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Eine Portion Selbstbewusstsein für die Ärmsten

In Katutura bietet eine junge Deutsche Workshops für Kinder an
WAZon-Redakteur
Das große Finale beginnt mit einer Fehleinschätzung. „Ich glaube, wir kriegen heute etwa die halbe Halle voll“, sagt Elke Reinauer. Sie steht in der Sternstunden-Mehrzweckhalle der Frans Aupa Indongo Primary School. Zwei Wochen lang hat die Deutsche im Rahmen ihres „Creabuntu“-Projekts mit einer Gruppe Kinder hier gearbeitet. Sie haben Kunst gemacht und Theater gespielt. An diesem Freitagnachmittag steht der Höhepunkt an: Die Aufführung, begleitet von der Ausstellung der Kunstwerke, die die Kinder hier angefertigt haben.

Gleich zu Beginn sagt Elke Reinauer: „Man darf natürlich nicht die Maßstäbe eines professionellen Theaterstücks an unsere Vorführung anlegen.“ Die Kinder haben das gesamte Stück selbst entworfen, zu einem großen Teil durch Improvisation. Das Thema der Aufführung, das sie selbst wählen konnten, ist „Mobbing“.
Die Frans-Indongo-Schule liegt in Maxuilili im nördlichsten Zipfel Katuturas. Die Fahrt aus dem Zentrum Windhoeks dauert etwa eine dreiviertel Stunde und führt einmal quer durch den Stadtteil. Nachdem die Steinhäuser schon lange riesigen Kolonien von Wellblechhütten gewichen sind, steht man am Ende einer staubigen Straße plötzlich vor dem Tor der Schule. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Kinder hier eine Chance haben, irgendwann rauszukommen“, sagt die Künstlerin. Aber ihr Projekt soll sie zu stärkeren Persönlichkeiten werden lassen. Die Schule allein scheint das nicht leisten zu können – oder zu wollen.

„Die Kinder sollen durch das Projekt vor allem etwas lernen. Sie sollen selbstbewusster aus den zwei Wochen hervorgehen, ihre Schüchternheit ablegen und lernen, wie man laut spricht“, erzählt Elke Reinauer. Sie macht das Projekt nun schon im zweiten Jahr. Letztes Jahr war sie nur an einer Schule, dieses Jahr werden es drei sein, zwei in Katutura, eine in Swakopmund. „Hier gibt es sonst einfach kein vergleichbares Angebot“, erzählt Reinauer, „es gibt zwar noch das Bernhard-Nordkamp-Zentrum (BNC), aber da sind die Wartelisten für die nächsten zwei Jahre schon voll.“

Am BNC war Elke Reinauer nun schon zweimal, letztes Jahr, als sie das Theaterprogramm zum ersten Mal angeboten hat, und die zwei Wochen, bevor sie an die Indongo-Schule kam. „Hier hat es mehr Spaß gemacht. Die Kinder sind etwas älter, reflektierter. Das erzeugt nochmal eine ganz andere Tiefe.“
Eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung ist die Sternstunden-Mehrzweckhalle noch leer. Elke Reinauer und die beiden Frauen, die sie dieses Jahr unterstützen, schmieren Brote für die Schauspieler. Elisia Tunga Nghidishange hat mit den Kindern Skulpturen geformt und Elzaan de Wee hat beim Theater geholfen. Hage Mukwendje hat mit den Kindern gezeichnet, er ist am großen Tag aber nicht dabei.

Als die Sirene ertönt, die bedeutet, dass eine Schulstunde vorbei ist, strömen die Schulkinder aus den vielen Häusern, in denen sie unterrichtet werden. Überall sind plötzlich kleine Menschen in grün-roten oder grau-schwarzen Uniformen. Die Tür zur Halle ist noch verschlossen, doch bildet sich sofort eine Traube aus etwa hundert Kindern davor, die darauf warten, eingelassen zu werden. Die Traube wächst immer weiter und es wird klar, dass Reinauer sich verkalkuliert hat. Am Ende wird die Sternstunden-Halle voll sein, die Sitzplätze restlos vergeben, die Plätze auf den Tischen am Rand genauso wie der Bereich vor der Bühne, wo die Kinder auf dem schmutzigen Holzboden sitzen. Erwachsene sind kaum unter den Zuschauern, nur der Schulleiter ist gekommen. „Schade, ich hatte gehofft, dass auch ein paar Lehrer dabei wären“, sagt Elke Reinauer.

Es ist laut in der Halle und es riecht nach Schweiß. Die schrillen Stimmen scheinen immer lauter zu werden, als Elke Reinauer neben ihren Kolleginnen die Bühne betritt und die Veranstaltung eröffnet. Das Theaterstück selbst ist dann gar nicht so schlecht, wie Reinauer es angekündigt hat. Manche Kinder spielen ihre Rollen überzeugend, nur wenige können sich das Lachen gar nicht verkneifen. Die Zuschauer hingegen scheinen das ernste Thema, mit dem sie da konfrontiert werden, nicht ganz zu fassen. Sie lachen durchgehend, ob es um Gewalt von Eltern gegen Kinder, Mobbing in der Schule oder die Ignoranz der Lehrer geht.

Nach der Vorstellung präsentieren Kinder die Skulpturen, die sie angefertigt haben. Gegenstände, die ihre Traditionen widerspiegeln. Die Hütten, in denen ihre Vorfahren lebten, traditionell gestaltete Teller oder aber auch eine überdimensionierte Gabel. Die Konzentration der Zuschauer ist da bereits durch eine Dreiviertelstunde Theater pulverisiert worden.

So stürmisch wie sie die Halle betreten haben, verlassen die Kinder diese auch wieder. Die Ausstellung der Zeichnungen und Skulpturen bleibt insgesamt wenig beachtet.
Elke Reinauer arbeitet für ihr Creabuntu-Projekt mit dem Tangeni-Shilongo-Namibia-Verein in Deutschland zusammen. „Wir haben 2000 Euro für das Projekt in diesem Jahr eingesammelt“, erzählt sie. Sie finanziert Creabuntu ausschließlich über Spenden. Für sie selbst bleibt da nichts übrig. Das Geld braucht sie vor allem für die Materialien und Verpflegung der Schüler, die an den Workshops freiwillig nach der Schule teilnehmen. Reinauers langfristiges Ziel ist es, eine Kunstschule in Katutura aufzubauen. 30000 Euro bräuchte sie dafür im Jahr. 100 bis 150 Schüler könnten hier ganzjährig das machen, was Elke Reinauer bislang nur für zwei Wochen anbietet.

Sie ist überzeugt, dass Creabuntu den Kindern hilft. „Wenn ich mir angucke, wie sich manche Kinder, mit denen ich letztes Jahr hier gearbeitet habe, weiterentwickelt haben, dann ist das schon ganz erstaunlich“, sagt sie. Eines der Mädchen habe früher beim Sprechen stets die Hand vor den Mund gehalten, nun rede es klar verständlich.
Als die Stühle in der Sternstunden-Halle schon lange wieder zusammengestellt hinter der Bühne verstaut und die Kinder nach Hause gelaufen sind sowie die Sonne das Warten auf das Taxi zurück ins Zentrum unerträglich macht, kommen zwei Lehrerinnen aus der Schule. Halbherzig bekunden sie Interesse an Creabuntu. Na, wie war‘s? War das jetzt heute die letzte Vorstellung? Als Elke Reinauer sie fragt, warum sie denn nicht gekommen seien, winken sie ab: „Zu viel Arbeit, zu viel Arbeit. Aber kommen Sie doch bitte bald wieder.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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