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Ein Café als Sprungbrett in die Arbeitswelt

Die Tage mit ihrem Papa in Swakopmund waren mal wieder wunderschön gewesen. Der Abend, an dem Helena Abschied nahm, um zurück zur Mutter und den fünf Geschwistern zu fahren, war sternenklar. Bevor sie ins Auto stieg, atmete sie einen letzten Hauch Seeluft ein. Sie freute sich auf Zuhause - doch da kam sie erst ein Jahr später an.

Helena hatte Pech. Der Wagen ihres Bekannten überschlug sich kurz vor Otavi, sie erinnert sich an einen Knall und sonst an nichts.

Nach dem Unfall verbrachte sie ein ganzes Jahr im Krankenhaus. Ihr rechtes Bein musste amputiert werden. 1998 war das. Seitdem hat Helena eine Prothese und ist ansonsten ganz die Alte geblieben. Fast. Wären da nicht die Diskriminierungen.

"Die Gesellschaft akzeptiert uns nicht", sagt sie enttäuscht. Manche rufen "Guck dich doch an", wenn Helena über die Straße geht. An die körperlichen Beeinträchtigungen hat sie sich gewöhnt. An die seelischen noch lange nicht.

Besonders deutlich werden die Vorurteile bei der Arbeitssuche. "Ich bin 25, im besten Alter", sagt Helena, doch ihre Jobsuche war vergebens. Bis jetzt.Unterstützung aus der BevölkerungVor einigen Wochen trat "Paul" in ihr Leben, Paul`s Coffeeshop. Das Café, das voraussichtlich am 29. Oktober in Windhoek eröffnet, ist das erste Lokal Namibias, das ausschließlich körperlich behinderte Menschen im Service beschäftigt. Rund 70 junge Leute hatten sich um die 14 Stellen beworben. Helena bekam eine von ihnen.

Paul`s Coffeeshop ist ein Pilotprojekt. "In Namibia gibt es viel zu wenig Möglichkeiten für Behinderte", sagt Marjolijn Gischler. Die 41-jährige Holländerin koordiniert für die Stiftung zur Förderung Behinderter in Namibia (NDDT) den Aufbau des Cafés. Ihren Job als Arbeitsvermittlerin in Den Haag lässt sie für zwölf Monate ruhen um hier beim Aufbau zu helfen. "Die breite Unterstützung aus der Bevölkerung spornt mich jeden Tag aufs Neue an", sagt sie.

Die Gasinstallation gab es gratis, die Feuerlöscher wurden geschenkt und der Architekt arbeitet zum Selbstkostenpreis. Aus kleinen und größeren Spenden kam genug Geld zusammen, um den 180qm-Raum im Komplex der Alten Brauereien (Eingang Talstraße Ecke Gartenstraße) umzubauen und einzurichten. Bis zur Eröffnung werden rund 800000 Namibia-Dollar in das Café geflossen sein.

60 Gäste können hier bewirtschaftet werden. Es gibt zwölf Tische, eine Lese-Ecke, ein Schachbrett und natürlich Getränke und Essen. "Gerade konnten wir Sebastian Broedersh, einen tollen Koch verpflichten", erzählt Marjolijn. Der Holländer lebt seit zehn Jahren in Namibia und freut sich auf die Arbeit mit Menschen wie Pius und Helaria, die ihm in der Küche helfen werden.

Helaria ist auf einem Auge blind. Abgesehen von einigen Gelegenheitsjobs hat die 29-Jährige aus Katutura noch nie gearbeitet. In Paul`s Coffeeshop hat sie nun einen Zweijahresvertrag. "Wir befristen die Jobs für alle, um auch anderen die Chance zu geben, einmal bei Paul`s zu arbeiten", sagt Marjolijn. "Wir wollen die 14 so gut ausbilden, dass sie anschließend auch in anderen Betrieben Arbeit finden". Gute Gastgeber trotz HandicapsPius denkt so weit noch nicht. Er will sich erstmal auf den Anfang seiner Arbeit konzentrieren. Der 27-jährige kam nach Windhoek, um Geld zu verdienen für seine sieben Geschwister und die Eltern, die im Norden leben. An seiner linken Hand wächst eine Geschwulst. Die Ärzte können oder wollen nicht operieren.

In einem vierwöchigen Seminar lernten Pius und seine 13 künftigen Kollegen, wie sie trotz ihrer Handicaps gute Gastgeber sein können. Drei Schwerhörige trainierten, sich mit Zetteln zu verständigen, ein Rollstuhlfahrer übte die günstigsten Wege und einer mit steifem Rücken brauchte gar nicht mehr viel zu lernen. "Er ist der perfekte Kellner mit seiner geraden Haltung", sagt Marjolijn und Pius, Helena und Helaria lachen. Das tun sie oft in letzter Zeit. "Endlich sind wir wieder normale Menschen", sagt Helena.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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