Ein Dorslandtrekker in der Eiswüste
Er lernte das Skifahren auf den Sanddünen der Namib-Wüste. Kurze Zeit später sah er, 33-jährig, zum ersten Mal in seinem Leben Schnee - und startete prompt auf eine Expedition durch die Eiswüste Grönlands. Jetzt ist Kobus Alberts wieder zurück in seiner Heimat Namibia. Er humpelt, an seinen Fingern hat er Frostbeulen, und die Kleider sitzen zu locker an seinem abgemagerten Körper. Im Jahr 2008 soll er zurück nach Grönland. Schon jetzt hat er Angst, dass er sich ein zweites Mal auf dieses Abenteuer einlassen könnte.
Wenn seine Frau ihn im Garten sitzen und grübeln sieht, sagt Kobus Alberts, dann soll sie ihm bitte schön etwas zu tun geben. Irgendetwas, Hauptsache er ist beschäftigt. Damit er nicht etwa auf die dumme Idee kommt, sein Versprechen einzuhalten: in zwei Jahren noch einmal mit seinem norwegischen Expeditionspartner die Durchquerung Grönlands zu versuchen.
Alberts hatte schon einmal sein Wort gegeben. Das war vor rund einem Jahr, am Lagerfeuer an der Spitzkoppe. Es war das Ende eines harten Arbeitstages mit der Expeditionsgruppe "Across the Divide", und man hatte schon ein paar Flaschen Bier geköpft. Alberts erzählte von seinem Großvater, dem Dorslandtrekker, der als einer der ersten Afrikaander vom Kap nach Angola pilgerte - und davon, dass er selbst gerne zu den Pionieren von einst gehört hätte. Auch er lebe im falschen Jahrhundert, fand der norwegische Expeditionsleiter Per Thore Hansen, er wäre gern Wikinger gewesen. Er sprach von seinem Traum, Grönland zu durchqueren, mit Schlittenhunden oder zu Fuß. Ob er mitkommen würde, fragte Hansen, und Alberts muss "klar doch!" geantwortet haben. "Ich hatte natürlich nicht geglaubt, dass er Ernst macht", erinnert sich der in Usakos geborene Umweltschutz-Beamte. Es sei ein Schock für ihn gewesen, als wenige Monate später ein E-Mail aus Norwegen kam: "Fang an zu trainieren, im April geht's nach Grönland!"
Alberts, technischer Leiter des staatlichen Aquariums in Swakopmund und Vater von zwei Kindern, ist immer für Abenteuer zu haben. Und ein Wort ist eben ein Wort. Also wurde Geld gesammelt, das Ganze sollte eine Wohltätigkeitsaktion werden, wie alle Across-the-Divide-Expeditionen. Alberts sammelte für Afri-Leo, eine namibische Stiftung zum Schutz von Löwen und Raubkatzen. Unter der Leitung von Per Thore Hansen sollte das vier Mann starke Team - die Briten Mark Hannaford und Sean Hudson waren dabei - außerdem medizinische Daten sammeln. Man wolle die Auswirkungen extremer Kälte und physischer Belastung auf den menschlichen Körper testen, so Hannaford in einem Online-Artikel vom Jahresende 2005. Die Forschungsergebnisse sollten bei einem Polarmedizinkurs 2007 präsentiert werden, durch den Verkauf von Fotos und Videos sollen nach Abschluss der Expedition weitere Gelder für wohltätige Zwecke zusammenkommen.
Kobus Alberts hat in seiner knapp 15-jährigen Naturschützer-Karriere vieles ausprobiert: Geier beringt, Nashörner überwacht, lebendes Wild gefangen, er ist mehrere hundert Kilometer zu Fuß durch die Wüste gewandert - aber Schnee hatte er noch nie gesehen. Und so begann sein Ski-Training in den Dünen bei Swakopmund. Zuerst auf Skiern, die die Topnaar-Gemeinde nicht brauchen konnte. Ein Franzose hatte die Langlaufskier den im Kuiseb-Flußlauf wohnhaften Halb-Nomaden überlassen; es sei eine sehr viel effizientere Art, Dünen zu überqueren, fand der Europäer. Alberts trainierte. Schließlich bekam er auch noch fachgerechten Unterricht von einem in Swakopmund wohnhaften Ski- und Sandboarding-Experten, Henrik May. Zwischen Sandski-Training und Volltagsjob stattete Alberts hin und wieder dem begehbaren Tiefkühlschrank des Aquariums einen Besuch ab. Bis zu eine halbe Stunde verbrachte er bei Minusgraden zwischen eingefrorenen Fischen, um sich an die Kälte zu gewöhnen.
Auf das, was ihn in Grönland erwartete, konnte der begehbare Kühler ihn jedoch nicht vorbereiten, weiß Alberts heute: Temperaturen von minus 45 Grad. Wer nicht ständig in Bewegung bleibt, dem gefrieren die Kleider am Leibe. Abends wird es im Zelt nur so lange ein wenig wärmer, wie das Kochöfchen brennt. Ist das aus, sinken die Temperaturen innerhalb von Sekunden um mehr als zehn Grad. Ab morgens um Drei habe er immer wach gelegen, sagt Alberts, zitternd vor Kälte. Die Notdurft muss man im Zeltinneren verrichten, und wer dafür länger als 20 Sekunden braucht, riskiert Frostbeulen am Allerwertesten. Einmal, als ein Sturm für zwei Tage jede Fortbewegung unmöglich machte, habe er zum Pinkeln vors Zelt gehen wollen. "Wenn du einen Schritt aus diesem Zelt raus machst", warnte ihn da Kollege Hansen, "dann wirst du die Orientierung verlieren. Du wirst nicht mehr wissen, wo oben und wo unten ist, und vor allem nicht, wo das Zelt steht."
Nach vier Tagen Eingewöhnung in Norwegen startet am 17. April die Expedition an der Ostküste Grönlands. Von Tasiilaq, einem kleinen beschaulichen Dorf 800 Meter über dem Meeresspiegel, führt die Route schnurgerade nach Westen. Das Ziel an der gegenüberliegenden Küste ist 530 Kilometer entfernt. Die Eisdecke im Landesinneren sieht flach aus. Doch das täuscht. Sie ist mit Abertausenden kleinen Eisdünen bedeckt. Ein ständiger, kaum merklicher Anstieg führt bis zum Gipfel auf 2400 Meter, der kein Gipfel ist, sondern einfach der höchste Punkt in einer scheinbar endlosen Eiswüste. Danach geht wieder abwärts gen Westen. Jeder Expeditionsteilnehmer zieht einen Schlitten mit etwa 65 Kilo Ausrüstung und Verpflegung. 27 Tage soll die Reise dauern. Nur das GPS-Gerät verrät am Ende eines jeden Tages, wie viel Höhenmeter geschafft wurden. Genauso gibt allein der Kompass beim Tagesmarsch die Richtung an. Es gibt keine Erhöhungen in der Landschaft, an denen man sich orientieren könnte. Nur Eis, so weit die Sicht reicht. "Eigentlich", sagt Alberts, "ist es ziemlich langweilig".
Am dritten Tag kehren die Briten - der Fotograf und der Arzt der Expeditionsgruppe - um. Zu heftig sind die Bedingungen, zu viele Schneestürme, alle kämpfen gegen Erschöpfung und Übermüdung an. Am vierten Tag, erinnert sich Alberts, habe er für jeden einzelnen Schritt eine ungeheure Willenskraft aufbringen müssen. Jeder Schritt ist ein Schritt näher am Ende, habe er sich zugeredet, und zu jedem Schritt habe er einen Namen gedacht, jeden einzelnen Menschen in Namibia, den er kenne, habe er aufgerufen, "selbst die Feinde". Elf Kilo habe er abgenommen in 12 Tagen auf dem Eis.
Am 12. Tag, waren der Namibier und sein norwegischer Partner auf 2398 Höhenmeter, die Wetterbedingungen schienen gut zum Schi-Segeln. Da passierte das Unglück. Ein Windböe erfasste Per Thore Hansens Segel, acht Meter wurde er in die Höhe gerissen, dann fiel er hinunter. Der Norweger war bewusstlos, als Alberts ihn erreichte. Um eventuelle Brüche festzustellen, zog der seine Fäustlinge aus, befühlte Rücken, Beine und Arme des Bewusstlosen, kniete im Schnee, baute das Zelt auf, bettete seinen Patienten - und spürte nicht die Kälte an seinen ungenügend geschützten Händen und Füßen.
Im Zelt wurde Bilanz gezogen. Hansen hatte starke Rückenschmerzen vom Sturz, an ein Weitergehen war nicht zu denken. Ein per Satellitentelefon benachrichtigter Helikopter brachte die beiden zwei Stunden später ins Krankenhaus von Tasiilaq. Am darauf folgenden Morgen entdeckte Alberts seine tiefschwarzen Fingerspitzen und Zehen: Frostbeulen. Bis zu einem Jahr kann es dauern, bis das tote Fleisch von den Gliedern abfällt. Die Wunden verheilen nur langsam, noch schlurft Alberts in Pantoffeln durch sein Büro im Swakopmunder Aquarium.
Bereuen tut er seine Reise trotzdem nicht. Das Grönland-Abenteuer habe ihn gelehrt, das Leben enorm zu schätzen. Die körperliche Anstrengung habe ihn völlig zugrunde gerichtet und extrem demütig gemacht. Jetzt könne er sich über die kleinsten Dinge des Alltags freuen wie nie zuvor. "Das Leben ist so kurz", sagt Alberts und zeigt einen Zentimeter zwischen seinen Fingern, "dann ist es vorbei. Alles ist jetzt einfacher für mich. Ich sehe keinen Grund mehr für Lügen irgendeiner Art."
Was ihn getrieben hat in Grönland? Warum er nicht, wie die in Kälteregionen viel erfahreneren Briten, nach drei Tagen umgekehrt ist? Er habe die Menschen in Namibia, die Geld für seine Expedition gespendet hatten, nicht enttäuschen wollen, sagt Alberts. "Ich glaube es ist auch mein Blut", fügt er dann hinzu und grinst. "Mein Dorslandtrekker-Blut." Aufzugeben, das hieße ein Weichei zu sein.
Die Expedition ist gescheitert, "Grönland hat uns besiegt", resümiert Alberts. Dass er es fast bis zum höchsten Punkt der Eisdecke geschafft hatte und ausgerechnet dann umkehren musste, das ärgert ihn. Ab diesem Punkt wäre es so viel einfacher gewesen, glaubt er, einfach nur noch bergab Richtung Westen. Es müsste zu schaffen sein, und er wäre der erste Namibier gewesen, der Grönland durchquert hätte.
Ob er es noch einmal versuchen will? "Mmmmh?", sinniert Alberts, und dann sagt er "Nein!", schüttelt den Kopf, "ganz bestimmt nicht!", und es klingt, als müsste er sich selbst überzeugen. Denn vor wenigen Wochen, im Zelt auf der Schneedecke, als ein Norweger und ein Namibier auf den Helikopter warteten, der sie aus der Eishölle herausbringen würde, da schlossen zwei Männer einen neuen Pakt: Grönland 2008.
Wenn seine Frau ihn im Garten sitzen und grübeln sieht, sagt Kobus Alberts, dann soll sie ihm bitte schön etwas zu tun geben. Irgendetwas, Hauptsache er ist beschäftigt. Damit er nicht etwa auf die dumme Idee kommt, sein Versprechen einzuhalten: in zwei Jahren noch einmal mit seinem norwegischen Expeditionspartner die Durchquerung Grönlands zu versuchen.
Alberts hatte schon einmal sein Wort gegeben. Das war vor rund einem Jahr, am Lagerfeuer an der Spitzkoppe. Es war das Ende eines harten Arbeitstages mit der Expeditionsgruppe "Across the Divide", und man hatte schon ein paar Flaschen Bier geköpft. Alberts erzählte von seinem Großvater, dem Dorslandtrekker, der als einer der ersten Afrikaander vom Kap nach Angola pilgerte - und davon, dass er selbst gerne zu den Pionieren von einst gehört hätte. Auch er lebe im falschen Jahrhundert, fand der norwegische Expeditionsleiter Per Thore Hansen, er wäre gern Wikinger gewesen. Er sprach von seinem Traum, Grönland zu durchqueren, mit Schlittenhunden oder zu Fuß. Ob er mitkommen würde, fragte Hansen, und Alberts muss "klar doch!" geantwortet haben. "Ich hatte natürlich nicht geglaubt, dass er Ernst macht", erinnert sich der in Usakos geborene Umweltschutz-Beamte. Es sei ein Schock für ihn gewesen, als wenige Monate später ein E-Mail aus Norwegen kam: "Fang an zu trainieren, im April geht's nach Grönland!"
Alberts, technischer Leiter des staatlichen Aquariums in Swakopmund und Vater von zwei Kindern, ist immer für Abenteuer zu haben. Und ein Wort ist eben ein Wort. Also wurde Geld gesammelt, das Ganze sollte eine Wohltätigkeitsaktion werden, wie alle Across-the-Divide-Expeditionen. Alberts sammelte für Afri-Leo, eine namibische Stiftung zum Schutz von Löwen und Raubkatzen. Unter der Leitung von Per Thore Hansen sollte das vier Mann starke Team - die Briten Mark Hannaford und Sean Hudson waren dabei - außerdem medizinische Daten sammeln. Man wolle die Auswirkungen extremer Kälte und physischer Belastung auf den menschlichen Körper testen, so Hannaford in einem Online-Artikel vom Jahresende 2005. Die Forschungsergebnisse sollten bei einem Polarmedizinkurs 2007 präsentiert werden, durch den Verkauf von Fotos und Videos sollen nach Abschluss der Expedition weitere Gelder für wohltätige Zwecke zusammenkommen.
Kobus Alberts hat in seiner knapp 15-jährigen Naturschützer-Karriere vieles ausprobiert: Geier beringt, Nashörner überwacht, lebendes Wild gefangen, er ist mehrere hundert Kilometer zu Fuß durch die Wüste gewandert - aber Schnee hatte er noch nie gesehen. Und so begann sein Ski-Training in den Dünen bei Swakopmund. Zuerst auf Skiern, die die Topnaar-Gemeinde nicht brauchen konnte. Ein Franzose hatte die Langlaufskier den im Kuiseb-Flußlauf wohnhaften Halb-Nomaden überlassen; es sei eine sehr viel effizientere Art, Dünen zu überqueren, fand der Europäer. Alberts trainierte. Schließlich bekam er auch noch fachgerechten Unterricht von einem in Swakopmund wohnhaften Ski- und Sandboarding-Experten, Henrik May. Zwischen Sandski-Training und Volltagsjob stattete Alberts hin und wieder dem begehbaren Tiefkühlschrank des Aquariums einen Besuch ab. Bis zu eine halbe Stunde verbrachte er bei Minusgraden zwischen eingefrorenen Fischen, um sich an die Kälte zu gewöhnen.
Auf das, was ihn in Grönland erwartete, konnte der begehbare Kühler ihn jedoch nicht vorbereiten, weiß Alberts heute: Temperaturen von minus 45 Grad. Wer nicht ständig in Bewegung bleibt, dem gefrieren die Kleider am Leibe. Abends wird es im Zelt nur so lange ein wenig wärmer, wie das Kochöfchen brennt. Ist das aus, sinken die Temperaturen innerhalb von Sekunden um mehr als zehn Grad. Ab morgens um Drei habe er immer wach gelegen, sagt Alberts, zitternd vor Kälte. Die Notdurft muss man im Zeltinneren verrichten, und wer dafür länger als 20 Sekunden braucht, riskiert Frostbeulen am Allerwertesten. Einmal, als ein Sturm für zwei Tage jede Fortbewegung unmöglich machte, habe er zum Pinkeln vors Zelt gehen wollen. "Wenn du einen Schritt aus diesem Zelt raus machst", warnte ihn da Kollege Hansen, "dann wirst du die Orientierung verlieren. Du wirst nicht mehr wissen, wo oben und wo unten ist, und vor allem nicht, wo das Zelt steht."
Nach vier Tagen Eingewöhnung in Norwegen startet am 17. April die Expedition an der Ostküste Grönlands. Von Tasiilaq, einem kleinen beschaulichen Dorf 800 Meter über dem Meeresspiegel, führt die Route schnurgerade nach Westen. Das Ziel an der gegenüberliegenden Küste ist 530 Kilometer entfernt. Die Eisdecke im Landesinneren sieht flach aus. Doch das täuscht. Sie ist mit Abertausenden kleinen Eisdünen bedeckt. Ein ständiger, kaum merklicher Anstieg führt bis zum Gipfel auf 2400 Meter, der kein Gipfel ist, sondern einfach der höchste Punkt in einer scheinbar endlosen Eiswüste. Danach geht wieder abwärts gen Westen. Jeder Expeditionsteilnehmer zieht einen Schlitten mit etwa 65 Kilo Ausrüstung und Verpflegung. 27 Tage soll die Reise dauern. Nur das GPS-Gerät verrät am Ende eines jeden Tages, wie viel Höhenmeter geschafft wurden. Genauso gibt allein der Kompass beim Tagesmarsch die Richtung an. Es gibt keine Erhöhungen in der Landschaft, an denen man sich orientieren könnte. Nur Eis, so weit die Sicht reicht. "Eigentlich", sagt Alberts, "ist es ziemlich langweilig".
Am dritten Tag kehren die Briten - der Fotograf und der Arzt der Expeditionsgruppe - um. Zu heftig sind die Bedingungen, zu viele Schneestürme, alle kämpfen gegen Erschöpfung und Übermüdung an. Am vierten Tag, erinnert sich Alberts, habe er für jeden einzelnen Schritt eine ungeheure Willenskraft aufbringen müssen. Jeder Schritt ist ein Schritt näher am Ende, habe er sich zugeredet, und zu jedem Schritt habe er einen Namen gedacht, jeden einzelnen Menschen in Namibia, den er kenne, habe er aufgerufen, "selbst die Feinde". Elf Kilo habe er abgenommen in 12 Tagen auf dem Eis.
Am 12. Tag, waren der Namibier und sein norwegischer Partner auf 2398 Höhenmeter, die Wetterbedingungen schienen gut zum Schi-Segeln. Da passierte das Unglück. Ein Windböe erfasste Per Thore Hansens Segel, acht Meter wurde er in die Höhe gerissen, dann fiel er hinunter. Der Norweger war bewusstlos, als Alberts ihn erreichte. Um eventuelle Brüche festzustellen, zog der seine Fäustlinge aus, befühlte Rücken, Beine und Arme des Bewusstlosen, kniete im Schnee, baute das Zelt auf, bettete seinen Patienten - und spürte nicht die Kälte an seinen ungenügend geschützten Händen und Füßen.
Im Zelt wurde Bilanz gezogen. Hansen hatte starke Rückenschmerzen vom Sturz, an ein Weitergehen war nicht zu denken. Ein per Satellitentelefon benachrichtigter Helikopter brachte die beiden zwei Stunden später ins Krankenhaus von Tasiilaq. Am darauf folgenden Morgen entdeckte Alberts seine tiefschwarzen Fingerspitzen und Zehen: Frostbeulen. Bis zu einem Jahr kann es dauern, bis das tote Fleisch von den Gliedern abfällt. Die Wunden verheilen nur langsam, noch schlurft Alberts in Pantoffeln durch sein Büro im Swakopmunder Aquarium.
Bereuen tut er seine Reise trotzdem nicht. Das Grönland-Abenteuer habe ihn gelehrt, das Leben enorm zu schätzen. Die körperliche Anstrengung habe ihn völlig zugrunde gerichtet und extrem demütig gemacht. Jetzt könne er sich über die kleinsten Dinge des Alltags freuen wie nie zuvor. "Das Leben ist so kurz", sagt Alberts und zeigt einen Zentimeter zwischen seinen Fingern, "dann ist es vorbei. Alles ist jetzt einfacher für mich. Ich sehe keinen Grund mehr für Lügen irgendeiner Art."
Was ihn getrieben hat in Grönland? Warum er nicht, wie die in Kälteregionen viel erfahreneren Briten, nach drei Tagen umgekehrt ist? Er habe die Menschen in Namibia, die Geld für seine Expedition gespendet hatten, nicht enttäuschen wollen, sagt Alberts. "Ich glaube es ist auch mein Blut", fügt er dann hinzu und grinst. "Mein Dorslandtrekker-Blut." Aufzugeben, das hieße ein Weichei zu sein.
Die Expedition ist gescheitert, "Grönland hat uns besiegt", resümiert Alberts. Dass er es fast bis zum höchsten Punkt der Eisdecke geschafft hatte und ausgerechnet dann umkehren musste, das ärgert ihn. Ab diesem Punkt wäre es so viel einfacher gewesen, glaubt er, einfach nur noch bergab Richtung Westen. Es müsste zu schaffen sein, und er wäre der erste Namibier gewesen, der Grönland durchquert hätte.
Ob er es noch einmal versuchen will? "Mmmmh?", sinniert Alberts, und dann sagt er "Nein!", schüttelt den Kopf, "ganz bestimmt nicht!", und es klingt, als müsste er sich selbst überzeugen. Denn vor wenigen Wochen, im Zelt auf der Schneedecke, als ein Norweger und ein Namibier auf den Helikopter warteten, der sie aus der Eishölle herausbringen würde, da schlossen zwei Männer einen neuen Pakt: Grönland 2008.
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Allgemeine Zeitung
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