Ein namibischer Farmer bringt Rat nach Usbekistan (II)
Gegen 21 Uhr erreichten wir schließlich unser Quartier, das "Sanatorii Profilakski" wohl so etwas wie ein Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt. Alle öffentlichen Gebäude in der ehemaligen Sowjetunion haben ja einen ihnen eigenen Geruch um nicht zu sagen Gestank, der von irgendeinem Desinfektionsmittel her rührt, das auch hier verwendet wurde. Außerdem war es ja Winter, alle Gebäude sind überheizt und schlecht gelüftet. Ich erhielt wohl die Suite des Gebäudes, mit Wohn- und Schlafzimmer, die Wände mit dicken Stoffen in grau belegt, dazu vorgetäuschte Türbögen in rot, relativ schmale etwas wackelige Betten, das Bad zwar sauber, aber auch schon seit Jahrzehnten im Betrieb. Es funktionierte jedoch alles, das Wasser der Dusche war warm, auch die Toilette einwandfrei, nur ohne Klopapier, aber das hatte ich mir ja wohlweislich mitgebracht. Schließlich brachten sie mir einheimisches, aber man kann es kaum benutzen, weil es besser als 80er Sandpapier zu gebrauchen wäre!
Der Vodka-Trick
Im Erdgeschoss richtete man uns zu später Stunde noch ein großes Essen an: diesmal zu Suppe, Hammelfleisch und Fladenbrot auch Kefir, angesäuerte Schlagsahne, Bier, Mineralwasser und Vodka. Von Wahid Zeidi, dem Iraner, der im Auftrage der Dänen die afghanischen Shippers betreut und sich in ganz Mittelasien bestens auskennt, hatte ich im Dezember in Kopenhagen gelernt, wie man jeden Russen mit Vodka unter den Tisch trinkt. Vodka wird in den Breiten in Gramm ausgeschenkt und 100 Gramm sind eigentlich so die Mindestmenge, die pro mal eingeschenkt werden. Man bestellt also zum Vodka, der immer nur russischer oder kasachischer sein darf - usbekischer ist nicht rein genug - auch Mineralwasser. Wenn nun nach zwei drei Gläschen das Trinkgelage so richtig in Gang gekommen ist, behält man den Vodka jedes Mal im Mund, setzt danach das Mineralwasserglas an und schiebt mit der Zunge den Vodka ins Mineralwasserglas. Dabei muss das Glas ein wenig hinter Flaschen oder Schüsseln versteckt werden, damit es nicht so auffällt und nach zwei, drei Malen bittet man die Kellnerin ein neues kaltes Glas Mineralwasser zu bringen! Dann geht das Spiel von vorn los. In Kopenhagen beim opulenten Mittagstisch während der Auktionstage hatte ich mit den Afghanen bei Aquavit schon mal geübt und es funktionierte bestens. So dann auch in Navoi!
Ehemalige Kolchose
Am nächsten Morgen hätte ich beinahe verschlafen, weil meine biologische Uhr durch den Jetlag noch etwas durcheinander geraten war. Nach einem guten Frühstück mit u.a. Haferbrei und diesmal Rooibostee, den ich mitgebracht hatte, und der später auch von meinen Reisegenossen sehr gern getrunken wurde, ging es unter Führung von Usen Umarov, dem leitenden Beamten der Außenwirtschaftsbehörde im "Hokkimiyat", also der Regionalverwaltung, Richtung Norden nach "Kanimech", einer ehemaligen Kolchose. Muchtar Guljamow taufte den kleinen Usen, den er für verschiedene Fehler in der Reiseplanung verantwortlich hielt, Napoleon, und so hieß er fortan bei uns.
Wir fuhren zunächst durch Industrieanlagen und an einem Heizwerk am Stadtrand entlang, alles nach meinem Dafürhalten wieder dringend reparaturbedürftig und nur nach dem Gesichtspunkt der Funktionalität angelegt. Dann kam die offene unendlich weite Steppe mit kurzen sehr würzig nach Thymian riechenden Sträuchern und kleinem jetzt grünendem Gras dazwischen. Kein Busch, kein Baum weit und breit zu sehen. Ab und zu eine Viehstation,
wir würden Posten dazu sagen. Und immer wieder große Herden Karakuls mit Hirten, meist zu Pferd. Die Strasse geteert und insgesamt besser als die stark befahrene Autobahn. Es war bedeckt mit mäßigem Wind bei etwa Null Grad.
Schließlich drei große gemauerte Torbögen auf der rechten Seite mit dem Namen Kanimech darauf. Sie lieben große prominente Schilder! Dahinter eine große Schautafel aus dem Jahre 2002, die die Produktionsnormen und die erreichten Mengen im Bezug auf Felle, Mutterlämmer, Fleischlämmer, Wolle usw bildhaft darstellt. Eher bescheidene flache Gebäude, nur der Verwaltungstrakt doppelstöckig. Wir wurden vom Direktor der Genossenschaft herzlich empfangen und zunächst in das kleine Museum der Farm geführt. Man war sehr stolz auf die eigene Geschichte: der Betrieb vor 60 Jahren gegründet, an den Wänden Gemälde der mit Orden behangenen früheren Direktoren, auf den Tischen Fotoalben mit Hirten und Schafen.
Der lokale Karakulbetrieb
Im Büro des Direktors gab's zunächst den obligatorischen grünen Tee und dann entlud sich mein Fragengewitter im Bezug auf so ziemlich alles was, ich wissen musste, um ihre Produktion und Vermarktung zu verstehen. Am Ende hatte sich folgendes Bild herausgeschält:
Der Betrieb ist 160 000 Hektar groß, Land, das der Staat gegen eine minimale Pacht verfügbar macht (in Usbekistan gibt es immer noch keinen Privatbesitz von Grund und Boden!) . Etwa dreitausend Menschen leben auf dem Betrieb und dieser sorgt für viele soziale Aufgaben wie Schule, Krankenstation, Altenheim usw.. Sie haben 39 000 Schafe, davon 27 000 Muttertiere; alle Muttertiere werden in den drei Wochen nach dem 15. Oktober künstlich besamt! Die Böcke werden vor der Besamung mit Karotten und rohen Eiern angefüttert! Lammung ist dann etwa ab 15. März, also im Frühjahr und der Lammungsprozentsatz liegt so bei ca. 60%. Alle Tiere werden gehütet und sind nur bei extrem kalter Witterung im überdachten Stall, Zäune und Kräle, wie wir sie haben, kennt man gar nicht. Geschoren wird zweimal im Jahr. Die Hammel, die heute wohl den größeren Teil der Einnahmen ausmachen, werden stark zugefüttert und im, für unsere Verhältnisse, viel zu fetten Zustand verkauft. Aber hier liebt man eben sein fettes Hammelfleisch.
Die Menschen sahen übrigens überall wohlgenährt aus, aber Dicke habe ich kaum gesehen. Die Körper der geschlachteten Lämmer gelten als Delikatesse und werden verkauft, die Felle gesalzen und getrocknet. Später wird ein Pulver, das sie Karbid nennen, zur weiteren Konservierung beigegeben. Die Felle wirken auf der Lederseite nicht so gut wie die Afghanen. Und es sind nur Lockenfelle, wobei ich den Eindruck hatte, dass der Qualität viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ich führte meine mitgebrachten Swakarafelle vor, und die einhellige Meinung der Usbeken war, dass dies Frühgeburten sein müssten. Erst als ich auch meine Rammpedigrees mit den Lämmerfotos und einen Rammauktionskatalog zeigte, glaubte man mir, dass unsere Lämmer bei natürlicher Geburt flachlockige Felle haben, und dass wir dieses Fellbild ausschließlich durch jahrzehntelange Selektion erreicht haben.
Der Vodka-Trick
Im Erdgeschoss richtete man uns zu später Stunde noch ein großes Essen an: diesmal zu Suppe, Hammelfleisch und Fladenbrot auch Kefir, angesäuerte Schlagsahne, Bier, Mineralwasser und Vodka. Von Wahid Zeidi, dem Iraner, der im Auftrage der Dänen die afghanischen Shippers betreut und sich in ganz Mittelasien bestens auskennt, hatte ich im Dezember in Kopenhagen gelernt, wie man jeden Russen mit Vodka unter den Tisch trinkt. Vodka wird in den Breiten in Gramm ausgeschenkt und 100 Gramm sind eigentlich so die Mindestmenge, die pro mal eingeschenkt werden. Man bestellt also zum Vodka, der immer nur russischer oder kasachischer sein darf - usbekischer ist nicht rein genug - auch Mineralwasser. Wenn nun nach zwei drei Gläschen das Trinkgelage so richtig in Gang gekommen ist, behält man den Vodka jedes Mal im Mund, setzt danach das Mineralwasserglas an und schiebt mit der Zunge den Vodka ins Mineralwasserglas. Dabei muss das Glas ein wenig hinter Flaschen oder Schüsseln versteckt werden, damit es nicht so auffällt und nach zwei, drei Malen bittet man die Kellnerin ein neues kaltes Glas Mineralwasser zu bringen! Dann geht das Spiel von vorn los. In Kopenhagen beim opulenten Mittagstisch während der Auktionstage hatte ich mit den Afghanen bei Aquavit schon mal geübt und es funktionierte bestens. So dann auch in Navoi!
Ehemalige Kolchose
Am nächsten Morgen hätte ich beinahe verschlafen, weil meine biologische Uhr durch den Jetlag noch etwas durcheinander geraten war. Nach einem guten Frühstück mit u.a. Haferbrei und diesmal Rooibostee, den ich mitgebracht hatte, und der später auch von meinen Reisegenossen sehr gern getrunken wurde, ging es unter Führung von Usen Umarov, dem leitenden Beamten der Außenwirtschaftsbehörde im "Hokkimiyat", also der Regionalverwaltung, Richtung Norden nach "Kanimech", einer ehemaligen Kolchose. Muchtar Guljamow taufte den kleinen Usen, den er für verschiedene Fehler in der Reiseplanung verantwortlich hielt, Napoleon, und so hieß er fortan bei uns.
Wir fuhren zunächst durch Industrieanlagen und an einem Heizwerk am Stadtrand entlang, alles nach meinem Dafürhalten wieder dringend reparaturbedürftig und nur nach dem Gesichtspunkt der Funktionalität angelegt. Dann kam die offene unendlich weite Steppe mit kurzen sehr würzig nach Thymian riechenden Sträuchern und kleinem jetzt grünendem Gras dazwischen. Kein Busch, kein Baum weit und breit zu sehen. Ab und zu eine Viehstation,
wir würden Posten dazu sagen. Und immer wieder große Herden Karakuls mit Hirten, meist zu Pferd. Die Strasse geteert und insgesamt besser als die stark befahrene Autobahn. Es war bedeckt mit mäßigem Wind bei etwa Null Grad.
Schließlich drei große gemauerte Torbögen auf der rechten Seite mit dem Namen Kanimech darauf. Sie lieben große prominente Schilder! Dahinter eine große Schautafel aus dem Jahre 2002, die die Produktionsnormen und die erreichten Mengen im Bezug auf Felle, Mutterlämmer, Fleischlämmer, Wolle usw bildhaft darstellt. Eher bescheidene flache Gebäude, nur der Verwaltungstrakt doppelstöckig. Wir wurden vom Direktor der Genossenschaft herzlich empfangen und zunächst in das kleine Museum der Farm geführt. Man war sehr stolz auf die eigene Geschichte: der Betrieb vor 60 Jahren gegründet, an den Wänden Gemälde der mit Orden behangenen früheren Direktoren, auf den Tischen Fotoalben mit Hirten und Schafen.
Der lokale Karakulbetrieb
Im Büro des Direktors gab's zunächst den obligatorischen grünen Tee und dann entlud sich mein Fragengewitter im Bezug auf so ziemlich alles was, ich wissen musste, um ihre Produktion und Vermarktung zu verstehen. Am Ende hatte sich folgendes Bild herausgeschält:
Der Betrieb ist 160 000 Hektar groß, Land, das der Staat gegen eine minimale Pacht verfügbar macht (in Usbekistan gibt es immer noch keinen Privatbesitz von Grund und Boden!) . Etwa dreitausend Menschen leben auf dem Betrieb und dieser sorgt für viele soziale Aufgaben wie Schule, Krankenstation, Altenheim usw.. Sie haben 39 000 Schafe, davon 27 000 Muttertiere; alle Muttertiere werden in den drei Wochen nach dem 15. Oktober künstlich besamt! Die Böcke werden vor der Besamung mit Karotten und rohen Eiern angefüttert! Lammung ist dann etwa ab 15. März, also im Frühjahr und der Lammungsprozentsatz liegt so bei ca. 60%. Alle Tiere werden gehütet und sind nur bei extrem kalter Witterung im überdachten Stall, Zäune und Kräle, wie wir sie haben, kennt man gar nicht. Geschoren wird zweimal im Jahr. Die Hammel, die heute wohl den größeren Teil der Einnahmen ausmachen, werden stark zugefüttert und im, für unsere Verhältnisse, viel zu fetten Zustand verkauft. Aber hier liebt man eben sein fettes Hammelfleisch.
Die Menschen sahen übrigens überall wohlgenährt aus, aber Dicke habe ich kaum gesehen. Die Körper der geschlachteten Lämmer gelten als Delikatesse und werden verkauft, die Felle gesalzen und getrocknet. Später wird ein Pulver, das sie Karbid nennen, zur weiteren Konservierung beigegeben. Die Felle wirken auf der Lederseite nicht so gut wie die Afghanen. Und es sind nur Lockenfelle, wobei ich den Eindruck hatte, dass der Qualität viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ich führte meine mitgebrachten Swakarafelle vor, und die einhellige Meinung der Usbeken war, dass dies Frühgeburten sein müssten. Erst als ich auch meine Rammpedigrees mit den Lämmerfotos und einen Rammauktionskatalog zeigte, glaubte man mir, dass unsere Lämmer bei natürlicher Geburt flachlockige Felle haben, und dass wir dieses Fellbild ausschließlich durch jahrzehntelange Selektion erreicht haben.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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