Eine stachelige Angelegenheit
Stille liegt über dem Busch. Die Sonne hat ihr Tagwerk vollbracht und sich hinter den Horizont auf den Weg zur anderen Hälfte der Erdkugel hin verabschiedet. Leise bewegt ein leichter Wind die feinen Gräser im dunkel werdenden Veld. Ein Nachtvogel erhebt seine Stimme. Ein kaum zu vernehmendes Tapsen verrät, dass sich ein kleines Tier dicht am Boden entlang bewegt und auf leisen Pfoten wieder entfernt.
Abendkühle streicht über das Lagerfeuer, Abertausende von Sternen beginnen am Himmel zu blinken und scheinen nichts zu verheißen als die friedliche Stille einer afrikanischen Nacht.
Da plötzlich huscht etwas herbei. Da plötzlich grunzt es, ganz nahe. Das Gras bewegt sich heftig, scheint länger zu werden - doch halt, es ist gar nicht das Gras, das sich hier bewegt, es sind Stacheln. Sie bewegen sich - und sie kommen näher!
Manch einer bekommt einen Schreck, bis er feststellt, dass es sich hier um ein ganz harmloses Wesen handelt, dass des Nachts schlicht nach Nahrung sucht: Ein Hystrix, oder auf Deutsch gesagt, ein Stachelschwein.
Ein ausgesprochenes Nachttier Das Stachelschwein ist ein ausgesprochenes Nachttier, und entsprechend ist es nicht leicht zu entdecken. Während des Tages schläft es in einer Höhle unter der Erde, in Felsnischen oder dem verlassenen Bau anderer Tiere. Doch ist es ein Gewohnheitstier, das regelrechte Wohnburgen gräbt und dort nicht etwa alleine lebt, sondern in Familiengruppen, mit einem festen Partner. Es kümmert sich lange um seine Jungtiere.
Seine Nahrung besteht aus Wurzeln, Knollen, Zwiebeln, Baumfrüchten und Kräutern, aber es verachtet durchaus nicht Kleintiere wie Insekten und nagt sogar hin und wieder an den Knochenresten einer Löwenbeute.
Ein besonderer Leckerbissen jedoch ist auch für das in Namibia heimische Stachelschwein der Mais.
Da man mit Speck bekanntlich Mäuse fängt, lässt sich ein Stachelschwein am besten mit Mais anlocken. Und dies tut Katrin Haenisch in Kamanjab seit einigen Jahren. Belohnt wird sie mit regelmäßigen nächtlichen Besuchen der stachligen Schönheiten und nannte daher ihren Gästebetrieb "Porcupine Camp" - der Campingplatz der Stachelschweine. Nun gut, die Stachelschweine campen hier natürlich nicht, sondern vielmehr die Feriengäste. Aber mit schöner Regelmäßigkeit sammeln sich des Abends vor Katrins Terrasse bis zu 20 Stachelschweine, um auf eine genüssliche Maismahlzeit zu warten und zur Unterhaltung der Gäste beizutragen. Nicht wie in einem Zoo, versteht sich, denn es sind frei lebende Tiere. Aber beide Seiten genießen dieses abendliche Ritual. Oft sitzen die Besucher stundenlang fasziniert auf den gemütlichen Stühlen der Terrasse und lauschen dem Schmatzen und Grunzen, dem Rascheln und Anschubsen der körperlich eher kleinen, aber durch ihr Stachelkleid durchaus imposant wirkenden Nagetiere.
Stachelschweine im Camp
Wenn Katrin Haenisch die Geschichte des Porcupine Camps erzählt, amüsieren sich ihre Gäste stets. Ursprünglich nämlich hatte sie mit ihrer Tochter Antje zusammen das Kamanjab Restcamp geleitet, in dem es ebenfalls Stachelschweine gab, die zunehmend zutraulicher wurden. Der deutsche Thomas Richter, der in seinem Internetportal seit Jahren hilfreiche Tipps für Camping-Unterkünfte gibt, benannte es jovial als "Stachelschwein-Camp", und die beiden Frauen fanden den Namen so lustig, dass sie den Namen vor fünf Jahren für ihr eigenes Camp registrieren ließen.
"Stachelschweine gibt hier überall", berichtet Katrin, "und als wir in unser neues Camp umzogen, waren eines Tages die Wasserleitungen angebissen. Als wir dies sahen, wussten wir, wir haben Stachelschweine!"
Da es sich um wilde Tiere handelt, waren sie natürlich in der ersten Zeit kaum zu sehen. Besucher konnten sie höchstens mit einem Fernglas betrachten, denn Stachelschweine sind Fluchttiere. So platzierten Mutter und Tochter zunächst immer einmal wieder Maiskolben und Kohlstrünke zwischen den Felsen, in denen die Tiere sich aufhielten. Im Laufe der Jahre wurde das Futter immer näher zum Farmhaus hin gelegt, und nach fünf Jahren mühsamen Anfüttern fühlen sich die Stachelschweine inzwischen so sicher, dass sie bis auf die Terrasse kommen. "Wir füttern aber nur kleine Leckerbissen", betont Katrin, "denn es handelt sich um wilde Tiere, die auch weiterhin ihr Futter selbst suchen sollen. Aber natürlich freuen wir uns sehr, wenn sie uns abends besuchen kommen, und für unsere Gäste sind sie eine echte Attraktion."
Ein kleines, am Nacken verwundetes Stachelschwein lief Mutter und Tochter Haenisch vor zwei Jahren über den Weg. "Der Kleine war nur eine Hand groß, seine Eltern vermutlich gewildert worden, und so zogen wir ihn in unserer Küche auf", berichtet Katrin. Da er häufig mit dem Schwanz auf den Boden klopfte, gaben wir ihm den Namen ,Klopfer'. Nachdem er wieder gesund war, wilderten wir ihn in kleinen Schritten aus, und heute lebt er wieder in freier Natur. Dennoch kommt er uns regelmäßig besuchen und holt sich seine Extraportion auch mal aus der Hand."
Bedrohliches Stachelkleid Doch weder dort oben, noch sonst im südlichen Afrika kann man Stachelschweine so ausgiebig und ungestört beobachten. Auch wenn man sie nachts im Busch zuweilen hört, so ziehen sie doch stets rasch weiter, auf der Suche nach Nahrung.
Ihr Verbreitungsgebiet umfasst das tropische und subtropische Asien sowie Afrika, doch auch in Alaska, Nordkanada und im südlichen Europa sind sie beheimatet.
Seine breit fächernden Stacheln schützen den Nager vor Feinden, doch für den Fall, dass er sich verteidigen muss, nimmt er eine Drohstellung ein, bei der sich seine Stachelmähne mit vernehmbarem Klappern sträubt und dem kleinen Tier eine erstaunlich Größe verleiht. Die Stacheln sind in Wirklichkeit eine Art Haar mit verschiedener Dicke und Länge, das einen Durchmesser von bis zu 7 Millimeter erreichen kann.
Die schwarz-weiße Zeichnung der bis zu 40 Zentimeter langen Stacheln wirkt auf seine Feinde bedrohlich, und so trollen sich die meisten bei diesem furchteinflößenden Anblick schnell wieder. Und wer sich dennoch näher wagt, wird durch Knurren und lautes Rasseln endgültig verjagt. Zumindest im Busch. Im Porcupine Camp indes schubsen sich die Stachelschweine höchstens einmal gegenseitig zur Seite, wenn ein besonders appetitlicher Maiskolben in Riech- oder Sichtweite kommt.
Wenig natürliche Feinde Erwachsene Stachelschweine werden circa 70, manche bis zu 90 Zentimeter lang. Ein ausgewachsenes Stachelschwein kann bis zu 25 Kilogramm wiegen. Die Männchen sind zumeist etwas größer als die Weibchen. Die Beine sind recht kurz. Die Körperhöhe liegt daher nur bei rund 30 Zentimetern. Die Lebenserwartung liegt zwischen acht und 20 Jahren - je nachdem, wie gut das Nahrungsangebot ist und sich das Tier schützen kann.
Natürliche Feinde des Stachelschweins sind unter anderem Löwen, Geparden und Leoparden. Erfahrene Raubtiere versuchen zuweilen ein Tier geschickt umzudrehen, um es an der verletzlichen Unterseite zu packen, aber so leicht lässt sich ein namibisches Stachelschwein nicht umwerfen...
Acht Kilometer von Kamanjab entfernt, liegt das Porcupine Camp mitten im Busch, mit fest installierten Zelten sowie Campingplätzen für eigene Zelte der Besucher. Ein kleines Restaurant bietet Frühstück, Snacks und Abendessen. Ansonsten kann man in dieser friedlichen Umgebung seinen Namibia-Urlaub genießen, bis es einen weiter treibt in Richtung Nordwesten zum Kaokoveld hin oder nordöstlich zum Etoscha-Nationalpark.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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