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Farmenteignungen: Willkür anstatt rechtlicher Grundsätze?

Neulich hörte ich einen Spruch, der auch auf die Frage der Farmenteignung zutrifft: Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Zu der Frage der Zwangsenteignung der Farmen möchte ich hier mal als Rechtsanwalt Stellung beziehen. Die Verfassung sagt in Paragraph 16(2), dass der Staat "im öffenlichen Interesse" Zwangsenteignungen vornehmen kann. Was bedeuten diese Schlüsselworte: "im öffenlichen Interesse"? Sie können sicher nicht bedeuten, dass Politiker hingehen können und von Bürgern, die sie nicht als ihre Unterstützer ansehen ("racist minorities") Vermögen zwangsenteignen, um es vom Staat ihren eigenen Anhängern schenken zu lassen oder zu geschenkten Bedingungen zu überlassen. Wenn es das ist, was "öffentliche Interesse" bedeutet, dann haben wir in Namibia den Rahmen einer rechtsstaatlichen Ordnung verlassen.

Die Bedeutung dieser Worte "im öffentlichen Interesse" muss so gesehen werden: Vermögen und Grundbesitz können enteignet werden, wenn es im Rahmen eines größeren Projektes, das vom Staat durchgeführt wird (zum Beispiel den Bau einer Straße, einer Hochspannungsleitung, oder eines Dammes), absolut notwendig ist. Wenn zum Beispiel eine Eisenbahn gebaut werden soll und die Strecke über eine Farm führt und der Farmer den Teil der Farm nicht verkaufen will, dann kann man nicht erwarten, dass die Eisenbahn jetzt ihren Schienenweg um die Farm herum legen muss, sondern dann kann das entprechende Gebiet des Farmers zwangsenteignet werden. Die Enteignung ist in dem Fall "im öffentlichem Interesse", weil es keine vernünftige Alternative gibt. Das "öffentliche Interesse" ist gekoppelt an diesen spezifischen Teil der Farm, der für den Bau des nationalen Projektes erworben werden muss. Ähnlich ist der Fall gelagert bei einem Damm, der auf einer Dammstelle auf einer Farm gebaut werden soll, um als Wasservorrat für die Stadt zu dienen. Es gibt keine vernünftige Alternative, man kann nur an der einen Stelle den Damm optimal bauen. Daher ist es "im öffentlichen Interesse", dass dieser Teil der Farm vom Staat erworben wird, wenn nötig über den Weg einer Zwangsenteignung.

Darin unterscheidet sich die Enteignung der Farmen von der in der Verfassung vorgesehenen Enteignung: Es gibt keinen zwingenden Grund, warum diese spezifischen Farmen für eine Ansiedlung von landlosen Bauern enteignet werden müssen. Jede Farm eignet sich zur Ansiedlung von Bauern. Es gibt also kein "öffentliches Interesse", diese ausgesuchten Farmen zu enteignen, insbesondere nicht, wenn viele andere Farmen zum Kauf angeboten werden und vom Staat für den Zweck der Ansiedlung hätten gekauft werden können.

In der Praxis ist es doch so: Wenn Herr F (F = Farmer) seine Farm verkaufen will, und Herr XXL (XXL = Ein Mitglied der politischen Elite, der bereits über den Weg der "affirmative action" und "restructuring" eine Topmanagement-Position in der Regierung oder in einer Staatsgesellschaft mit einem Monatsgehalt von N$ 30000 bis N$ 60000, eine "motor vehicle allowance" und ein Hausdarlehen von 3% erhalten hat), wenn also Herr XXL die Farm kaufen will, dann erhält er nicht nur ein Darlehen bei der Agribank für 95% des Kaufpreises zu besonders günstigen Bedingungen, sondern auch gleich des Ministers Verzichterklärung - was bedeutet, dass der Staat von seinem Recht, diese Farm im Rahmen seines gesetzlichen festgelegten Vorkaufsrechts zu kaufen, Abstand nimmt, obwohl die Farm sich sehr gut für die Besiedlung der landlosen Bauern eignen würde.

Wieso werden auf der einen Seite angebotene Farmen nicht gekauft, und auf der anderen Seite Farmen von Farmern enteignet, die ihre Farmen gar nicht abgeben wollen und die sich viel Mühe gemacht haben, über Generationen die Farm aufzubauen? Außerdem gibt es viele tausende Quadratkilometer unentwickeltes und unbesiedeltes Land in Namibia. Warum werden diese Gebiete nicht für Siedler entwickelt? Genau das sind die Kernfragen, die die Farmervereinigungen in einem gemeinsamen finanzierten Testfall (Precedent) im Gericht zur Sprache bringen sollten. In so einem Testfall müsste das Gericht entscheiden, wann eine Zwangsenteignung wirklich "im öffenlichen Interesse" ist. Kann man im "öffentlichen Interesse" der Person F etwas wegnehmen, um es der Person XXL oder G, H und K danach zu geben? Keine andere Prozedur erlaubt eine solch gründliche Untersuchung dieser Frage wie ein Gerichtsverfahren. So gibt es zum Beispiel ein Prinzip in unserer Prozessordnung, die es jeder Partei ermöglicht, die andere Partei aufzufordern, alle Dokumente, die sich irgendwie auf die anstehenden Fragen beziehen, der anderen Partei vorzulegen. Im Rahmen dieser Prozedur könnte man die Regierug bitten, 'mal vorzulegen, wer denn nun wirklich die 250000 landhungrigen Wunschfarmer sind; gibt es davon Listen, gibt es Namen und Adressen? Was genau machen diese Menschen jetzt, wo sie noch keine Farm erhalten haben?

In der Gerichtsverhandlung würde das Ministerium im Kreuzverhör Antworten auf ein paar pertinente Fragen geben müssen, so zum Beispiel, warum in den vergangenen Jahren die für den Farmankauf zu Verfügung gestellten Gelder gar nicht ausgeschöpft wurden. Man wird Antworten geben müssen, warum genau Farmen, die zum Verkauf standen, nicht für Umsiedlungszwecke gekauft wurden. Man wird den Erfolg der bisherigen Umsiedlung unter die Lupe nehmen um festzustellen, ob es wirklich im "öffentlichen Interesse" ist, unkundige Bauern auf zu kleinen Farmeinheiten mit zu wenig Entwicklungskapital anzusiedeln und ob die Umgesiedelten ihre Umsiedlung als Fortschritt ansehen. Man wird auf das Los der Farmarbeiter eingehen um festzustellen, ob es im "öffentlichem Interesse" ist, eine Gruppe Menschen anzusiedeln und gleichzeitig eine andere arbeitslos und obdachlos zu machen. Man wird untersuchen und dem Gericht Beurteilungen vorlegen, ob die angesiedelten Kleinfarmer in Krisen und Trockenzeiten überlebensfähig sind oder ob diese, in Namibia immer wiederkehrenden Naturerscheinungen (Trockenheit), für die unerfahrenen und unterkapitalisierten Siedler der absolute Todesstoß sein werden. Werden dann die Bilder, die wir von den Hungersnöten in Nordafrika kennen, in Zukunft aus Namibia kommen (siehe Simbabwe)? Das Gericht wird entscheiden müssen, ob es im "öffentlichen Interesse" ist, diesen Katastrophen auch in Namibia den Weg zu bereiten.

Die Frage der Zwangsenteignung der Farmer geht nicht nur die Farmerschaft etwas an. Es geht hier nicht nur um eine "gerechte Kompensation" für enteigneten Grund und Boden oder um die Frage, ob man erfolgreich war auszuhandeln, dass das finale Datum für die Beantwortung der Enteignungsnote um 14 Tage hinaus gezögert wird. Es geht hier wirklich ums Prinzip: ob wir in einem Rechtsstaat leben oder nicht, um die Frage, wie die Grundsätze der Verfassung interpretiert werden, ob wir akzeptieren, dass reine Willkür den Platz von rechtlichen Grundsätzen einnimmt.

Wenn heute Farmer enteignet werden können, um eine Umverteilung zu Gunsten der "Farmhungrigen" vorzunehmen, dann können morgen Minenrechte oder Geschäfte und Unternehmen aus genau dem selben Grund enteignet werden.

Es gibt sicher auch Leute, die auf Geschäfte, Minenrechte oder Villen und Häuser "hungrig" sind. Hat sich der Grundsatz der willkürlichen Enteignung erst einmal etabliert, wird es bald Gründe geben, ih auszudehnen und auf anderen Gebieten auch einzusetzen.

Andreas Vaatz

Rechtsanwalt, Windhoek

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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