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„Ein Bildschirm kann nie den Lehrer ersetzen“

Stefan Fischer

Es ging um Risiken und Nebenwirkungen des digitalen Alltags, sprich des Alltags mit Fernseher, Computer, Smartphone, sozialen Netzwerken und Spielen. Welche Auswirkungen haben diese vor allem auf Kinder und Jugendliche? Keine guten! Das meint der weltweit anerkannte Neurologe und Fachbuchautor Spitzer, der die Besucher zunächst in die Welt von Gehirnen, Neuronen und Synapsen entführte. Mit Humor, Eloquenz und Empathie schaffte Spitzer es mühelos, komplexe medizinische und wissenschaftliche Zusammenhänge zu erklären und damit die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.


Gehirn ohne Download


Das Gehirn könne keine Informationen herunterladen. Aber es sei ein Speicher, der mit steigender Fütterung immer mehr leiste. „Wenn man eine Menge hat, kann man eine Menge hinzufügen“, sagte Spitzer, und: Je mehr man hinzufügt, desto besser funktioniere es. Spitzer nannte das Beispiel des Sprachzentrums im Gehirn: Je mehr Sprachen man beherrscht, desto einfacher lerne man noch eine weitere. Und noch eine. Und noch eine.


In jedem Fall aber lernt man nichts vom Bildschirm. „Lesen bildet, klicken nicht. Das Gehirn ist beim Lesen herausgefordert“, so Spitzer, der riet: „Das Beste, was Eltern machen können, ist mit ihren Kindern zu sprechen.“ Dies fördere außerdem das Erlernen von sozialen Fähigkeiten.


Lehrer statt WLAN


Das könnte so auch für die Schule gelten. Spitzer meint, dass lieber in Lehrkräfte anstatt in Computer für jeden Schüler und WLAN für Schulen investiert werden solle. „Ein Bildschirm kann nie den Lehrer ersetzen.“ Dabei stützt er sich auf eine Studie, wonach Schüler in digitalisierten Schulen keine besseren Leistungen zeigten als Schüler, die noch mit Kreide an die Tafel sowie mit Stift auf Papier schreiben. Letzteres gebe es in den USA immer weniger, wusste Spitzer zu berichten, nachdem in verschiedenen Bundesstaaten alle Schüler mit Tastaturen ausgestattet worden sind. Handschrift ade. Spitzer dazu: „Das ist gut für die Wirtschaft, aber nicht fürs Gehirn. In Amerika ist die Ökonomie wichtiger. Leute, die Geld verdienen wollen, sind nicht an Kindern interessiert.“


Und auch mit der Annahme, dass digitale Medien der Bildungsgleichheit dienen, räumte Spitzer auf und griff wieder zu den Ergebnissen einer Studie: Danach sind die Leistungen guter und begabter Schüler bei der Verwendung digitaler Medien gleichbleibend, während die Leistung der schwachen und hilfsbedürftigen Schüler sinken. „Der Unterschied zwischen Unterklasse- und Oberklasse-Kindern wird größer.“ Dann lieber ohne digitale Medien: Eine andere Studie belege, dass die Leistungen aller Schüler an den Schulen steige, an denen ein Handyverbot herrscht.


Die Gefahren digitaler Medien seien also bekannt, würden allerdings ignoriert, so Spitzer, der einräumte, dass man ihm nicht glauben möge. „Im Internet sind all diese Studien zu finden“, sagte er dazu.


Risiko der Abhängigkeit


Der Neuro-Wissenschaftler ist überzeugt: „Digitale Medien sind schlecht für die Gehirnentwicklung und machen abhängig.“ Als Paradebeispiel dient ihm Südkorea, wo rund 30% der Jugendlichen von digitalen Medien, hauptsächlich vom Smartphone, abhängig seien. Das habe soweit geführt, dass per Gesetz geregelt worden sei, dass die Eltern von Minderjährigen über eine App auf dem Smartphone der Kinder über die Dauer von dessen Nutzung informiert werden.


Neben der Abhängigkeit sieht Spitzer noch ein weiteres Risiko: Das Smartphone biete Zugang zum größern Tatort sowie Rotlichtbezirk der Welt und außerdem zu vielen Kriminellen, die nur aufs Betrügen aus seien. Natürlich räumte Spitzer ein: „Die Dosierung sorgt für das Gift“, aber er sagte auch: „Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren erkennen, dass es schlecht war, unsere Kinder mit zwei bis drei Jahren vor den Fernseher zu setzen.“


Die Staatssekretärin des Bildungsministeriums, Sanet Steenkamp, erklärte nach dem Vortrag, dass ihr Ressort dieses Jahr rund zwölf Milliarden Namibia-Dollar für Bildung ausgebe, davon zwei Prozent für den Vorschulbereich. Zu wenig, um den Anspruch „Wert fürs Geld“ der Behörde zu erfüllen. Steenkamp sagte abschließend: „Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf die frühkindliche Entwicklung.“


Spitzer hinterließ ein Publikum, das nachdenklich und teils reuig heimging, weil sich so Mancher wiedererkannt hat und schuldig fühlte. In jedem Fall gab es auf dem Nachhauseweg und daheim noch viel Gesprächsstoff.


Stefan Fischer


Der Referent

Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer ist Jahrgang 1958, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg, wo er sich auch zum Psychiater weiterbildete und die Habilitation für das Fach Psychiatrie (1989) erlangte. Er war von 1990 bis 1997 als Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg tätig. Zwei Gastprofessuren an der Harvard-Universität und ein weiterer Forschungsaufenthalt am Institut for Cognitive and Decision Sciences der Universität Oregon prägten seinen Forschungsschwerpunkt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie. Seit 1997 hat er den Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm inne und leitet die seit 1998 bestehende Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm. (Quelle: Uniklinik Ulm)



Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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