Einfach mitgesungen

Das hätte sich so manch calvinistischer Kulturverfechter im Apartheidsregime vor 20 Jahren niemals träumen lassen, dass in zwei Jahrzehnten ein junger oshivambo-sprechender Redakteur einen jungen Burensänger gegen verschreckte Angsthasen verteidigt. Die Kolumnen mehrerer Zeitungen haben dem offensichtlich unbefangenen Bok van Blerk, im wirklichen Leben Louis Pepler, stief Platz eingeräumt. Sogar Rundfunkreportagen auf Deutsch über den afrikaansen Ohrwurm "De la Rey, De la Rey sal jy die Boere kom lei" wurden in die Mitte der EU ausgestrahlt.

Bok van Blerk, der vor einer Woche zu seinem Auftritt im !Gôahesab Hage Gottlieb Geingob-Stadion von Ovenduka wüsten Zulauf hatte, hat mit dem parmantachen Schreiberling Max Hamata von der Informanté-Zeitung nix zu tun. Umgekehrt dasselbe. Rein rechnerisch ist es möglich, dass sich Peplers Pa und Hamatas Tate als Soldat einerseits und Guerilla andererseits vor 20 Jahren im tiefen Busch der namibischen Nordgrenze bekriegt haben, ohne Gnade, "Kaffir vs Boer".

Die Zeiten haben sich geändert. Pauschale Feindbilder der achtziger Jahre sind zwar tief ins Hirn eingebrannt und werden teilweise sogar an die nachrückende Generation weitergegeben, aber sie steigen nicht mehr zu Kopf. Ausgenommen davon sind Leute wie Omupräsidente I und Mugabe-Schmeichler wie Isak Katali, Führer der Jugendliga der größten Partei aller Zeiten und ihr Oberschreiberling, die über die Jahrtausendwende noch nicht hinaus gekommen sind. Ansonsten haben die Oukies mit hellem Teint oder dunklem Tähn damit nix mehr am Hut, obwohl der Rassismus hier und da in den Ecken lauert.

Van Blerk singt unbefangen über den Burengeneral, der vor dem Anglo-Burenkrieg eher als Pazifist taugte und 1914 ebenfalls zu den Kriegsgegnern gehörte, die unter England nicht gegen die Deutschen in Südwestafrika antreten wollten. Doch dann ist De la Rey vermeintlich im Irrtum an einer Straßensperre von der südafrikanischen Polizei erschossen worden.

Van Blerk hat mit dem Lied nun einen Volksnerv getroffen, der den ganzen Komplex ehemaliger Verlierer des Anglo-Burenkriegs, wieder erstarkter Herren, dann gestürzter Herren (Base) und Neusuchende nach Identität erfasst - melodisch, zum Mitsingen eben. Dass sich auch Verkrampte darein mischen, war immer so.

Die Story ist unterm Steinbock schon erzählt, aber wir müssen dennoch wieder darauf zurückkommen. Nämlich, dass De la Rey vor Van Blerks Heldenlied schon einmal wieder entdeckt wurde. In der Originalfotographie von 1902, also kurz nach dem Krieg wurde er mit den anderen zwei Burengenerälen mit Christiaan de Wet, letzterer 1914 ebenfalls ein Kriegsgegner, und Louis Botha, dem Eroberer Südwestafrikas von 1915 abgelichtet und gerahmt. Und gerahmt hing er im Pissoir des Victoria-Hotels von Cradock im Ostkap, bis der Schreiberling vom Steinbock ihn dort notgedrungen entdeckte und der Wirtin des Etablissements seinen Protest meldete. Das Victoria-Hotel spielt auf vornehm imperial-viktorianisches Ambiente, wo Queen Vic, Prinzgemahl Albert und andere Verwandtschaft von Kaiser Wilhelm II ebenfalls gerahmt den Salon zieren, die Burengeneräle aber ins Pissoir der Mannsbilder im Kellergeschoss verbannt waren - bis der Steinbock kam.

Jesslaik, die Wirtin ließ sich nochall maklik zur Rehabilitierung und Versetzung der Generäle aus dem muffigen Verlies in den kolonialen Salon überreden.

Wenn Van Blerk seine Show in Cradock bietet, muss er im Victoria-Hotel checken, ob De la Rey seinen Platz unter der britischen Royalty behaupten konnte.