Eine Gefängnisinsel
Australiens Corona-Politik und die Menschenrechte
Von Michelle Ostwald und Carola Frentzen, dpa
Sydney
Jade Grant streicht ihrem einjährigen Sohn Jacob über die Haare, während er auf ihrem Schoß spielt. Die Großeltern in England haben ihren Enkel noch nie auf dem Arm gehabt, sie kennen ihn nur von Fotos und Videoanrufen. Doch gerade jetzt könnte eine echte Umarmung nicht dringender sein: Jacobs Großmutter hat Lungenkrebs im Endstadium und wohl nur noch Monate zu leben. Aber die britische Familie mit drei Kindern, die vor fünf Jahren in die Stadt Gold Coast an der australischen Ostküste ausgewandert ist, kann nicht ausreisen, ohne ihr Leben - das sie sich mühsam aufgebaut hat - komplett aufzugeben.
Das strikte internationale Reiseverbot, das Australien im März 2020 erlassen hat, um die Bevölkerung vor Corona zu schützen, macht die Ein- und Ausreise für die meisten Menschen nahezu unmöglich. Wer einen besonders triftigen Grund hat, kann eine Ausnahmegenehmigung beim australischen Grenzschutz beantragen. Todkranke Familienmitglieder, Beerdigungen und dringliche geschäftliche Verpflichtungen im Ausland zählen zu diesen Gründen.
„Ich bin davon ausgegangen, dass ich auf jeden Fall diese Ausnahmegenehmigung bekomme“, sagt Grant (32) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Drei Anträge sind aber bereits abgelehnt worden, der vierte läuft. Das ist bei vielen so, die Gründe bleiben unklar. Der Unmut bei den Betroffenen wächst. Auch Rechtsexperten und Menschenrechtsorganisationen stellen zunehmend die Legalität des bald 18 Monate andauernden Reiseverbots infrage.
Die Grants sind mit einem temporären Visum in Down Under, im kommenden Jahr wollen sie die Staatsbürgerschaft beantragen. Rob Grant ist Tischler - Handwerker werden in Australien händeringend gesucht. Theoretisch kann die Familie auch - anders als Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz - ausreisen. Aber ohne Sondererlaubnis kommt sie danach nicht wieder ins Land. Und diese wird einfach nicht erteilt.
Die Festung Australien
Kein anderer demokratischer Staat hat seine Grenzen in der Corona-Pandemie so lange und so strikt geschlossen. Medien sprechen regelmäßig von der „Festung Australien“. In sozialen Netzwerken vergleichen wütende Bürger das Land sogar schon mit der Gefängniskolonie, die es einst war.
Die rechtliche Grundlage für das internationale Reiseverbot ist der Bio Security Act von 2015. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit darf die Regierung Freiheiten ihrer Bürger beschränken - wie in diesem Fall die Bewegungsfreiheit, die aber auch ein Menschenrecht ist.
Menschenrechtler und Kritiker des Reiseverbots fordern jetzt zumindest den Bau von speziellen Quarantäne-Einrichtungen, um so eine sichere Ein- und Ausreise für mehr Menschen zu ermöglichen. Bislang muss jeder - ob geimpft oder ungeimpft - 14 Tage in Hotelquarantäne, die etwa 3000 australische Dollar (rund 1800 Euro) pro Person kostet und selbst gezahlt werden muss.
Nach aktuellen Angaben des australischen Außenministeriums geben etwa 40 000 Australier im Ausland an, in ihre Heimat zurückkehren zu wollen. Betroffene berichten von immer wieder stornierten Flügen und Ticketpreisen, die bis zu zehnmal so hoch sind wie unter normalen Umständen. Viele können sich die Rückkehr einfach nicht leisten.
Australiens Isolationsstrategie hat lange Wirkung gezeigt, noch immer liegt die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Covid-19 bei unter 1000. Aber seit Monaten breitet sich die Delta-Variante aus. Immer häufiger werden für ganze Regionen und Millionenmetropolen kurzfristig Lockdowns angeordnet - manchmal für eine Woche, manchmal - wie derzeit im Fall von Sydney - für Monate.
Australiens Nachbar Neuseeland hat vor kurzem angekündigt, seine Grenzen Anfang 2022 wieder schrittweise zu öffnen. Die australische Regierung hat eine Öffnung des Landes zuletzt für Juli 2022 in Aussicht gestellt. Für Jade Grant und viele andere, die unter der Entfernung zu Familie und Freunden leiden, ist das zu spät.
Sydney
Jade Grant streicht ihrem einjährigen Sohn Jacob über die Haare, während er auf ihrem Schoß spielt. Die Großeltern in England haben ihren Enkel noch nie auf dem Arm gehabt, sie kennen ihn nur von Fotos und Videoanrufen. Doch gerade jetzt könnte eine echte Umarmung nicht dringender sein: Jacobs Großmutter hat Lungenkrebs im Endstadium und wohl nur noch Monate zu leben. Aber die britische Familie mit drei Kindern, die vor fünf Jahren in die Stadt Gold Coast an der australischen Ostküste ausgewandert ist, kann nicht ausreisen, ohne ihr Leben - das sie sich mühsam aufgebaut hat - komplett aufzugeben.
Das strikte internationale Reiseverbot, das Australien im März 2020 erlassen hat, um die Bevölkerung vor Corona zu schützen, macht die Ein- und Ausreise für die meisten Menschen nahezu unmöglich. Wer einen besonders triftigen Grund hat, kann eine Ausnahmegenehmigung beim australischen Grenzschutz beantragen. Todkranke Familienmitglieder, Beerdigungen und dringliche geschäftliche Verpflichtungen im Ausland zählen zu diesen Gründen.
„Ich bin davon ausgegangen, dass ich auf jeden Fall diese Ausnahmegenehmigung bekomme“, sagt Grant (32) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Drei Anträge sind aber bereits abgelehnt worden, der vierte läuft. Das ist bei vielen so, die Gründe bleiben unklar. Der Unmut bei den Betroffenen wächst. Auch Rechtsexperten und Menschenrechtsorganisationen stellen zunehmend die Legalität des bald 18 Monate andauernden Reiseverbots infrage.
Die Grants sind mit einem temporären Visum in Down Under, im kommenden Jahr wollen sie die Staatsbürgerschaft beantragen. Rob Grant ist Tischler - Handwerker werden in Australien händeringend gesucht. Theoretisch kann die Familie auch - anders als Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz - ausreisen. Aber ohne Sondererlaubnis kommt sie danach nicht wieder ins Land. Und diese wird einfach nicht erteilt.
Die Festung Australien
Kein anderer demokratischer Staat hat seine Grenzen in der Corona-Pandemie so lange und so strikt geschlossen. Medien sprechen regelmäßig von der „Festung Australien“. In sozialen Netzwerken vergleichen wütende Bürger das Land sogar schon mit der Gefängniskolonie, die es einst war.
Die rechtliche Grundlage für das internationale Reiseverbot ist der Bio Security Act von 2015. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit darf die Regierung Freiheiten ihrer Bürger beschränken - wie in diesem Fall die Bewegungsfreiheit, die aber auch ein Menschenrecht ist.
Menschenrechtler und Kritiker des Reiseverbots fordern jetzt zumindest den Bau von speziellen Quarantäne-Einrichtungen, um so eine sichere Ein- und Ausreise für mehr Menschen zu ermöglichen. Bislang muss jeder - ob geimpft oder ungeimpft - 14 Tage in Hotelquarantäne, die etwa 3000 australische Dollar (rund 1800 Euro) pro Person kostet und selbst gezahlt werden muss.
Nach aktuellen Angaben des australischen Außenministeriums geben etwa 40 000 Australier im Ausland an, in ihre Heimat zurückkehren zu wollen. Betroffene berichten von immer wieder stornierten Flügen und Ticketpreisen, die bis zu zehnmal so hoch sind wie unter normalen Umständen. Viele können sich die Rückkehr einfach nicht leisten.
Australiens Isolationsstrategie hat lange Wirkung gezeigt, noch immer liegt die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Covid-19 bei unter 1000. Aber seit Monaten breitet sich die Delta-Variante aus. Immer häufiger werden für ganze Regionen und Millionenmetropolen kurzfristig Lockdowns angeordnet - manchmal für eine Woche, manchmal - wie derzeit im Fall von Sydney - für Monate.
Australiens Nachbar Neuseeland hat vor kurzem angekündigt, seine Grenzen Anfang 2022 wieder schrittweise zu öffnen. Die australische Regierung hat eine Öffnung des Landes zuletzt für Juli 2022 in Aussicht gestellt. Für Jade Grant und viele andere, die unter der Entfernung zu Familie und Freunden leiden, ist das zu spät.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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