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Explosive Vorwürfe: Ex-Sicherheitsberater Bolton rechnet mit Trump ab
Explosive Vorwürfe: Ex-Sicherheitsberater Bolton rechnet mit Trump ab

Explosive Vorwürfe: Ex-Sicherheitsberater Bolton rechnet mit Trump ab

Stefan Noechel
Washington (dpa) - Außenpolitik nach Bauchgefühl, gefährliches Unwissen und ein unbändiger Wunsch nach einer zweiten Amtszeit - so beschreibt der frühere Nationale Sicherheitsberater John Bolton (Bild) den Regierungsstil von US-Präsident Donald Trump. Zudem wirft er dem Präsidenten in seinem neuen Enthüllungsbuch vor, seine persönlichen Interessen über die des Landes gestellt und sein Amt wiederholt dafür missbraucht zu haben, wie US-Medien am Mittwoch berichteten. Trump wiederum hat Bolton vorgeworfen, nicht immer die Wahrheit zu sagen. Konfrontiert mit den jüngsten Vorwürfen sagte der Präsident dem „Wall Street Journal“, Bolton sei ein «Lügner».
Wiederwahl als Trumps Leitmotiv
„Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war“, schreibt Bolton in einem vorab vom „Wall Street Journal“ veröffentlichten Kapitel. Selbst das Ringen mit China um ein Handelsabkommen habe Trump ganz offen für seine Wiederwahl einsetzen wollen, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf das Buch, das am kommenden Dienstag veröffentlicht werden soll - falls es nicht noch auf Antrag des Weißen Hauses von einem Gericht blockiert wird.
Verhinderung von Ermittlungen
Bolton schreibt der Zeitung zufolge, dass ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht nur wegen der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre, sondern auch wegen anderer Fälle gerechtfertigt gewesen wäre. Trump habe mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten von „Diktatoren“ unterbunden, etwa in Bezug auf China und die Türkei. Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen gegen die Unternehmen ZTE und Halkbank gegangen, schreibt Bolton demnach. „Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten“, so Bolton. Er habe seine Bedenken damals auch schriftlich an Justizminister William Barr gerichtet.
Wahlhilfe aus China?
In Bezug auf China habe Trump in den Verhandlungen um ein Handelsabkommen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen, schreibt Bolton demnach. Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, seien ein wichtiger Teil des Abkommens gewesen. Trump habe Chinas Präsident Xi Jinping gebeten, sicherzustellen, «dass er gewinnen würde», schreibt Bolton demnach. „Er betonte die Bedeutung von Landwirten und von größeren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl“, schrieb Bolton.
„Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, in dem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt ...“, schreibt Bolton über Trump. Auch gegen Berater des Präsidenten, darunter Schwiegersohn Jared Kushner, teilt Bolton aus - Selbstkritik scheint hingegen Mangelware.
Gehört Finnland zu Russland?
Bolton, der eineinhalb Jahre eng mit Trump zusammengearbeitet hatte, warf dem Präsidenten auch vor, seine Außenpolitik häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit zu basieren. So habe Trump etwa nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht sei und einmal gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wie Bolton der „New York Times“ zufolge schreibt. Zudem soll Trump einen Nato-Austritt ernsthaft erwogen und eine Invasion Venezuelas als „cool“ bezeichnet haben.
Bolton erklärt auch, es sei klar gewesen, dass Trumps persönliche Diplomatie mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Während eines Treffens mit dem Nordkoreaner 2018 habe Außenminister Mike Pompeo Bolton einen Zettel zugesteckt, in dem jener über Trump geschrieben habe: „Der redet so viel Scheiße“.
Weißes Haus will Veröffentlichung verhindern
Die US-Regierung hatte am Dienstag eine Klage gegen die Veröffentlichung des Buchs eingereicht. Bolton verbreite geheime Informationen und gefährde damit auch die nationale Sicherheit, hieß es zur Begründung. Bolton habe rund zwei Millionen Dollar (1,78 Millionen Euro) für das Buch erhalten, hieß es weiter. Der Verlag Simon & Schuster kritisierte die Klage scharf und sprach von Bemühungen, unliebsame Informationen zu unterdrücken.
Bislang gab es kein Buch aus Trumps engstem Führungszirkel im Weißen Haus, dessen Autor bekannt war - es gab indes ein anonymes Buch. Trump hatte Bolton im September wegen Meinungsverschiedenheiten zu Iran, Nordkorea und anderen Themen geschasst. Bolton sagte, er habe gekündigt, der Präsident hingegen will ihn rausgeschmissen haben. Das knapp 600 Seiten langes Werk „The Room Where It Happened“ (etwa: Der Raum, in dem es geschah), sollte ursprünglich im März erscheinen, die Veröffentlichung wurde aber vom Weißen Haus gestoppt.
Bolton will sich nun in einem ausführlichen Fernsehinterview äußern, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll. In einem vorab veröffentlichten Interview-Ausschnitt sagte Bolton, Russlands Präsident Wladimir Putin glaube, er könne Trump nach Belieben manipulieren, weil dieser kein „ernsthafter Gegner“ sei. „Ich glaube nicht, dass er sich über ihn Sorgen macht“. Putin sei im Vorteil, weil er sein ganzes Leben damit verbracht habe, sich um Russlands strategische Position in der Welt zu bemühen, wohingegen Trump nichts über solche Themen „lesen oder lernen will“.
Bolton schwieg im Amtsenthebungsverfahren
Bolton hatte sich indes Anfang des Jahres geweigert, im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen der Ukraine-Affäre vor dem Repräsentantenhaus ohne Vorladung unter Strafandrohung auszusagen. Kritiker werfen ihm daher vor, scheinheilig zu agieren und nur möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen. Darin rechtfertigt Bolton seine Entscheidung. Die Demokraten hätten ihre Untersuchung aus politischen Gründen nur auf die Ukraine begrenzt, um das Verfahren schnell abzuschließen, schreibt er. Wäre es eine breiter angelegte Untersuchung gewesen, hätte er ausgesagt. Dann wäre das Verfahren vielleicht anders ausgegangen, mutmaßt er.
Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, der das Amtsenthebungsverfahren führend betreute, wies Boltons Darstellung zurück. Einige von Boltons Mitarbeitern hätten „viel zu verlieren gehabt“ und mit ihrer Aussage im Parlament „wirklichen Mut gezeigt“. Bolton hingegen habe alles für sein Buch aufgehoben. „Er ist vielleicht ein Autor, aber kein Patriot“, schrieb Schiff auf Twitter. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden teilte mit, sollten die Vorwürfe stimmen, hätte Trump seine „heilige Pflicht gegenüber dem amerikanischen Volk“ verletzt.
Was sagt Bolton jetzt zur Ukraine?
Zur Frage, ob Trumps Handeln in der Ukraine-Affäre zu einer Amtsenthebung hätte führen sollen, nimmt Bolton nicht eindeutig Stellung. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass er Trumps Vorgehen für politisch motiviert und falsch hielt. „Ich dachte, die ganze Angelegenheit war schlechte Politik, juristisch fragwürdig und für einen Präsidenten inakzeptables Verhalten“, zitiert die „Washington Post“ aus Boltons Buch. Trump habe sich gegenüber der Ukraine von verschiedenen „Verschwörungstheorien“ beeinflussen lassen, so Bolton.
Trump war in der Affäre vorgeworfen worden, bereits vom Kongress bewilligte Militärhilfen für die Ukraine zurückzuhalten, um Kiew zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden zu drängen. Das Repräsentantenhaus wollte Trump des Amtes entheben, der von Republikanern kontrollierte Senat sprach Trump Anfang Februar frei.
Kaum Interesse an Menschenrechten
Bolton beschreibt auch, wie Chinas Xi Trump bei einem G-20-Gipfel gut vorbereitet und ausführlich schmeichelte, was dem US-Präsidenten spontane Zugeständnisse abtrotzte. Trumps Berater hätten sich im Nachhinein bemüht, die Situation wieder geradezurücken. Bei einem weiteren Treffen habe Trump Xi sogar gesagt, dieser sei „die tollste Führungsperson der chinesischen Geschichte“. Die Lage der Menschenrechte in China - etwa die Demokratiebewegung in Hongkong oder die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren - hätten Trump demnach nicht interessiert.
Der Republikaner Bolton steht im Ruf, stramm konservativ und sehr meinungsstark zu sein. Er ist etwa seit Langem für seine harte Haltung gegenüber dem Iran und Nordkorea bekannt. Vor seinem Bruch mit Trump war er bei den Demokraten verhasst. Unter Präsident George W. Bush hatte Bolton die außenpolitisch bedeutende Stelle des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York inne. (Foto: dpa)

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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