„Es war ein Leben wie auf einem Feuerherd“
Windhoek im Wandel der Zeit – Auf Spurensuche mit der NWG
Von Milena Schwoge, Windhoek
„Windhoek ist eine Stadt mit vielen Namen“, sagt Gunter von Schumann. Um ihn herum hat sich ein Kreis von mit Stift, Block und Kamera bewaffneten Menschen gebildet. Alle sind gekommen, um mehr über die Geschichte ihres Wohnortes zu erfahren.
Während Windhoek von den Herero „Otjomuise“ genannt wird, was übersetzt in etwa so viel wie „Ort des Dampfes“ bedeutet, sprechen Nama und Damara von ihr als „/Ae//Gams“, auf Deutsch „heiße Quelle“. Der englische Offizier James Eduard Alexander beschreibt 1837 Windhoek als Queen Adelaide´s Bath. Nur kurze Zeit später findet Jan Jonker, Kaptein der Orlam-Afrikaner, einen neuen Namen. „Er war inspiriert von seiner Reise durch die Tulbagh-Winterhoek-Bergen und taufte die Stadt in `Windhoock` um“, berichtet von Schumann. Bevor die geschichtliche Stadtführung beginnt, gibt der Hobby-Historiker zunächst einen Überblick über die geologischen Begebenheiten der Stadt zu den Anfängen des 19. Jahrhunderts. „Windhoek glich damals einem Leben auf einem Feuerherd. Rund 33 Vulkane brodelten im Untergrund der Stadt“, sagt er. 14 heiße Quellen befanden sich in Klein Windhoek, in Groß Windhoek waren es 12. Das hohe Wasseraufkommen sprach sich schnell im Land herum. „1850 wurde das Gebiet von den Orlam, den in der Kapkolonie entstandenen Verbindungen von holländischen Buren und Nama-Frauen, besiedelt“, fügt der Reiseleiter hinzu. Nach und nach suchten auch Angehörige der Nama- und Herero-Völkerstämme die Quellen auf, die unter den Gruppen zu bitteren und blutigen Auseinandersetzungen führen.
„Es waren aber nicht die ersten Bewohner Windhoeks. Schon tausende Jahre vorher besiedelten Damara und Buschleute die Region“, betont von Schumann. Erste Erzeugnisse menschlicher Existenz wurden 1960 von einem Herrn Bause von der Stadtverwaltung in Form von Steinwerkzeugen und Überresten von Elefantenknochen im Gebiet des heutigen Zooparks gefunden. Forscher schätzen ihr Alter auf 5000 Jahre.
1842 trafen auch die ersten weißen Missionare von der Rheinischen Mission in Windhoek ein. Unter ihnen befanden sich Carl Hugo Hahn, Heinrich Kleinschmidt und Jan Bam. „Sie bauten Häuser im europäischen Stil und gaben Windhoek den Beinamen „Ezek“ für „Zankbrunn“ wegen den Konflikten zwischen der Londoner und der wesleyanischen Mission“, berichtet der Bibliothekar. Während sich die Stadt langsam zum Handelszentrum, trafen in den 1870er Jahren weitere Missionare der Rheinischen Mission aus Deutschland ein. Der aus Keetmanshoop stammende Missionar Schröder beschreibt seinen ersten Eindruck bei seiner Ankunft wie folgt: „Windhoek, umgeben von berauschendem Met und einer nie endenden Doppelehe mit einem sehr lauten Nachtleben, erinnert an ein wahrhaftes Paris in Afrika.“ 1875 gründet der Prediger die erste Rheinische Missionsstation in Klein Windhoek.
Als 1885 der Botaniker Dr. Hans Schinz zu Besuch nach Windhoek kommt, wird er von Schakalen an den Quellen begrüßt. „Die Menschen waren vor den nicht enden wollenden Kriegen geflohen“, erklärt von Schumann. Die florierenden Felder, die einst die gesamte Bevölkerung Windhoeks ernährt hatten, lagen brach.
Der Motor des Reisebusses heult auf. Die Zeitreise zu den Spuren der Kolonialzeit beginnt. Durch das Villenviertel, wo einst prunkvolle Häuser wie das von Franz Kiesewetter das Stadtbild bestimmten, führt die Tour nach Klein Windhoek. Hier und da weist Schumann auf geschichtsträchtige Gebäude und bekannte Ansiedler und Architekten hin.
Vorbei am Klein Windhoeker Friedhof geht die Reise entlang der Jan Jonker Straße weiter. „Missionar Siebe hat hier 1894 die erste deutsche Schule gegründet. Unterrichtet wurde zunächst in privaten Haushalten“, sagt von Schumann und zeigt aus dem Fenster.1909 erhielt Windhoek Stadt-Status. Ein Jahr später folgte der Bau der Deutschen Schule in Klein Windhoek, die jedoch wegen eines Schulstreits mit Behörden schon ein Jahrzehnt später wieder geschlossen werden musste.
An der Christuskirche hält der Bus für ein paar Minuten. Die Tourgäste haben Gelegenheit, auszusteigen und sich selbst ein Bild von dem Gotteshaus zu machen, dessen Grundsteinlegung am 11. August 1907 stattfand.
Etwa drei Jahre später wurden der 42 Meter hohe Turm aus italienischem Carrara-Marmor mit den bunten Kirchenfenstern – ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. – feierlich von der Bevölkerung eingeweiht. „In Schriften wurde überliefert, dass Pastor Siebe vor dem Altar wie wild um sich geschlagen und sich die Hose vom Leib gerissen hat. Der Arme wurde anscheinend von Kneifameisen überfallen“, erinnert sich von Schumann und lacht.
Am Ausspannplatz blickt er nochmals zurück. Dort traf 1890 die erste Schutztruppe des Deutschen Reiches, bestehend aus 21 Mann, einem Offizier und Leutnant Curt von François, ein.
Auf der Suche nach einem geeigneten Verwaltungssitz legte Letzterer am 18. Oktober 1890 den Grundstein zur Alten Feste. „Windhoek wurde zum administrativen und militärischen Mittelpunkt und Handelszentrum der Kolonie“, erklärt von Schumann. Entlang der Store-/Kaiserstraße, der heutigen Independence Avenue, bildeten Geschäfte den Grundstein für eine belebte Fußgängerzone.
1959 formierte sich dann der schwarze Widerstand in Windhoek. Frauen protestierten gegen die geplante Zwangsumsiedlung in Ghettos vor den Toren Windhoeks. „Die südafrikanischen Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer. Elf Afrikaner wurden getötet und anschließend die Umsiedlung mit Gewalt umgesetzt“, berichtet der Hobby-Historiker. Nichtsdestotrotz mussten alle Bewohner der Alten Werft (heute zum Stadtteil Hochland-Park gehörend) ab 1960 nach Katutura umziehen.
Der letzte Stopp des Busses ist am Windhoeker Bahnhof. Mit der Station, die zunächst lediglich aus einem Wellblech-Fertighaus bestand, wurde auch das Verkehrsnetz im Land ausgebaut. „Damals dauerte eine Fahrt nach Swakopmund mit dem Zug noch vierzehn Stunden“, berichtet von Schumann.
Seitdem hat sich einiges in Windhoek getan. Zum Vergleich: Heute dauert eine einfache Fahrt neun Stunden. Etwa 400000 Menschen leben inzwischen in Namibias Hauptstadt. In Katutura wird weiterhin daran gearbeitet, die Infrastruktur auszubauen. Wasseranschlüsse sind gelegt und Häuser gebaut worden. Straßen, Supermärkte und Schulen sind dort ebenfalls bereits entstanden, dennoch sind die Lebensumstände für viele Menschen unzumutbar. Der ungebremste Zuzug (6%+) ist aus Sicht der Stadtverwaltung die Ursache der meisten Probleme. Auch Rassismus und Neo-Rassismus, ein Erbe aus der Kolonialzeit und der Apartheid, sind teilweise nach wie vor ein Thema.
Windhoek ist zu einer Stadt mit eigenem Charme geworden: Eine Stadt, in der die Verschmelzung von Vergangenheit und Zukunft nicht nur in dem Mix aus wilhelminischen Überresten der Kolonialzeit und teils asiatischen Bauten der Moderne, sondern auch in den vielen verschiedenen Völkern und Kulturen sichtbar ist.
Die nächste geschichtliche Stadtführung der NWG findet am Samstag, 2. September, unter Leitung von Waldi Fritzsche statt. Anmeldungen und Informationen gibt es per E-Mail ([email protected]).
„Windhoek ist eine Stadt mit vielen Namen“, sagt Gunter von Schumann. Um ihn herum hat sich ein Kreis von mit Stift, Block und Kamera bewaffneten Menschen gebildet. Alle sind gekommen, um mehr über die Geschichte ihres Wohnortes zu erfahren.
Während Windhoek von den Herero „Otjomuise“ genannt wird, was übersetzt in etwa so viel wie „Ort des Dampfes“ bedeutet, sprechen Nama und Damara von ihr als „/Ae//Gams“, auf Deutsch „heiße Quelle“. Der englische Offizier James Eduard Alexander beschreibt 1837 Windhoek als Queen Adelaide´s Bath. Nur kurze Zeit später findet Jan Jonker, Kaptein der Orlam-Afrikaner, einen neuen Namen. „Er war inspiriert von seiner Reise durch die Tulbagh-Winterhoek-Bergen und taufte die Stadt in `Windhoock` um“, berichtet von Schumann. Bevor die geschichtliche Stadtführung beginnt, gibt der Hobby-Historiker zunächst einen Überblick über die geologischen Begebenheiten der Stadt zu den Anfängen des 19. Jahrhunderts. „Windhoek glich damals einem Leben auf einem Feuerherd. Rund 33 Vulkane brodelten im Untergrund der Stadt“, sagt er. 14 heiße Quellen befanden sich in Klein Windhoek, in Groß Windhoek waren es 12. Das hohe Wasseraufkommen sprach sich schnell im Land herum. „1850 wurde das Gebiet von den Orlam, den in der Kapkolonie entstandenen Verbindungen von holländischen Buren und Nama-Frauen, besiedelt“, fügt der Reiseleiter hinzu. Nach und nach suchten auch Angehörige der Nama- und Herero-Völkerstämme die Quellen auf, die unter den Gruppen zu bitteren und blutigen Auseinandersetzungen führen.
„Es waren aber nicht die ersten Bewohner Windhoeks. Schon tausende Jahre vorher besiedelten Damara und Buschleute die Region“, betont von Schumann. Erste Erzeugnisse menschlicher Existenz wurden 1960 von einem Herrn Bause von der Stadtverwaltung in Form von Steinwerkzeugen und Überresten von Elefantenknochen im Gebiet des heutigen Zooparks gefunden. Forscher schätzen ihr Alter auf 5000 Jahre.
1842 trafen auch die ersten weißen Missionare von der Rheinischen Mission in Windhoek ein. Unter ihnen befanden sich Carl Hugo Hahn, Heinrich Kleinschmidt und Jan Bam. „Sie bauten Häuser im europäischen Stil und gaben Windhoek den Beinamen „Ezek“ für „Zankbrunn“ wegen den Konflikten zwischen der Londoner und der wesleyanischen Mission“, berichtet der Bibliothekar. Während sich die Stadt langsam zum Handelszentrum, trafen in den 1870er Jahren weitere Missionare der Rheinischen Mission aus Deutschland ein. Der aus Keetmanshoop stammende Missionar Schröder beschreibt seinen ersten Eindruck bei seiner Ankunft wie folgt: „Windhoek, umgeben von berauschendem Met und einer nie endenden Doppelehe mit einem sehr lauten Nachtleben, erinnert an ein wahrhaftes Paris in Afrika.“ 1875 gründet der Prediger die erste Rheinische Missionsstation in Klein Windhoek.
Als 1885 der Botaniker Dr. Hans Schinz zu Besuch nach Windhoek kommt, wird er von Schakalen an den Quellen begrüßt. „Die Menschen waren vor den nicht enden wollenden Kriegen geflohen“, erklärt von Schumann. Die florierenden Felder, die einst die gesamte Bevölkerung Windhoeks ernährt hatten, lagen brach.
Der Motor des Reisebusses heult auf. Die Zeitreise zu den Spuren der Kolonialzeit beginnt. Durch das Villenviertel, wo einst prunkvolle Häuser wie das von Franz Kiesewetter das Stadtbild bestimmten, führt die Tour nach Klein Windhoek. Hier und da weist Schumann auf geschichtsträchtige Gebäude und bekannte Ansiedler und Architekten hin.
Vorbei am Klein Windhoeker Friedhof geht die Reise entlang der Jan Jonker Straße weiter. „Missionar Siebe hat hier 1894 die erste deutsche Schule gegründet. Unterrichtet wurde zunächst in privaten Haushalten“, sagt von Schumann und zeigt aus dem Fenster.1909 erhielt Windhoek Stadt-Status. Ein Jahr später folgte der Bau der Deutschen Schule in Klein Windhoek, die jedoch wegen eines Schulstreits mit Behörden schon ein Jahrzehnt später wieder geschlossen werden musste.
An der Christuskirche hält der Bus für ein paar Minuten. Die Tourgäste haben Gelegenheit, auszusteigen und sich selbst ein Bild von dem Gotteshaus zu machen, dessen Grundsteinlegung am 11. August 1907 stattfand.
Etwa drei Jahre später wurden der 42 Meter hohe Turm aus italienischem Carrara-Marmor mit den bunten Kirchenfenstern – ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. – feierlich von der Bevölkerung eingeweiht. „In Schriften wurde überliefert, dass Pastor Siebe vor dem Altar wie wild um sich geschlagen und sich die Hose vom Leib gerissen hat. Der Arme wurde anscheinend von Kneifameisen überfallen“, erinnert sich von Schumann und lacht.
Am Ausspannplatz blickt er nochmals zurück. Dort traf 1890 die erste Schutztruppe des Deutschen Reiches, bestehend aus 21 Mann, einem Offizier und Leutnant Curt von François, ein.
Auf der Suche nach einem geeigneten Verwaltungssitz legte Letzterer am 18. Oktober 1890 den Grundstein zur Alten Feste. „Windhoek wurde zum administrativen und militärischen Mittelpunkt und Handelszentrum der Kolonie“, erklärt von Schumann. Entlang der Store-/Kaiserstraße, der heutigen Independence Avenue, bildeten Geschäfte den Grundstein für eine belebte Fußgängerzone.
1959 formierte sich dann der schwarze Widerstand in Windhoek. Frauen protestierten gegen die geplante Zwangsumsiedlung in Ghettos vor den Toren Windhoeks. „Die südafrikanischen Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer. Elf Afrikaner wurden getötet und anschließend die Umsiedlung mit Gewalt umgesetzt“, berichtet der Hobby-Historiker. Nichtsdestotrotz mussten alle Bewohner der Alten Werft (heute zum Stadtteil Hochland-Park gehörend) ab 1960 nach Katutura umziehen.
Der letzte Stopp des Busses ist am Windhoeker Bahnhof. Mit der Station, die zunächst lediglich aus einem Wellblech-Fertighaus bestand, wurde auch das Verkehrsnetz im Land ausgebaut. „Damals dauerte eine Fahrt nach Swakopmund mit dem Zug noch vierzehn Stunden“, berichtet von Schumann.
Seitdem hat sich einiges in Windhoek getan. Zum Vergleich: Heute dauert eine einfache Fahrt neun Stunden. Etwa 400000 Menschen leben inzwischen in Namibias Hauptstadt. In Katutura wird weiterhin daran gearbeitet, die Infrastruktur auszubauen. Wasseranschlüsse sind gelegt und Häuser gebaut worden. Straßen, Supermärkte und Schulen sind dort ebenfalls bereits entstanden, dennoch sind die Lebensumstände für viele Menschen unzumutbar. Der ungebremste Zuzug (6%+) ist aus Sicht der Stadtverwaltung die Ursache der meisten Probleme. Auch Rassismus und Neo-Rassismus, ein Erbe aus der Kolonialzeit und der Apartheid, sind teilweise nach wie vor ein Thema.
Windhoek ist zu einer Stadt mit eigenem Charme geworden: Eine Stadt, in der die Verschmelzung von Vergangenheit und Zukunft nicht nur in dem Mix aus wilhelminischen Überresten der Kolonialzeit und teils asiatischen Bauten der Moderne, sondern auch in den vielen verschiedenen Völkern und Kulturen sichtbar ist.
Die nächste geschichtliche Stadtführung der NWG findet am Samstag, 2. September, unter Leitung von Waldi Fritzsche statt. Anmeldungen und Informationen gibt es per E-Mail ([email protected]).
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