Ein Tag für die Geschichtsbücher: "Ende eines langen Kampfes"
Dem Kleinbus entsteigen Mike Campbell (76), sein Schwiegersohn Ben Freeth (39), der CFU-Vize-Präsident Deon Theron, Farmer Peter Etheredge und Anwalt David Drury. Sie haben sich fein gemacht - auch wenn Peter Etheredge nur in einem geliehen Jackett auftreten kann. Sein gesamtes Hab und Gut ist bei einem Überfall des neuen "Eigentümers" auf seine Farm gestohlen worden.
Spannung liegt in der nieselregnerischen Luft. Erstmals betreten die Farmer das nach dem Brand wieder hergerichtete SADC-Tribunal in der Turnhalle, in dem gleich die Entscheidung über ihre Zukunft fallen soll. Zuvor war am Obersten Gerichtshof in Windhoek verhandelt worden.
Noch etwas verloren stehen die Farmer im Saal, weitere Leidensgenossen sowie Journalisten und Vertreter von Botschaften treffen ein. Man begrüßt sich - und wartet.
Wenige Minuten später kommen ein paar gut gekleidete Herren der Zimbabwe Affirmative Action Group (ZAG) herein. Für sie war es offensichtlich kein Problem, nach Namibia zu kommen, während einer Gruppe weißer Farmer aus dem Matabeleland in letzter Sekunde die Ausfuhrgenehmigung für ihren Wagen verweigert worden war. Linientreu mit der ZANU (PF) von Robert Mugabe verunglimpft die ZAG den Prozess und die Protagonisten. "Gott ist groß", raunt Generalsekretär Tafadzwa Musarara seinen Kollegen zu und zeigt auf den sehr gläubigen Ben Freeth. "Der hat ja eine richtige Wunderheilung hingelegt, nachdem er vor vier Monaten noch im Rollstuhl saß", meint der junge Mann im babyblauen Anzug abfällig. Tatsächlich saß Ben Freeth am vorherigen Verhandlungstag im Rollstuhl, nachdem er und Mike Campbell von einem Schläger brutal gefoltert worden war.
Eigentlich sollte die Urteilsverkündung längst begonnen haben. Doch es dauert noch; Der Drucker im Tribunal streikt. Zeit also für ihren großen Auftritt: Chipo Zindonga, die simbabwische Hochkommissarin, wallt heran. Sie hatte sich bei der Verhandlung im Juli ebenfalls über Freeth im Rollstuhl lustig gemacht. Flankiert wird sie nur kurz darauf von ihrer südafrikanischen Amtskollegin Eunice Komane, die neben ihr Platz nimmt - ein deutliches Zeichen für ihren Standpunkt.
Auch die Anwälte sind mittlerweile da: Elize Angula, die Windhoeker Vertreterin für die Farmer, und Prince Machaya, der Anwalt für die simbabwische Regierung. Er ist sehr ehrlich: Große Hoffnungen auf einen Sieg habe er nicht, sagt er mir in einem stillen Moment.
Plötzlich Aufruhr: Draußen hat sich ein in Shorts und Robert-Mugabe-T-Shirt gekleideter junger Mann breit gemacht und fordert auf einem selbstgebastelten Plakat die Fortsetzung der Landreform. Er sei Comrade Trust Mhaka, eigenfüßig aus Simbabwe gekommen und vertrete die Jugend. Ben Freeth ist in seinem Element. Er geht auf den jungen Mann zu spricht mit ihm - über Politik und Gott. Ins Gebäude darf der Comrade eigentlich nicht, wegen seiner Shorts. Trotzdem sitzt er später auf Seiten der Simbabwer und macht Notizen.
Mit anderthalbstündiger Verspätung marschieren dann endlich die Richter in den klimaanlagen-unterkühlten Saal ein, fünf Männer aus Angola, Botswana, Malawi, Mauritius und Mosambik. Luis Mondlane hat die Aufgabe das Urteil zu verlesen, 60 Seiten ist es lang. Man versteht ihn schlecht, Mike Campbell sagt später, er habe gar nichts verstanden.
Es ist ein gutes Urteil: Klar, strukturiert, auf den Punkt und mit vielen Beispielfällen und Zitaten aus anderen Entscheidungen rund um die Welt gespickt. Dass das Tribunal sich selbst die Gerichtsbarkeit über den Fall zuschreibt, war sicherlich zu erwarten. Dann geht es aber ran an die starken und gleichermaßen strittigen Punkte: Den Antragsstellern sei der Zugang zu Gerichten im eigenen Land sowie das Recht auf eine faire Anhörung verwehrt worden. Die Regierung verstoße damit gegen den SADC-Vertrag. Erstes Durchatmen auf Seiten der Farmer. Beim nächsten Punkt hatten die Betroffenen bis zuletzt ihre Zweifel am Erfolg: Ihre international anerkannten Anwälte Adrian de Bourbon und Jeremy Gauntlett hatten der Mugabe-Regierung Diskriminierung von Weißen im Zuge der Landreform vorgeworfen - und vier der fünf schwarzen Richter (mit Ausnahme des Angolaners) folgen diesem Antrag. Nahezu ungläubige Freude auf Seiten der Farmer, die dann auch noch hören können, dass die Regierung ihnen hätte Entschädigungen zahlen müssen. Plötzlich geht alles ganz schnell: Die Richter sind bei den Schlussfeststellungen angelangt, die den Farmern auf ganzer Linie Recht geben: Sie dürfen unbehelligt auf ihrem Land bleiben, wer schon weg ist, bekommt eine Entschädigungszahlung, der Mugabe-Regierung wird abschließend Vertragsverletzung vorgeworfen. Und Schluss.
Es ist keine laute, jubelnde Siegesfeier mit Geschrei. Es sind innige Umarmungen und Tränen, für die sich keiner schämt. Auch Außenstehende weinen, genauso wie Anwältin Elize Angula, die ein ums andere Mal wiederholt, wie begeistert sie ist, dass das Tribunal die Rassendiskriminierung erkannt hat. Immer wieder müssen es Ben Freeth und Mike Campbell wiederholen: "Es ist unglaublich, wir sind glücklich!"
Sie dürfen zurück nach Mount Carmell, ihre Farm im Bezirk Chegutu, die gleichzeitig ihr Leben und ihr Schicksal ist. Beinahe wären sie dort vor fünf Monaten umgebracht worden, weil sie nicht weichen wollten, weil sie es gewagt haben, die Regierung von Robert Mugabe herauszufordern.
Die Anspannung löst sich sichtlich. Mike Campbell sieht geschafft aus und streicht immer wieder unbewusst über den vom Überfall Ende Juni noch steifen Mittelfinger seiner rechten Hand. Ben Freeth hingegen sieht zehn Jahre jünger aus, die Falten auf seiner Stirn sind verschwunden, er lacht viel. "Es ist das Ende eines langen Kampfes." Auch wenn er es "historisch" nennt, hat er wohl in diesem Moment noch nicht begriffen, welche Tragweite das Urteil hat: Für ihn, für alle Weißen in Simbabwe, aber auch für die ganze Region. Eine Landreform wie die von Mugabe wird nicht geduldet, weder in Simbabwe noch irgendwo sonst. Gegen staatliche Willkür kann vor einem Gericht wie dem SADC-Tribunal vorgegangen werden. Und der Kampf für Gerechtigkeit wird am Ende doch belohnt.
Spannung liegt in der nieselregnerischen Luft. Erstmals betreten die Farmer das nach dem Brand wieder hergerichtete SADC-Tribunal in der Turnhalle, in dem gleich die Entscheidung über ihre Zukunft fallen soll. Zuvor war am Obersten Gerichtshof in Windhoek verhandelt worden.
Noch etwas verloren stehen die Farmer im Saal, weitere Leidensgenossen sowie Journalisten und Vertreter von Botschaften treffen ein. Man begrüßt sich - und wartet.
Wenige Minuten später kommen ein paar gut gekleidete Herren der Zimbabwe Affirmative Action Group (ZAG) herein. Für sie war es offensichtlich kein Problem, nach Namibia zu kommen, während einer Gruppe weißer Farmer aus dem Matabeleland in letzter Sekunde die Ausfuhrgenehmigung für ihren Wagen verweigert worden war. Linientreu mit der ZANU (PF) von Robert Mugabe verunglimpft die ZAG den Prozess und die Protagonisten. "Gott ist groß", raunt Generalsekretär Tafadzwa Musarara seinen Kollegen zu und zeigt auf den sehr gläubigen Ben Freeth. "Der hat ja eine richtige Wunderheilung hingelegt, nachdem er vor vier Monaten noch im Rollstuhl saß", meint der junge Mann im babyblauen Anzug abfällig. Tatsächlich saß Ben Freeth am vorherigen Verhandlungstag im Rollstuhl, nachdem er und Mike Campbell von einem Schläger brutal gefoltert worden war.
Eigentlich sollte die Urteilsverkündung längst begonnen haben. Doch es dauert noch; Der Drucker im Tribunal streikt. Zeit also für ihren großen Auftritt: Chipo Zindonga, die simbabwische Hochkommissarin, wallt heran. Sie hatte sich bei der Verhandlung im Juli ebenfalls über Freeth im Rollstuhl lustig gemacht. Flankiert wird sie nur kurz darauf von ihrer südafrikanischen Amtskollegin Eunice Komane, die neben ihr Platz nimmt - ein deutliches Zeichen für ihren Standpunkt.
Auch die Anwälte sind mittlerweile da: Elize Angula, die Windhoeker Vertreterin für die Farmer, und Prince Machaya, der Anwalt für die simbabwische Regierung. Er ist sehr ehrlich: Große Hoffnungen auf einen Sieg habe er nicht, sagt er mir in einem stillen Moment.
Plötzlich Aufruhr: Draußen hat sich ein in Shorts und Robert-Mugabe-T-Shirt gekleideter junger Mann breit gemacht und fordert auf einem selbstgebastelten Plakat die Fortsetzung der Landreform. Er sei Comrade Trust Mhaka, eigenfüßig aus Simbabwe gekommen und vertrete die Jugend. Ben Freeth ist in seinem Element. Er geht auf den jungen Mann zu spricht mit ihm - über Politik und Gott. Ins Gebäude darf der Comrade eigentlich nicht, wegen seiner Shorts. Trotzdem sitzt er später auf Seiten der Simbabwer und macht Notizen.
Mit anderthalbstündiger Verspätung marschieren dann endlich die Richter in den klimaanlagen-unterkühlten Saal ein, fünf Männer aus Angola, Botswana, Malawi, Mauritius und Mosambik. Luis Mondlane hat die Aufgabe das Urteil zu verlesen, 60 Seiten ist es lang. Man versteht ihn schlecht, Mike Campbell sagt später, er habe gar nichts verstanden.
Es ist ein gutes Urteil: Klar, strukturiert, auf den Punkt und mit vielen Beispielfällen und Zitaten aus anderen Entscheidungen rund um die Welt gespickt. Dass das Tribunal sich selbst die Gerichtsbarkeit über den Fall zuschreibt, war sicherlich zu erwarten. Dann geht es aber ran an die starken und gleichermaßen strittigen Punkte: Den Antragsstellern sei der Zugang zu Gerichten im eigenen Land sowie das Recht auf eine faire Anhörung verwehrt worden. Die Regierung verstoße damit gegen den SADC-Vertrag. Erstes Durchatmen auf Seiten der Farmer. Beim nächsten Punkt hatten die Betroffenen bis zuletzt ihre Zweifel am Erfolg: Ihre international anerkannten Anwälte Adrian de Bourbon und Jeremy Gauntlett hatten der Mugabe-Regierung Diskriminierung von Weißen im Zuge der Landreform vorgeworfen - und vier der fünf schwarzen Richter (mit Ausnahme des Angolaners) folgen diesem Antrag. Nahezu ungläubige Freude auf Seiten der Farmer, die dann auch noch hören können, dass die Regierung ihnen hätte Entschädigungen zahlen müssen. Plötzlich geht alles ganz schnell: Die Richter sind bei den Schlussfeststellungen angelangt, die den Farmern auf ganzer Linie Recht geben: Sie dürfen unbehelligt auf ihrem Land bleiben, wer schon weg ist, bekommt eine Entschädigungszahlung, der Mugabe-Regierung wird abschließend Vertragsverletzung vorgeworfen. Und Schluss.
Es ist keine laute, jubelnde Siegesfeier mit Geschrei. Es sind innige Umarmungen und Tränen, für die sich keiner schämt. Auch Außenstehende weinen, genauso wie Anwältin Elize Angula, die ein ums andere Mal wiederholt, wie begeistert sie ist, dass das Tribunal die Rassendiskriminierung erkannt hat. Immer wieder müssen es Ben Freeth und Mike Campbell wiederholen: "Es ist unglaublich, wir sind glücklich!"
Sie dürfen zurück nach Mount Carmell, ihre Farm im Bezirk Chegutu, die gleichzeitig ihr Leben und ihr Schicksal ist. Beinahe wären sie dort vor fünf Monaten umgebracht worden, weil sie nicht weichen wollten, weil sie es gewagt haben, die Regierung von Robert Mugabe herauszufordern.
Die Anspannung löst sich sichtlich. Mike Campbell sieht geschafft aus und streicht immer wieder unbewusst über den vom Überfall Ende Juni noch steifen Mittelfinger seiner rechten Hand. Ben Freeth hingegen sieht zehn Jahre jünger aus, die Falten auf seiner Stirn sind verschwunden, er lacht viel. "Es ist das Ende eines langen Kampfes." Auch wenn er es "historisch" nennt, hat er wohl in diesem Moment noch nicht begriffen, welche Tragweite das Urteil hat: Für ihn, für alle Weißen in Simbabwe, aber auch für die ganze Region. Eine Landreform wie die von Mugabe wird nicht geduldet, weder in Simbabwe noch irgendwo sonst. Gegen staatliche Willkür kann vor einem Gericht wie dem SADC-Tribunal vorgegangen werden. Und der Kampf für Gerechtigkeit wird am Ende doch belohnt.
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Allgemeine Zeitung
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