freigelassen wurden. Offenbar hätten Mitglieder der Polizeisondereinheit ihnen vorgeworfen, „nicht alles aufzunehmen“. „Das Redakteursforum von Namibia (EFN) verurteilt diese Misshandlung“, teilte das EFN am Sonntag mit. Das Gremium sei besorgt, dass Polizisten „weiterhin Journalisten daran hindern, ihre Arbeit auszuführen“. Auch das Zentrum für Rechtsbeistand (LAC) hat am Wochenende das Eingreifen der Polizei als äußerst hart bezeichnet, was nicht geduldet werde. „Die Polizei sollte angemessen eingreifen. Der Gebrauch von Tränengas ist weder vernünftig noch gerechtfertigt“, teilte das Zentrum mit.

„Auf der gleichen Seite“

Unterdessen hat Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila die Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Demonstranten, die zu den Verhaftungen geführt hat, als bedauerlich bezeichnet. „Wir stehen alle auf der gleichen Seite (...). Nur wenn wir uns einig sind, können wir dieses Übel der sexuellen und geschlechterspezifischen Gewalt besiegen“, teilte sie am Samstag in einer Erklärung mit. Kuugongelwa-Amadhila betonte, dass die Regierung mit großer Besorgnis die Häufigkeit sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zur Kenntnis genommen habe. Eine Petition in diesem Zusammenhang genieße „oberste Priorität“ und eine Antwort werde es am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts geben.

Proteste gegen geschlechterspezifische Gewalt haben am vergangenen Donnerstag begonnen und wurden inzwischen auch in Mariental, Otjiwarongo, Swakopmund und Walvis Ba ausgeübt. Die Protestler fordern unter anderem, dass ein Notstand ausgerufen werden solle. Außerdem fordern sie mehr Schutz für Frauen und Kinder und, dass Fälle der geschlechterspezifischen Gewalt zur Priorität gehörten.

Register der Sexualstraftäter

„Wenn man morgens die Tageszeitung öffnet, könnte man meinen, dass Namibia ein Paradies für Vergewaltiger ist“, hatte Winnie Moongo (PDM) in der vergangenen Woche in der Nationalversammlung gesagt. „Es gibt keinen einzigen Tag, der vergeht, ohne lesen oder hören zu müssen, dass eine Frau, ein Kind, eine Großmutter, ein Mann oder sogar ein neugeborenes Baby vergewaltigt wurde.“ Sie präsentierte bei dem Anlass schockierende Statistiken. Demnach werden im Schnitt 1054 Vergewaltigungsfälle pro Jahr in Namibia gemeldet. „Das sind rund drei Fälle pro Tag (...) und dabei werden 79 Prozent der Vergewaltigungsvorfälle nicht gemeldet“, sagte sie. Sie forderte, dass in Namibia ein Register der Sexualstraftäter (SOR) eingeführt werde, um die Öffentlichkeit zu schützen und Polizeiermittlungen zu beschleunigen. „Sexualstraftäter sollten nicht vom Radar verschwinden, nachdem sie ihre Strafen abgesessen haben“, erklärte sie.

Einen drastischen Anstieg an Vergewaltigungen und geschlechtsspezifischer Gewalt wurde unterdessen auch in der Erongo-Region nach Ende des Notzustandes festgestellt. „Das können wir nicht ignorieren“, erklärte Erongo-Gouverneur Neville Andre. Wurde im April lediglich ein Fall der Vergewaltigung in der Region verzeichnet, sind es September fünf gewesen. Als Grund dafür nennt Andre den verbreiteten Gebrauch von Alkohol, den Verlust von Jobs und das wirtschaftliche Fallout durch die COVID-19-Pandemie. „Geschlechtsspezifische Gewalt ist unsere Schande als Land und als Menschen geworden“, so der Gouverneur.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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