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Erzbischof Pius Ncube betet für den Tod des Tyrannen

Bulawayo im Südwesten Simbabwes, eine Million Einwohner, zweitgrößte Stadt des Landes und Hochburg der Opposition - eine heimliche Reise hat hierher geführt. Simbabwe, das einstige Musterland Afrikas, erlebt unter seinem Diktator schlimmste Gewalt und einen wirtschaftlichen Niedergang, der seinesgleichen sucht. Das Land liefert eine eindrückliche Fallstudie dafür wie schlecht sich die Mehrzahl der afrikanischen Staaten auch fünf Jahrzehnte nach der Entkolonisierung noch immer regiert.

Afrika wird auf dem G-8-Gipfel in zwei Wochen abermals ein Themenschwerpunkt sein, genau wie vor zwei Jahren im schottischen Gleneagles. Wieder einmal geht es um mehr Entwicklungshilfe, dem vermeintlichen Allheilmittel für den Kontinent, wenn man den Rockstars und Hollywood-Schauspielern glaubt, die sich für Afrika engagieren. Doch Simbabwe zeigt, dass sich Entwicklung nicht kaufen lässt. Nicht der Westen sondern Afrikas machthungrige Potentaten tragen die Hauptschuld daran, dass ihr Kontinent nicht vom Fleck kommt - aller Afrika-Euphorie und der angeblich so viel besseren Regierungsführung zum Trotz.

Simbabwe ist in mancher Hinsicht Afrika unter dem Brennglas, eine Art Mikrokosmos des Kontinents: Wer kann, der flieht. Nicht übers Meer auf die Kanaren sondern in den Süden. Der Rest lebt in bitterer Armut, oft krank. Augenzeugen sind unerwünscht. Für offene Kritik an Mugabe droht Haft, und wer ohne offizielle Akkreditierung ins Land einreist, riskiert bis zu zwei Jahre Gefängnis. Simbabwe wimmele nur so vor Spitzeln, hatte ein Freund gewarnt. Jeder zehnte Bewohner des Landes arbeite heute für den Geheimdienst. Und so ist für diese Reise aus einem Journalisten ein Tourist geworden.
Grund genug, vorsichtig sein, als jemand auf den Touristen zutritt. Ein junger Schwarzer in kariertem Hemd und beigefarbener Hose. Sofort beginnt er zu sprechen, erzählt von einem geplanten Umsturz, davon, dass er Kontakte zur CIA brauche. Ob man helfen könne?

Man kann sterben in diesem Land, für solche Pläne. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand einem Fremden gegenüber derart exponiert, ist gering. Es spricht vieles dafür, dass dieser junge Mann ein agent provocateur des Regimes ist. Ein Informant. Keine Kontakte zur CIA, keine Hilfe. Gespielt hilflos hält man die Landkarte hoch. Nur ein Tourist. Der Mann dreht ab.

Der schönste Ort in diesem Land, so fand zumindest Cecil Rhodes, der britische Kolonialimperialist, liegt eine knappe Autostunde von der Kathedrale in Bulawayo entfernt. Matobo Hills. Hier liegt Cecil Rhodes unter einer schlichten Bronzeplatte begraben. Runde Granitbrocken bis zum Horizont, Savannen, Höhlen - Rhodes hat dem wilden Land zu seinen Füßen vor fast 120 Jahren seinen Namen gegeben: Rhodesien.

Lange gelang es den Besitzern der umliegenden Lodges und Hotels, Schönheit und Geist des Landes zu erhalten. Bis sich vor sieben Jahren alles änderte, schlagartig. Es begann mit dem, was Staatschef Robert Mugabe "Landreform" nannte. Mugabe ließ fast alle der 4500 weißen Großfarmer gewaltsam enteignen und vertreiben.

Nun liegen die Felder brach, die geplünderten Farmen verfallen, in den Silos der einstigen Kornkammer Afrikas liegt kaum ein Körnchen Mais mehr. Acht von zehn Simbabwern haben keine Arbeit. Und die Währung ist längst wertlos. Ende April schoss die Inflationsrate auf über 3700 Prozent, das ist einsamer Weltrekord. Die Zentralbank kommt mit dem Drucken der Scheine, die immer mehr Nullen tragen, kaum nach. Auch eine Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Mugabe hat sie ausgehebelt, Stück für Stück. Stattdessen herrschen Vetternwirtschaft und schwarzer Rassismus. Der Diktator hat die Mittelklasse aus dem Land gejagt. Die meisten sind ins benachbarte Südafrika geflohen, Hunderttausende auch nach Großbritannien, zur alten Kolonialmacht. Rund zwei Millionen Menschen sollen es sein. Fluchtbewegungen, wie man sie sonst nur aus Kriegen kennt.Vor zwei Jahren hat Mugabe auch noch viele Armengebiete platt gewalzt, in denen ganz überwiegend Regimegegner lebten. Fast eine Million Menschen wurden dabei obdachlos. In der Pfarrei Killarney im Norden von Bulawayo kann man die Folgen dieser Terrorwelle besichtigen. Hier hat die Armee 1.300 Menschen aus ihren Hütten getrieben, auf Lastwagen verladen und weit entfernt irgendwo im Busch wie Menschenmüll abgekippt. "Murambatsvina - weg mit dem Dreck" hieß die landesweite Operation, damals, im Mai 2005. Pfarrer Albert Chatindo hat die Folgen in seiner Dioziöse genau dokumentiert. Ein Jahr lang versuchte er herauszufinden, was aus den Vertriebenen geworden ist. Mehr als die Hälfte war tot, die Kinder starben meist an Hunger und Kälte, die Älteren aus schierer Verzweiflung. Sie hatten allen Lebensmut verloren, heißt es im Bericht des Seelsorgers.

In Bulawayo und dem umliegenden Matabeleland leben überwiegend Ndebele, ein stolzes Volk, das Mugabe und seinem Shona-Stamm von Anfang an nicht ergeben war. Dafür zahlten sie einen hohen Preis: In den frühen 80er Jahren schickte Mugabe seine von Nordkoreanern gedrillte Fünfte Brigade, die für ihre besondere Brutalität bekannt war, ins Matabeleland. Rund 20 000 Ndebele wurden massakriert. Der Westen schwieg, schließlich wurden die weißen Farmer damals noch verschont.

Wie ein roter Faden zieht sich die Gewalt durch Mugabes Leben. Aus Angst, irgendwann vor ein internationales Tribunal gestellt zu werden, krallt sich der Diktator nun umso fester an die Macht.

Das Mpilo Central Hospital in Bulawayo zählte einst zu den besten Kliniken in Afrika, aber auch das ist vorbei. Zugang verschafft hier die Visite bei einer Patientin, einer Haushilfe von Freunden. Eine der noch verbliebenen Krankenschwestern führt durch lange Flure und Stationen, die fast alle im Dunkeln liegen. Wie überall fehlt es auch hier am Notwendigsten: an Filmen für Röntgenbilder, an Antibiotika, Schmerzmitteln und Blutkonserven. "Selbst die Plastikhandschuhe sind uns vor Wochen ausgegangen", klagt die stämmige schwarze Frau. "Wegen der hohen Aidsrate ist das nicht ungefährlich." Fast jeder dritte Simbabwer zwischen 15 und 65 Jahren hat Aids. Doch die wenigsten erhalten Medikamente, weil Ankauf und Verteilung kollabiert sind.

Nur an einem mangelt es in Simbabwe nicht: an Bildern des Gründervaters. In kleinen Läden, in Tankstellen oder in Hotels hängen überall Fotos von Robert Mugabe mit strengem Blick und dicker Hornbrille. Unterschrieben mit "Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Simbabwe, Genosse Robert Gabriel Mugabe".

Doch Mugabe ist inzwischen 83 Jahre alt und in Bedrängnis. Kürzlich hat er seine Schläger zum wiederholten Male auf die Opposition gehetzt und dabei deren Führer Morgan Tsvangirai halbtot prügeln lassen. Wo sich auch nur ein Fünkchen Widerstand regt, erstickt Mugabe es mit aller Macht. Doch auch in den eigenen Reihen rumort es, weil die Wirtschaftskrise nun selbst die Günstlinge hart trifft. Devisen sind rar, die Handels- und Reisesanktionen der Europäer greifen.

Die Welt scheint das Interesse an Simbabwe verloren zu haben. Und aus Afrika ist erst recht kein Beistand zu erwarten, nachdem seine Führer erst kürzlich erneut den Schulterschluss mit Mugabe geprobt haben. Sie sehen in dem Diktator noch immer den Freiheitskämpfer von damals. Zwar deutet die kollabierte Wirtschaft darauf hin, dass seine Terrorherrschaft sich nun ihrem Ende nähert. Doch freiwillig wird Mugabe so schnell wohl nicht abtreten. Er will im Amt sterben.

"Je enger der Kreis um ihn wird, desto brutaler wehrt er sich", sagt der simbabwische Menschenrechtsanwalt David Coltart. Er ist einer derjenigen, die das betrifft. Im Schattenkabinett der Opposition wird er als Justizminister gehandelt. Doch die paramilitärischen Einheiten des Regimes streifen durchs Land, entführen, foltern und töten Oppositionelle. "Unser Land wird heute von zwei Dingen beherrscht. Wut und Angst", sagt Coltart. Die entscheidende Frage wird sein, was am Ende stärker ist.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-24

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