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"Ein Präzendenzfall": Asyl für lesbische Frauen aus Uganda?
"Ein Präzendenzfall": Asyl für lesbische Frauen aus Uganda?

"Ein Präzendenzfall": Asyl für lesbische Frauen aus Uganda?

Claudia Reiter
München/Kampala (dpa) - Wenn Racheal gefragt wird, warum sie Uganda verlassen hat, zieht sie die Ärmel ihrer weißen Jacke hoch. Sie zeigt ihre geschundenen, vernarbten Arme. "Das hat er gemacht, als er uns erwischt hat", sagt sie. Ihr Mann, der sich damals schon von ihr getrennt habe, habe sie und ihre Freundin zu Hause entdeckt. "Dann hat er mir diese Stücke aus den Armen herausgeschnitten, weil er das Böse herausschneiden wollte. Mein Oberkörper sieht auch so aus." Seit Oktober 2018 ist die Modedesignerin, Mitte 40, in Deutschland und wartet darauf, dass über ihren Asylantrag entschieden wird.

Wenn Sandra nach ihren vier Kindern gefragt wird, muss sie innehalten. Sie kämpft dann minutenlang mit den Tränen, bis sie sagen kann, dass ihr "Kleiner" erst zweieinhalb Jahre alt war, als sie ihn zurücklassen musste. 2017 floh die 43-Jährige aus Uganda nach Deutschland, weil sie lesbisch ist, diskriminiert, bedroht, psychisch und körperlich gefoltert wurde, wie sie sagt. "Ich hatte keine Hoffnung mehr." Ihre drei älteren Kinder wachsen bei Freunden auf, sagt Sandra. Ihr Jüngster sei bei seinem Vater, dem Mann, mit dem sie verheiratet wurde, als ihre eigene Familie merkte, dass sie Frauen liebt - und dessen Familie Sandra dann jahrelang schikaniert habe.

"Es ist dort tödlich für uns", sagt Grace, die eigentlich anders heißt, ihren echten Namen aber nicht veröffentlichen will. "Du musst im Schatten bleiben, du kannst nicht heiraten, wen du willst, du wirst nicht als Frau gesehen, sondern als etwas - und sie foltern dich." Sie habe International Business studiert und gemeinsam mit ihrem Bruder ein eigenes Unternehmen geführt, bis es ihr unmöglich gewesen sei, weiter in Uganda zu leben. Immer wieder sei sie festgenommen und von ihrem Bruder wieder freigekauft worden. Seit rund anderthalb Jahren ist sie nun in Bayern.

Die Frauen warten darauf, ob ihrem Antrag auf Asyl stattgegeben wird oder nicht. Sie eint die Hoffnung auf und die Angst vor einer Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am Montag (10.00 Uhr). Da entscheiden die Richter über den Asylantrag einer 1979 geborenen Frau, der es ganz ähnlich geht wie Racheal, Sandra und Grace - deren Antrag aber bereits abgelehnt wurde und die nun deshalb vor den Gerichtshof gezogen ist.

Die lesbische Beratungsstelle Letra in München spricht von einem Präzedenzfall: "Der Ausgang des Prozesses wird entscheidend sein, nicht nur für die in dem Prozess im Mittelpunkt stehende Person, sondern auch die unzähligen Frauen, die mit demselben Hintergrund nach Deutschland gekommen sind."

Rund 60 lesbische Frauen aus Uganda, die bei Letra angebunden sind, befinden sich nach Angaben der Beratungsstelle derzeit im Klage-, 25 weitere noch im Asylverfahren. "Die Entscheidungen über ihren Schutz und ihr Bleiberecht hängen von der Entscheidung am 9. März ab."

Auch darum wolle die klagende Frau vorher nicht in der Öffentlichkeit auftreten und wünsche sich, dass keine anderen Betroffenen in die Verhandlung kommen. "Sie hat so schon das Gefühl, dass das Schicksal der anderen Frauen auf ihren Schultern lastet."

In rund 33 Ländern Afrikas - darunter Uganda - sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen verboten. Oft stammen die Gesetze noch aus der Kolonialzeit, im Falle Ugandas und vielen anderen Staaten aus der britischen Herrschaft. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes beträgt das Höchststrafmaß lebenslänglich. Seit der Unabhängigkeit Ugandas im Jahr 1962 sei allerdings keine gerichtliche Verurteilung auf der Grundlage dieser Strafvorschriften mehr erfolgt.

Neela Ghoshal, Expertin für LGBT-Rechte bei Human Rights Watch (HRW), sagt, es gebe dennoch etliche Fälle von Homosexuellen aus Uganda, die weltweit Asyl beantragt haben - viele waren demnach erfolgreich. "Und das aus gutem Grund. Obwohl das Gesetz selten dazu benutzt wird, jemanden zu verurteilen, ist es fast unmöglich, als LGBT-Person in Uganda ein gutes Leben zu leben."

Obwohl es in Uganda Organisationen und Aktivisten gebe, die sich für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender-Menschen einsetzen und die gesellschaftliche Toleranz darum langsam steigt, sei es noch unmöglich, Homosexualität in Uganda offen auszuleben, bestätigt Sam Ganafa, Aktivist und Leiter der Organisation Spectrum, die sich für Gesundheitsrechte einsetzt. "Wenn man das tut, wird man schikaniert oder sogar festgenommen." Die Polizei oder Bürger würden das Verbot ausnutzen, um Schwule und Lesben auszubeuten oder zu erpressen. Immer wieder würden Homosexuelle festgenommen. Die wenigsten könnten sich am Arbeitsplatz outen. Und viele erlebten Gewalt.

Ghoshal von Human Rights Watch zufolge ist die Gefahr einer Festnahme für Frauen zwar geringer und Lesben können oftmals eher unter dem Radar leben als schwule Männer. Doch die Diskriminierung und Gewalt könne genauso schlimm, wenn nicht schlimmer sein. Es gebe etwa Fälle von Vergewaltigung von Lesben, sagt Ghoshal.

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg hatten im vergangenen Jahr 119 Menschen aus Uganda in Deutschland Asyl beantragt - die meisten davon wegen des Bundesländer-Verteilungsschlüssels in Bayern. 2018 waren es bundesweit 157 neue Anträge und im Jahr davor 112.

Ein Großteil der Asylanträge von Flüchtlingen aus dem ostafrikanischen Land wird abgelehnt: 2017 wurde laut BAMF in 327 Fällen entschieden, 220 Anträge wurden abgelehnt. Das entspricht einer sogenannten Schutzquote von 17,1 Prozent. 2018 lag diese Quote bei 30,6 Prozent, im vergangenen Jahr bei 17,7. Wie viele dieser geflohenen Menschen Asyl beantragten, weil sie sich wegen ihrer Homosexualität bedroht fühlten, wird nicht erfasst.

Flüchtlingsschutz gemäß Paragraf 3 des Asylgesetzes (AsylG) kommt dann in Betracht, wenn einer Antragstellerin bei Rückkehr in ihr Herkunftsland wegen ihrer Homosexualität schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. "Homosexualität war noch nie ein alleiniges Kriterium für die Zuerkennung eines Schutzstatus", heißt es von einer BAMF-Sprecherin. "Die Gefahr muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und zielgerichtet wegen der sexuellen Ausrichtung drohen."

Wer in Deutschland über einen solchen Asylantrag entscheidet, sei angehalten, "die vorgetragenen Fluchtursachen auf Glaubhaftigkeit zu prüfen", teilt das Bundesamt mit. Für Racheal und Sandra bedeutet das: "Wir sollen beweisen, dass wir wirklich lesbisch sind. Aber wie können wir das beweisen?"

Wenn sie zurückkehren müssten, wäre das eine Katastrophe für sie. "Wenn wir zurückkommen, sind wir ja geoutet. Das ist unglaublich gefährlich für uns. Unsere Leichen werden dann womöglich nie gefunden", sagt Grace. "Es wäre besser, wenn sie uns dann gleich im Sarg zurückschicken."

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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