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Ein Leben für die Delta-Schule

Seit 50 Jahren existiert die deutschsprachige staatliche Schule, seit 30 Jahren unterrichtet hier Frau Koepp
WAZon-Redakteur
Von Evelyn Rosar, Windhoek

Es ist nicht nur das Jubiläum der Delta Schule Windhoek, sondern auch das von Sabine Koepp. Die einzige Staatsschule, die Deutsch als Muttersprache anbietet, hat in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum. Zu Beginn hieß sie noch Deutsche Schule. Heute feiern die 750 Kinder, gestern feierten die 35 Lehrer und Eltern in der Aula.

Am Eingang des Saals steht die 54-jährige Lehrerin zwei Tage vor der großen Veranstaltung. Sie hofft, dass die Lasur des neuen Parketts bis zum großen Tag getrocknet sein wird. Sabine Koepp arbeitet seit 30 Jahren hier. „Wir hatten gerade einen Wasserschaden“, erzählt sie mit Blick auf die Arbeiter, die auf Knien das Parkett polieren. Den Geruch der Politur riecht man bis zum Sekretariat gegenüber. „Der Boden musste in letzter Minute neu verlegt werden“, erklärt Koepp, „so etwas passiert auch nur zum ungünstigsten Zeitpunkt“, sagt sie und lacht.

Seit dreißig Jahren verlässt die etwa 1,65 Meter große Frau mit kurzen dunklen Haaren um 6.30 Uhr morgens das Haus, um 7.20 Uhr beginnt sie den Unterricht. Oft verlässt sie das Schulgelände erst gegen 16.30 Uhr. Denn nach dem Unterricht gibt sie zusätzliche Musikstunden. Und eigentlich endet ihr Tag als Lehrerin dann immer noch nicht, denn wenn sie zuhause bei ihrem Mann Udo ankommt, kümmert er sich dieser Tage um die Renovierungsarbeiten, Koepp bereitet den Unterricht für den nächsten Tag vor. Der Beruf der Lehrerin ist ein Full-Time-Job.

Um die Mutter einer Tochter und eines Sohnes herum ist derzeit vieles im Umbruch - Bauarbeiten zuhause und in der Schule. Koepps Leben hingegen verläuft bis heute stets konstant. Wenn man es ganz genau nimmt, verbrachte Sabine Koepp nicht nur dreißig Jahre an der Delta-Schule, sondern fast ihr ganzes Leben. Sie kramt ein Schlüsselbund aus ihrer Tasche, an dem geschätzt über 20 Schlüssel hängen. Es muss sehr schwer sein. Ohne suchen zu müssen, findet Koepp direkt den richtigen zum Klassenraum der 6a und sperrt auf. Hier unterrichtet sie gleich Deutsch. Sie erzählt: „Hier in diesen Räumen habe ich selbst schon gesessen, als ich Schülerin war.“ Ihre Einschulung war im Jahr 1972. Sie holt ihren Laptop heraus und hat prompt ein Foto von ihrem ersten Schultag parat. „Hier vorne, die vierte von rechts, das bin ich“, sagt sie. „Ich wollte damals schon Lehrerin werden.“

Auch die Schüler und Schülerinnen der 6a haben bereits Vorstellungen davon, was sie mal werden könnten. Der Job des Lehrers ist nicht dabei. Noch nicht, denn das kann sich in einem Jahr ändern. Oder sogar schon in einem Monat. Bei der Frage nach dem Unterschied zwischen Satzgliedern und Wortarten gehen die Hände an diesem Dienstagmorgen nur langsam und vereinzelt nach oben, bei der Frage nach ihrer Zukunft melden sich alle dreizehn Kinder auf einmal. Jeder will an die Reihe kommen, allerdings ohne ihre Dringlichkeit mit Schnipsen der Finger oder Rufen zu verstärken. Vermutlich das Ergebnis von Koepps Arbeit.

„Ich will Achterbahningenieur werden“, sagt ein blonder Junge mit Brille in der letzten Reihe. „Letzte Woche wolltest du noch was anderes werden“, entgegnet ihm sein Banknachbar, der schon einen Kopf größer ist. Er selbst will Astrophysiker werden. Da musste er nicht lange überlegen. Jetzt muss er doch kurz nachdenken. Wie er darauf gekommen ist? Hm, das weiß er auch nicht. Sein Papa sei Architekt, daher kann der Berufswunsch nicht kommen, folgert er. Er zuckt mit den Schultern und kommt zu dem Schluss: „Ich lese halt gerne und viel.“ Das muss als Begründung reichen. Ein Mädchen mit Sommersprossen und Dutt will Onkologin werden, ihre Zwillingsschwester mit kurzen Haaren hat den Berufswunsch Tischlerin. „Das wusste ich ja gar nicht“, sagt Frau Koepp und ist begeistert. „Wie mein Vater und meine Tochter.“

Fragt man die Kinder der 6a, wie sie ihre Lehrerin finden, meldet sich beinahe die ganze Klasse. Fast jeder weiß etwas zu berichten. Zum Beispiel, dass sie auch mal böse und etwas lauter werden kann. Das passiert an den Tagen, an denen jemand seine Hausaufgaben vergessen hat oder zu viel gequatscht wird. Sie sei streng, aber fair. Man könne Witze mit ihr machen, und sie wüsste die besten Eselsbrücken, um sich Kompliziertes zu merken, heißt es. Auch wenn an diesem Morgen keinem eine solche Eselsbrücke als Beispiel einfallen will. Eine Schülerin beschreibt ihre Lehrerin so: „Immer, wenn ich Frau Koepp auf dem Pausenhof begegne, lächelt sie. Sie ist immer gut gelaunt. Ich mag sie.“ Diese Beobachtung macht man auch, wenn man Koepp an einen Vormittag bei der Arbeit begleitet.

Je lauter es in der Klasse wird, weil nun jeder etwas über seine Lehrerin zu berichten weiß, desto ruhiger wird Frau Koepp. Statt wie sonst vorne an der Tafel hat sie sich jetzt hinter die letzte Bank verkrochen. Und statt wie sonst zu sprechen, hört sie den Schülern zu. Ihre Antworten sind es, warum Koepp ihren Job nach all den Jahren immer noch so gerne macht, meint sie. „Man bekommt jeden Tag so viel zurück. Manchmal kommt ein Kind nach dem Unterricht und sagt ‚das hat mir heute sehr gut gefallen‘ oder ‚heute habe ich etwas gelernt‘. Solche Aussagen berühren mich heute noch und machen mich stolz.“

Was ihr an hektischen Schultagen Ruhe verschafft, ist die Musik. Koepp spielt Klarinette und Gitarre, mag deutsche Schlager. Die Lieder von Helene Fischer werden nicht nur daheim nach Feierabend gehört, sondern auch mit den Schülern gesungen. Ständiger Favorit: das Lied „Atemlos“. „Wenn ich musiziere, kann ich um mich herum alles vergessen. Ich hoffe, dass ich dieses Gefühl den Kindern übermitteln kann“, sagt die Musikbegeisterte.

Koepps Plan war es ursprünglich, nur Musiklehrerin zu sein. Als Studentin auf dem Lehrercollege in Windhoek musste sie dann hinnehmen, dass ihr Talent für das Klavierspiel nicht ausreicht. Heute lacht sie darüber, denn heute darf sie den Kindern die Musik schließlich doch näher bringen. Ihre Expertise genügt auch so. Statt auf dem Klavier werden die Kinder auf der Gitarre und Klarinette begleitet.

Fragt man die Jubilarin, ob ihr in all den Jahrzehnten immer am selben Ort nichts fehlt, kommt ein schnelles „Nein“. Der Alltag sei kein Alltag, meint sie, da die Kinder jeden Tag etwas Neues lernen, da jedes Jahr neue Schüler kommen.

Mit kurzer Studienunterbrechung startete jeder Werktag seit 1972 um 7.20 Uhr mit dem Ertönen der Glocke an der Delta-Schule. In fünf Jahren schellt sie für Sabine Koepp zum letzten Mal, dann wird sie pensioniert. Wird ihr die Schule dann fehlen? „Nein, nein, ich denke nicht“, sagt sie, als sie den Klassenraum der 6a zusperrt und sich auf den Weg zu ihrer nächsten Stunde in einem anderen Gebäude macht. Nach ein paar Schritten ergänzt sie: „Man kann sich als pensionierte Lehrerein privat anstellen lassen. Für ein paar Stunden in der Woche.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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