EINheit erLEBEN
Von Ina Briest, Windhoek
Vor der Tür zum Ausstellungsraum sind die Buchstaben U-N-I-T aus Pappe ausgeschnitten. Darunter stehen, ebenfalls auf Pappe, die handgeschriebenen Namen der Künstler. Das werden die letzten Informationen sein, die der Besucher zu dieser Installation erhält. Von jetzt an ist er ganz auf sich gestellt. Er muss sich ganz auf seine Sinne, sein eigenes Urteil und seine Vorstellungskraft verlassen.
Gleich nach dem Eingang beginnt das Abenteuer: Der Betrachter betritt eine dunkle, niedrige Höhle aus gefalteten Pappkartons, die von Plastikstreben gehalten werden. Es riecht nach Pappe und Staub, nach Klebstoff und ein bisschen nach Müll. Durch einen roten Vorhang betritt er den ersten Raum. Glasscherben liegen hier wie Sand auf dem Boden. Die beklebte Blechdose unter einer Diskokugel ist die einzige Beleuchtung dieses roten Zeltes. Auf dem weiteren Weg bilden Rechtecke aus Klebeband am Boden die Markierungen, die die Bereiche der einzelnen Künstler anzeigen.
Maismehl und Adidas
Im nächsten Raum findet sich nichts als Müll. Pappkarton, Plastiktüten und Styroporplatten sind aufeinander gehäuft und lassen sorgen dafür, dass der Betrachter sich verstört und enttäuscht fühlt. Das soll es gewesen sein? Wieder zurück im roten Zelt fragt man sich, wo es weitergeht, denn der Durchgang zeigt sich nicht auf den ersten Blick. Doch, tatsächlich, durch ein größeres Loch in der Pappe geht es weiter, in geborgener Beklemmung, vorbei an bunt beklebten Wänden und Schattenspielen. In einem Raum liegen Häufchen von Maismehl, Zucker und Brot auf schrägen Regalbretten aus Karton. Ein Großteil der Lebensmittel ist auf den Boden darunter gerieselt. Essen, Armut, Verschwendung kommen dem Besucher in den Kopf. Im krassen Gegensatz dazu steht der nächste Raum: Ein ordentliches Kämmerchen mit Bett auf dem Boden, das keine weitere Einrichtung enthält als kartonweise Schuhe, Markenkleidung, Bilder von Autos und einen Apple-Computer.
Der kleine Markstand am Fenster ist der einzige Ort mit Tageslicht. Hier werden Obst und Süßigkeiten auf Styroportischen feilgeboten. Vorbei an einem bunten Wagen, der von nichts als einem selbstgebasteltem Motor gezogen wird, gelangt der Betrachter in die „Kwashikale Bar“. Hier dient einzig ein umgedrehter Bierkasten als Sitzgelegenheit. „Hier wird dir kein Platz angeboten, du musst es dir selbst bequem machen“, erklärt Kuratorin Desiree Nanuses später. Dafür hat der Gast aber die Wahl: Im Halbdunkeln unter blauen Lichterketten stehen Windhoek Lager, Whisky und verschiedene Sorten Fanta. „In Katutura sieht man es oft, dass zwei Freunde in eine Bar gehen und einer von ihnen keinen Alkohol trinkt. Wegen der Familiengeschichte, wahrscheinlich“.
Willkommener Eindringling
Im nächsten Raum führt ein schmaler Weg durch ein Feld von Sonnenblumen, die in Bier- und Weinflaschen stehen. Manche von ihnen blühen noch, aber viele Blüten liegen schon vertrocknet am Boden. „Die wachsen in Katutura“, wird Desiree Nanuses nachher mit ernster Mine sagen, „und werden in Avis verkauft“. Bevor der Besucher vorbei an dem Zelt aus Mülltüten zur Galerie der abgelehnten Werke kommt, trifft er auf einen mit bunten Tüchern behangenen Raum. Bilder von Nelson Mandela, Bob Marley, Jackson Wahengo schmücken die farbenfroh gemusterten Wände, eine Gitarre steht an der Wand. Auf der geblümten Tischdecke liegen Zeitschriften und Obst, Saftflaschen und Joints. Wie in manch anderem Raum auch fühlt sich Betrachter hier als willkommener Eindringling. Er schämt sich ein bisschen, die vermeidliche Privatsphäre von jemandem zu stören. Auf der anderen Seite laden die Häuslichkeit und die Sitzgelegenheiten in den Räumen zum Verweilen ein.
Als Inspiration für das Kunstprojekt, so hieß es letzte Woche in der Zeitung, diente Katutura. Auch hier wird das Land in kleinen Einheiten unter den Menschen aufgeteilt, die es dann gestalten. Im Museum und im Township verschmelzen viele einzelne Bereiche zu einer Einheit. Manche sind dunkel, dreckig und verstörend, andere sind freundlich, angenehm und bunt. Sie alle bilden eins. Actofel Iluvo, Robert Narciso und ihre Freunde haben in Windhoek etwas Einmaliges geschaffen: Eine begehbare Metapher auf das Leben.
Künstlerfreunde
Iluvo und Narciso sind Freunde, seit Narciso Mitte 2014 nach Windhoek kam. Beide arbeiten für das College of Arts. Hier konnten sie neben den gestandenen Künstlern auch junge Kunststudenten für das Projekt gewinnen. Die Installation der beiden ist noch bis 16. Mai in der Nationalgalerie in Windhoek zu sehen.
Vor der Tür zum Ausstellungsraum sind die Buchstaben U-N-I-T aus Pappe ausgeschnitten. Darunter stehen, ebenfalls auf Pappe, die handgeschriebenen Namen der Künstler. Das werden die letzten Informationen sein, die der Besucher zu dieser Installation erhält. Von jetzt an ist er ganz auf sich gestellt. Er muss sich ganz auf seine Sinne, sein eigenes Urteil und seine Vorstellungskraft verlassen.
Gleich nach dem Eingang beginnt das Abenteuer: Der Betrachter betritt eine dunkle, niedrige Höhle aus gefalteten Pappkartons, die von Plastikstreben gehalten werden. Es riecht nach Pappe und Staub, nach Klebstoff und ein bisschen nach Müll. Durch einen roten Vorhang betritt er den ersten Raum. Glasscherben liegen hier wie Sand auf dem Boden. Die beklebte Blechdose unter einer Diskokugel ist die einzige Beleuchtung dieses roten Zeltes. Auf dem weiteren Weg bilden Rechtecke aus Klebeband am Boden die Markierungen, die die Bereiche der einzelnen Künstler anzeigen.
Maismehl und Adidas
Im nächsten Raum findet sich nichts als Müll. Pappkarton, Plastiktüten und Styroporplatten sind aufeinander gehäuft und lassen sorgen dafür, dass der Betrachter sich verstört und enttäuscht fühlt. Das soll es gewesen sein? Wieder zurück im roten Zelt fragt man sich, wo es weitergeht, denn der Durchgang zeigt sich nicht auf den ersten Blick. Doch, tatsächlich, durch ein größeres Loch in der Pappe geht es weiter, in geborgener Beklemmung, vorbei an bunt beklebten Wänden und Schattenspielen. In einem Raum liegen Häufchen von Maismehl, Zucker und Brot auf schrägen Regalbretten aus Karton. Ein Großteil der Lebensmittel ist auf den Boden darunter gerieselt. Essen, Armut, Verschwendung kommen dem Besucher in den Kopf. Im krassen Gegensatz dazu steht der nächste Raum: Ein ordentliches Kämmerchen mit Bett auf dem Boden, das keine weitere Einrichtung enthält als kartonweise Schuhe, Markenkleidung, Bilder von Autos und einen Apple-Computer.
Der kleine Markstand am Fenster ist der einzige Ort mit Tageslicht. Hier werden Obst und Süßigkeiten auf Styroportischen feilgeboten. Vorbei an einem bunten Wagen, der von nichts als einem selbstgebasteltem Motor gezogen wird, gelangt der Betrachter in die „Kwashikale Bar“. Hier dient einzig ein umgedrehter Bierkasten als Sitzgelegenheit. „Hier wird dir kein Platz angeboten, du musst es dir selbst bequem machen“, erklärt Kuratorin Desiree Nanuses später. Dafür hat der Gast aber die Wahl: Im Halbdunkeln unter blauen Lichterketten stehen Windhoek Lager, Whisky und verschiedene Sorten Fanta. „In Katutura sieht man es oft, dass zwei Freunde in eine Bar gehen und einer von ihnen keinen Alkohol trinkt. Wegen der Familiengeschichte, wahrscheinlich“.
Willkommener Eindringling
Im nächsten Raum führt ein schmaler Weg durch ein Feld von Sonnenblumen, die in Bier- und Weinflaschen stehen. Manche von ihnen blühen noch, aber viele Blüten liegen schon vertrocknet am Boden. „Die wachsen in Katutura“, wird Desiree Nanuses nachher mit ernster Mine sagen, „und werden in Avis verkauft“. Bevor der Besucher vorbei an dem Zelt aus Mülltüten zur Galerie der abgelehnten Werke kommt, trifft er auf einen mit bunten Tüchern behangenen Raum. Bilder von Nelson Mandela, Bob Marley, Jackson Wahengo schmücken die farbenfroh gemusterten Wände, eine Gitarre steht an der Wand. Auf der geblümten Tischdecke liegen Zeitschriften und Obst, Saftflaschen und Joints. Wie in manch anderem Raum auch fühlt sich Betrachter hier als willkommener Eindringling. Er schämt sich ein bisschen, die vermeidliche Privatsphäre von jemandem zu stören. Auf der anderen Seite laden die Häuslichkeit und die Sitzgelegenheiten in den Räumen zum Verweilen ein.
Als Inspiration für das Kunstprojekt, so hieß es letzte Woche in der Zeitung, diente Katutura. Auch hier wird das Land in kleinen Einheiten unter den Menschen aufgeteilt, die es dann gestalten. Im Museum und im Township verschmelzen viele einzelne Bereiche zu einer Einheit. Manche sind dunkel, dreckig und verstörend, andere sind freundlich, angenehm und bunt. Sie alle bilden eins. Actofel Iluvo, Robert Narciso und ihre Freunde haben in Windhoek etwas Einmaliges geschaffen: Eine begehbare Metapher auf das Leben.
Künstlerfreunde
Iluvo und Narciso sind Freunde, seit Narciso Mitte 2014 nach Windhoek kam. Beide arbeiten für das College of Arts. Hier konnten sie neben den gestandenen Künstlern auch junge Kunststudenten für das Projekt gewinnen. Die Installation der beiden ist noch bis 16. Mai in der Nationalgalerie in Windhoek zu sehen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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